Standfestigkeit

Begonnen von Ralf, 02 November 2005, 09:18:13

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harold

In diesem Zusammenhang ists vielleicht interessant zu sehen, wie die großen Marinen vor/während des ersten Weltkriegs an die Sache herangingen...

USN: Verzicht auf Geschwindigkeit, dafür stark gepanzert, große Kaliber.
Ohne jetzt "Panzerung=Standfestigkeit" kurzzuschließen, als Tendenz:
schlagkräftig und standfest.

Royal Navy: Geschwindigkeit im BB-Sektor moderat, dafür stark gepanzert und große Kaliber; im BC-Sektor hohe speeds, große Kaliber, Schutzeinrichtungen fraglich. Als Tendenz: eine Diversifikation der Aufgaben, nicht zuletzt auch durch den Erfolg der Invincibles vor Falkland gefestigt.

Kaiserliche Marine: im Prinzip ähnlich wie die RN, was die Diversifikation angeht, jedoch in Kaliberfragen lange eher zurückhaltend. Tendenz: schnell und standfest, Schlagkraft eher durch Präzision/Feuergeschwindigkeit als durch Kaliber.

Zaristische, KuK Marine: in beiden Fällen in allen drei Bereichen eher moderat.

Japanische Marine: eher an GB orientiert.

Ich weiß, das ist jetzt grob vereinfachend; aber mir scheint, dass die nach-Washington-Bauten ihre jeweilige Ahnentafel nicht verleugnen können.
"Gloriouse" Ausreißer, wie Fisher´s "speed is the best protection", kann man ja áuch vor dem Hintergrund des eigenen plotting-Systems sehen, während die gegenerische Feuerleitung vermutlich noch recht umständlich ist (oder, starke Seitenpanzer und eher stiefmütterlich bedachte Decks aus Gefechtserfahrungen - noch ohne elektronische Zielerfassung auf große Distanzen; später dann-).

Ja, da gäb´s noch einige interessante Aspekte im jeweiligen historischen Kontext!

MfG
Harold
4 Ursachen für Irrtum:
- der Mangel an Beweisen;
- die geringe Geschicklichkeit, Beweise zu verwenden;
- ein Willensmangel, von Beweisen Gebrauch zu machen;
- die Anwendung falscher Wahrscheinlichkeitsrechnung.

ufo

@Ralf
Das waere ja gut fur die Standfestigkeit auf dem Holzwege zu sein ... Holz schwimmt!  :D

Im Prinzip hast Du recht - das B-Schiff war ein unglaublich standfestes Schiff. Nur impliziert Dein Ausdruck 'Meisterwerk' etwas Positives. In den Stellungnahmen, die ich von der RN kenne und auch in den Zitaten oben, ist das aber eher die Rede von einem ausgesprochen unausgewogenen Schiff. Unnuetze Schimmfaehigkeit gepaart mit nur duchschnittlichem Schutz der Aufbauten. Das hat denke ich bei der RN Kopfschuetteln hervorgerufen.

Und um auf Deine Bemerkung oben einzugehen - ich denke die haben ihre Seeleute auch lieb gehabt. Aber Bismarck hat gut die Haelfte ihrer Besatzung durch Artilleriebeschuss verloren. Das ist eine ungewoehnlich hohe Zahl (zumindest fuer ein Schiff, das nicht explodiert) und das hat denke ich den unangenehmen Geschmack im Mund verursacht - in ein Wrack reinballern zu muessen nur, weil das einfach nicht untergehen will obwohl es als kampffaehige Einheit laengst erledigt ist.

@Rainer
Die Briten gingen halt eher davon aus, dass ein Gegner, der es schafft ein Schiff weitgehend kampfunfähig zu machen, Zeit und Kräfte hat, es auch noch zu versenken. Daher ist exzessive Sinksicherheit verschwendede Tonnage.

Die Deutschen hingegen sahen das eher so, dass ein Schiff solange es schwimmt, durch Hilfkräfte (U-Boote, Zerstörer, andere schwere Einheiten, Luftunterstützung) gerettet werden kann. Auch wird der Gegner wohl nicht die Lust verlieren aber er hat vielleicht irgendwann keine Munition oder keinen Sprit mehr. So ist eine grösstmögliche Sinksicherheit immer von Vorteil.

Der Fall Bismarck war ja so gesehen ein Extrem. Keine Marine hat ihre Schiffe als Zielscheiben konzipiert. Bismarck ist kein gutes Beispiel für die Deutsche Konzeption. Nimm die Scharnhorst als Beispiel. Die Idee war halt, dass sich ein Schiff auch nach schweren Treffern und gegebenenfalls ohne Munition immer noch dem Gegner entziehen kann. (Hat auch nicht geklappt - war aber zumindest dicht dran.)


Ufo

ufo

@Lutscha

Ich denke schon, dass Schiffe der Bismarck Klasse gerade fuer Artillerieduelle ueber mittlere bis kurze Distanzen besser geeignet waren an der Wasseroberfläche zu bleiben, als viele andere zeitgenössiche Entwürfe. Ich denke die Idee mit dem Schulterdeck bringt erheblich in Punkto Sinksicherheit. Treffer im Maschienraum neigen halt doch dazu auch den Schiffsboden zu beschädigen (Splitterwirkung! – macht erstaunlich viel aus!) und damit stärkere Wasssereinbrüche zu begünstigen. Auch führen Brände im Maschienraum oft zu Flutungen duch Löschwasser.

Doch – ich denke Ralf hat schon recht: in Sachen Standfestigkeit war das schon über Durchschnitt.

Nur mag man argumentieren, dass das ja vielleicht wirklich sehr für die Katz war wenn das Schiff ratz, fatz kampfunfähig ist.

Ralf

Langsam verstehe ich einige rein fysikalische (ich kann mich immer noch nicht dran gewöhnen das mit "f" zu schreiben) Zusammenhänge...
Es ging dann beim versenken immer um den "Lucky Punch" in die Eingeweide... KG V und Rodney hatten sich doch auch so gut wie verschossen, oder?
Gruß
Ralf
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,,Du kannst Dein Leben nicht verlängern und Du kannst es auch nicht verbreitern. Aber Du kannst es vertiefen!"
Gorch Fock

Lutscha

@Ufo Ja das stimmt, allerdings hatte das auch den Nachteil, dass es zu Wassereinbrüchen durch den GP kam, weil dieser sehr schwach war. Andere Schiffe waren da im Vorteil, allerdings nur, bis der Gegner auch ihren stärkeren GP durchschlug, was bei den Entferungen im Endkampf ja recht schnell der Fall war.
Das ist ja barer Unsinn, wenn das stimmen würde, hätten SIE ja recht!

Typisch deutsche Argumentationsweise.

Ralf

Gerade auch wegen dieser verschiedenen Denkweisen sind die Schiffe wirklich schlecht miteinander zu vergleichen...
Ich denke, dass bei dem Feuer auf BS auch gerade der Rachegedanke wegend er Hood nicht unerheblich war. Aber nun denn, dass haben andere entschieden und zu verantworten. Heute kräht da kein Hahn nach...
Gruß
Ralf
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Gorch Fock

Huszar

Ahoy,

Meine bescheidene Meinung in diesem Fall:
Die vorgesehenen Einsatzgebiete (in beiden WK) haben auch ihren Anteil in Schiffsdesign hinterlassen.

Wenn wir davon ausgehen, dass die britischen Schiffe eher auf dem offenem Ozean eingesetzt werden (sollten), während die dt. eher in der Nord- und Ostsee, haben wir folgendes Bild:
1, Ozean: mehrere 1000 km kein Hafen, geschweige denn ein Dock für Dickschiffe. In diesem Fall ist ein beschädigtes Schiff wahrscheinlich sowieso im A***, da sollte es zumindest das feindliche Schiff ebenfalls schwer beschädigen können -> Kampfkraft muss so lang wie möglich aufrecht erhalten werden (schwere Turmpanzer, schutz für die Aufbauten)
2, Nord- und Ostsee: beengte Gewässer, wo die Werftmöglichkeiten dicht beieinander liegen. Ein Schiff kann also eingebracht und repariert werden. Panzerung der Bewaffnung ist in diesem Fall nicht so wichtig, aber eine exzessive Sinksicherheit schon.

In unserem Fall:
1, Bismarck wird in der Nordsee angegriffen. Bei vergleichbaren Schäden, wie auf der grossen Fahrt könnte das Schiff noch eingebracht und anschliessend repariert werden (ob es sich gelohnt hätte, ist eine andere Frage). Es ist eigentlich egal, wie viele Kanonen noch funzen, man kann sie ja austauschen.
2, Bismarck wird im Atlantik gestellt (wie geschehen). Eine Rettung ist in den Weiten dort praktisch ausgeschlossen (wäre im Falle eines beschädigten engl. Schiffes auch EXTREM schwierig gewesen), also sollte sich das Schiff so lange es nur geht wehren können.


mfg

alex
Reginam occidere nolite timere bonum est si omnes consentiunt ego non contradico
1213, Brief von Erzbischof Johan von Meran an Palatin Bánk von Bor-Kalán

Reiner

@Huszar

Ich glaube, damit triffst Du den Nagel ziemlich auf den Kopf.
Nur was ich nicht ganz verstehe ist wenn die Bismarck vor allem für Nord- und Ostsee konzipiert war, war sie dann nicht von Anfang an etwas überdimensioniert??
Mit welchen Gegnern war dort zu rechnen die solche Schlachtschiffe erforderten?

Gruß
Reiner

ufo

@Rainer
Bismarck hätte schon jemaden gefunden sich zu balgen in Nord- und Ostsee!
Dem kämpfenden Kardinal von der einen Seite und eine Sovietskij Sojus von der anderen.

Die Französichen Schiffe waren mehr oder minder im Detail bekannt und man hatte mit Bismarck was, was so grade mal en par war.
Auf der anderen Seite dachten die Soviets lautstark über Marine Aufrüstung nach. Krupp sandt ja sogar eine 38 cm Kanone in die Sovietunion und die waren sehr interessiert.
Es war also nur eine Zeitfrage wann auch da die ersten richtigen Schlachtschiffe auftauchen würden.




So – zurück zum Thema!

Interessant finde ich im Rahmen von Standfestigkeit die verschiedenen Versuche, die gemacht worden sind 'Schwimmer' einzubauen. Hood beispielsweise mit ihren zugeschweisten Röhren, die sie im Bauch liegen hatte; oder Richelieu mit ihren Hartschaumpäckchen (was eigentlich war das genau fuer ein Zeug?)

Gab es da noch andere Versuche oder Materialien?



Ausser den Italienern mit ihrem Pugliese System haben eigentlich alle Nationen Variationen vom Bismarck Typ Torpeoschutzsystem gebaut, oder? Senkrechte Schotts mit verschiedenen Lagen von luft- und flüssigkeitsgefüllten Kompartimenten als Druckabsorbtions- und Gasexpansionsräume und ein abschliessendes dickes 'Torpedoschott' aus dehnbarem Stahl.
Hat jemand was ganz radikal anderes versucht?

Gibt es da Kuriositäten oder geniale Designs?


Ufo

Scheer

bzgl. Sovjetskij Sojuz darf ich vielleicht auf folgende Seite hinweisen:

http://www.marinearchiv.de/russland/Schlachtschiffe/Sovjetskij_Sojuz_-_Klasse/sovjetskij_sojuz_-_klasse.html

Gerade frisch upgedatet.

Lutscha

@Ufo Der Schaum hiess ebonite mousse. Die Japaner und Amerikaner gingen eigene Wege, was ihr T-Schott anging. Beide nutzen sehr dicke Schotten, um auch tief tauchende Granaten abzuwehren. Ein Unterschied bestand teilweise mit der Anordnung der flüssigkeitsgefüllten Tanks. (Yamatos hatten btw keine) Bei den Amis kam erst Flüssigkeit dann leerer Raum, bei den Deutschen wars umgekehrt. (Richelieu ka)
Afair schrieb Bill Jurens irgendwo (warships1 oder BS dk), dass das amerikanische Prinzip besser war, ich erinner mich aber nicht mehr genau warum, ich glaube, dass Problem war, dass beim deutschen System das Öl (oder Wasser) beim Treffer direkt gegen das Schott gedrückt wird, bei den Amerikanern konnte es in die leeren Tanks "fliessen".
Die dicken Schotts der Amis und Japanern boten wesentlich bessere Resistenzen gegen Granaten, waren aber hart und spröde und nicht so elastisch.
Das Problem der Japaner war, dass sie das Schott am GP befestigten und es abgeschrägt nach unten verlaufen liessen. Die zu schwache Verbindung war die grosse Schwäche. Hätten sie das Schott gerade gestellt und es ein wenig nach hinten gepackt, wäre es an der Verbindung nicht immer nach innen gedrückt worden und das System hätte mehr ausgehalten. (bspw. wie bei der Montana) Der Verzicht auf Ölfüllung verringerte die Resistenz und sorgte für viel Volumen, das volllaufen konnte, wodurch sarke Schlagseite entstehen konnte. Allerdings hatte man entsprechende Gegenflutkapazitäten, dennoch betrachteten die Japanern das Volumen vor dem Schott als zu gross, allerdings hätte man 5000 Tonnen Stahl installieren müssen, was sie auf gut 80k Tonnen gebracht hätte.

Kurios waren nur die Littorios, die anderen haben immer die selben Systeme abgewandelt genutzt.
Optimal würde ich als Laie das Montanasystem bezeichnen, das es gut gegen Torpedos und Granaten gleichermaßen war, vielleicht noch ein wenig Eboniteschaum in den äusseren Teil des Systems und dann sollte man ein sehr gutes System haben.

Letztendlich brauch man vor allem eins und das ist genug Tiefe, was gerade bei den vorderen Türmen ein Problem war.
Das ist ja barer Unsinn, wenn das stimmen würde, hätten SIE ja recht!

Typisch deutsche Argumentationsweise.

Huszar

@Rainer:

BM war sowas wie die berühmte eierlegende Wollmilchsau. (fehlt nur noch ein Flugdeck, und eine T-Batterie  :D )

Ne, jetzt im Ernst:
Als Nordsee-Terminator hätte sich die Bm mit der englischen Home Fleet rumplagen müssen, wo auch die Nelsons mitfuhren. (obwohl England lange Zeit nicht als Gegner angesehen wurde, waren diese beiden Schiffen die stärksten in Europa, die anderen mussten sich also daran orientieren)
Die Franzosen konnten die beiden Dunkerques anbieten, die Vorgabe hätten wir also:
1, schneller als Nelson (leicht zu schaffen) und ca. gleich schnell, wie Dunkerque, also ca. 29 Knoten
2, Überlegene Ari gegenüber Dunkerque, also das "klassische" schwere Kaliber 38cm
3, Panzerung, die zumindest minimale Überlebenschancen gegenüber Nelso bietet

Und dann kamen die Richelieaus... Ich bezwefle jetzt, dass unter der Verdrängung der BM diese Vorgaben erfüllt werden konnten.

Als Nordseeterminator war BM wahrscheinlich etwas überdimensioniert, war aber ein Produkt der vorherigen Kettenreaktion (Dtl. ->Dunkerque->SH&GN->Richelieau...)


zurück zum Thema:

Gibts Berichte, wie sich Schaumgummi bei den Franzosen bewährt hat?


Ander Frage:
Weshalb gabs Unterschiede bei der Befestigung des GP? In Dtl verwendete man ja Teakholz, die Engländer (und wahrscheinlich die Jap.) Beton (auf Anhieb weiss ich jetzt nicht, was die it, amis, fr und ru benutzt haben).
Soviel hab ich schon rausbekommen, dass Holz leichter ist, dafür aber weniger Schutz bietet, Beton zwar mehr schützt, dafür aber mehr wiegt...


mfg

alex
Reginam occidere nolite timere bonum est si omnes consentiunt ego non contradico
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Ralf

Öh, ich sehe es doch richtig: GP ist Gürtelpanzer, oder? Ich bin etwas verwirrt...
Gruß
Ralf
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Gorch Fock

Huszar

jap, GP=Gürtlpanzer.


mfg

alex
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Ralf

Den GP mit Holz besfestigt??? Nee ne? Da meinst Du doch sicher das Deck oder?

Jetzt bin ich noch verwirrter!
Gruß
Ralf
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