Piraten vor Somalia

Begonnen von Albatros, 11 Oktober 2009, 11:25:10

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Spee

Profitmaximierung und Konkurenz? Paßt zusammen wie Charles Darwin und die Bibel, der Teufel und das Weihwasser, Beamtengesetz und "Verschlankung" des Staates  :-D !
Hier geht es nicht mal um "Rosinenpicken", defacto ist es Betrug und Erpressung.
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

zollagent

Zitat von: Spee am 16 November 2010, 15:02:51
Profitmaximierung und Konkurenz? Paßt zusammen wie Charles Darwin und die Bibel, der Teufel und das Weihwasser, Beamtengesetz und "Verschlankung" des Staates  :-D !
Hier geht es nicht mal um "Rosinenpicken", defacto ist es Betrug und Erpressung.

So weit würde ich nicht mal gehen. Es ist schlicht ein Erschleichen von Vorteilen. Man sollte dabei auch nicht übersehen, daß gerade die Handelsmarine weltweit operiert, und daher in direkter Konkurrenz mit allen Flaggen steht. Und in unserem überregulierten Staat sind ist durch (manchmal sinnvolle, manchmal aber auch sinnfreie) Vorschriften die Kosten auf einem hohen Niveau zementiert. So gesehen ist ein Ausweichen auf Billigflaggen durchaus verständlich. Nur wäre es dann auch gerechtfertigt, die Betreiber für Geleitschutz dann auch an die Länder zu verweisen, deren Flaggen sie nutzen. Oder aber, sich die Kosten für den Marineeinsatz von ihnen erstatten zu lassen.

Spee

Vorkasse bitte, Vorkasse. Ansonsten melden die bei Rechnungseingang Insolvenz an und überschreiben die Firma vorher an Oma.
Kosten auf hohem Niveau sorgen, neben völligen Unsinnigkeiten  :OuuO: , oft auch für guten Verdienst der Seeleute und entsprechende Sicherheitsvorschriften. Hat üblicherweise auch keiner etwas dagegen.
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

Albatros

Zitat von: zollagent am 16 November 2010, 15:39:01
Nur wäre es dann auch gerechtfertigt, die Betreiber für Geleitschutz dann auch an die Länder zu verweisen, deren Flaggen sie nutzen. Oder aber, sich die Kosten für den Marineeinsatz von ihnen erstatten zu lassen.

Man könnte aber auch der Meinung sein das die Reeder nicht Ursächlich für das Problem der Piraterie zuständig sind sondern wenn

die Staatengemeinschaft einen freien weltweiten Handel wünscht sie dies auch gewähren muss und die Hauptprofiteure eines globalen

Handels sind in erster Linie nicht die Flaggenstaaten.Jeder wird wissen das die Flaggenstaaten nicht in der Lage sind die Aufgabe des

Schutzes oder der Konvoi Sicherung zu übernehmen und sollte man den Reedern die Kosten dafür aufbürden ginge es nur wenn es nicht

nur die eigenen betreffen würde.

:MG:

Manfred

zollagent

Zitat von: Spee am 16 November 2010, 16:04:32
Vorkasse bitte, Vorkasse. Ansonsten melden die bei Rechnungseingang Insolvenz an und überschreiben die Firma vorher an Oma.
Kosten auf hohem Niveau sorgen, neben völligen Unsinnigkeiten  :OuuO: , oft auch für guten Verdienst der Seeleute und entsprechende Sicherheitsvorschriften. Hat üblicherweise auch keiner etwas dagegen.

...außer denen, die's aus ihren Erträgen bezahlen sollen. Sonst gäbe es das Problem ja gar nicht.

zollagent

Zitat von: Albatros am 16 November 2010, 16:06:01
Zitat von: zollagent am 16 November 2010, 15:39:01
Nur wäre es dann auch gerechtfertigt, die Betreiber für Geleitschutz dann auch an die Länder zu verweisen, deren Flaggen sie nutzen. Oder aber, sich die Kosten für den Marineeinsatz von ihnen erstatten zu lassen.

Man könnte aber auch der Meinung sein das die Reeder nicht Ursächlich für das Problem der Piraterie zuständig sind sondern wenn

die Staatengemeinschaft einen freien weltweiten Handel wünscht sie dies auch gewähren muss und die Hauptprofiteure eines globalen

Handels sind in erster Linie nicht die Flaggenstaaten.Jeder wird wissen das die Flaggenstaaten nicht in der Lage sind die Aufgabe des

Schutzes oder der Konvoi Sicherung zu übernehmen und sollte man den Reedern die Kosten dafür aufbürden ginge es nur wenn es nicht

nur die eigenen betreffen würde.

:MG:

Manfred

Auch hier sehe ich nicht unbedingt eine Übereinstimmung. Warum wird denn nach diesen Staaten hin ausgeflaggt? Doch wohl, weil Abgaben und Heuer dort nicht so bedeutend sind. Und daß die Infrastruktur eben auf einer den Kosten entsprechenden Ebene ist, ist wohl auch klar. Das aber wissen die Schiffsbetreiber auch. Und sie nehmen es in Kauf, wohl wissend, daß ihnen auch Hilfe zuteil wird, wenn sie ihren Steuerbeitrag nicht leisten. Und hier liegt der Hase im Pfeffer. Ich bin ja nicht gegen Hilfeleistungen. Nur muß diesen auch ein Beitrag für den Hilfeleistenden Staat gegenüber stehen. Und der ist nicht zu sehen.

Albatros

Dann sollte man vielleicht Fragen welchen Nutzen haben Wir ( Deutschland ) überhaupt noch davon das es eine Handelsflotte unter deutscher Regie gibt,

ich meine damit die Reeder die ihren Hauptsitz immer noch in Deutschland haben.

Mal einen Link zum Flaggenrecht, hier § 7 nicht uninteressant.

http://www.gesetze-im-internet.de/flaggrg/BJNR000790951.html#BJNR000790951BJNG000102308 

:MG:

Manfred

Captain Hans

#277
ich glaube dieses Thema ist viel komplexer als das man es mit ein paar allgemeinen Meinungen oder sogar
emotionell betrachten kann.
Es ist jedenfalls nicht korrekt die Reeder hier zu verteufeln

Dazu ein paar Fakten:

1. Der Betreiber (Reeder) der Schiffe ist nicht der Besitzer der Schiffe sondern zu 95 % sind es Fonds- oder andere Investitionsgesellschaften.
  Generell  ist er an solch einer Gesellschaft nur zu 2 bis 5 % beteiligt dementsprechend am Gewinn und Verlust der Frachteinkünfte beteiligt.
  Er erhält für seine Leistungen (Bemannung, Reparaturen,Ausrüstung, Proviant, gesetzliche Kontrollen usw.) usw.  ausgehandelte Tagessätze
  Macht er auch die Befrachtung (was sehr selten ist, da dies meistens Verfrachter, Chartergesellschaften und Bareboatcharterer machen)
  Ist seine Firma in Deutschland registriert oder ansässig zahlt er auf Gewinne den vollen Steuersatz.
  Hunderte von deutsche Betreibern beschäftigen mehr als 100 000 Menschen in ihren deutschen Landbetrieben (also Steuerpflichtig)

2. die Fondsgesellschaften (Investoren) bestehen oft aus tausenden von Kleinstanlegern bis hin zu Institutionellen Investorengruppen.
  Diese verdienen an der Verfrachtung (Frachtraten), durch Eigenbefrachtung, Vercharterung oder Bareboatcharter.
  Die Gewinne dieser Gesellschaften werden in Form von Dividenden an die Anleger ausgeschüttet. Diese Aussschüttungen sind voll
  steuerpflichtig. Investiert ein Anleger sein Kapital in ein anderes Land der EU so ist die EU Steuer von 30% auf Gewinne /Einnahmen fällig.
  Dies gilt auch für außereuropäische Investoren wenn die Gesellschaft ihren Sitz in der EU hat.
 
   Dies gilt auch für Deutsche die im Ausland leben und Gewinne/Einahmen in der EU erwirtschaften.

  Der große Vorteil der Anleger besteht darin, daß sie die erste Investition gegen bereits erwirtschaftete Gewinne setzen kann und damit Steuern kurzfristig
  sparen kann.(siehe berühmt berüchtige Zahnarztschiffe)
 
   Dieser Steuervorteil gilt solange die Anlage läuft.

  Die Fondsgesellschaften bestehen immer nur für ein Schiff. Hat also ein Reeder viele Schiffe so sind es dementsprechende viele Gesellschaften
  Eine Anlage besteht 12 bis 15 Jahre und kann nicht storniert oder zurückgefordert werden.

  Endet die Anlage so ist dann anteilig für jeden Anleger die volle Steuer, die sich aus dem Restwert des Schiffes, errechnet.
  fällig. (siehe EU weites "Tonnage Tax" Verfahren)

3. Sinn dieses ganzen Verfahrens ist und war (siehe auch 7 D Gelder) den Aufbau einer deutschen Seeschiffahrt sowie den Erhalt der deutschen Werftindustrie
  zu finanzieren. Es hat auch dazu geführt das Deutschland die größte Zulieferindustrie der Welt für die Schiffahrt entwickelt hat.

  Die Betreiber (Reeder), die Werften und die Zulieferindustrie beschäftigen 100tausende von Mitarbeiter, die natürlich Lohnsteuer zahlen und die Betriebe
  die Körperschaftssteuer sowie die lokale Gewerbesteuer.

  Ohne dieses Finanzierungssystem wäre der gesamte Schiffbau, die Zulieferindustrie sowie alle Reedereien schon in China oder Korea.
  Wären alle diese hochqualifizierten Mitarbeiter der Schiffahrtsindustrie arbeitslos, würde es den dem deutschen Steuerzahler wesentlich mehr als
  die paar Steuervergünstigungen die jetzt herrschen, kosten.

4. Wird ein Schiff beim Bau mit Steuergeldern subventioniert, so muß es hinterher zumindestens eine Zeitlang unter deutscher Flagge (Zweitregister)
  fahren. Diese Subventionen werden vorgenommen um den Werftbetrieben eine Chance gegenüber Korea, China und anderen Billigstaaten Aufträge zu bekommen , zu geben und damit zigtausende Arbeitsplätze zu erhalten.

  Wie schwer dies ist kann man der Presse entnehmen und daran sehen wie viele Werften bereitsin fremder Hand sind und sogar pleite gegangen sind.
  Selbst Korea subventioniert seinen Schiffbau aus gleichen Gründen um sich gegen die enorme Konkurrenz der Chinesen zu wehren.

5. Es gibt auch politische Gründe warum in Europa dies so gemacht wird. Es liegt auf der Hand das wir eine gewisse Kontrolle über den Seehandel (92% aller Güter)
   behalten wollen und dies nicht komplett an die Asiaten abtreten wollen

6. Der Flaggenstaat (Liberia, Antigua usw) erhält nur die Registraturgebühren der angemeldeten Schiffe und ist nicht am Profit der Verfrachtung beteiligt.
   Ist der Sitz (Verwaltung) eines Flaggenstaates in einem EU Land so muß er seine Gewinne ebenfalls versteuern.
   Der Sitz der Antigua Flagge ist in Deutschland (Oldenburg) und natürlich müssen sie ihre Gewinne voll versteuern.

7. Besonders bei ausländischen Bareboatchartern muß das Schiff meistens die Landesflagge und das Callsign ändern und es behält nur die IMO Nummer.
   Frachteinkommengewinne müssen dann ebenfallls in dem jeweiligen Flaggenstaat versteuert werden.
   Und die Registrierung des originalen Flaggenstaates ruht bis die Barebaotcharter beendet wurde.
   Der, sagen wir mal, deutsche Betreiber (Reeder) erhält dann weiterhin seine Tagessätze vom Charterer und die Fondsgesellschaft verdient an der
    Vercharterung(dann meistens ebenfallls an ausgehandelten Tagessätze)

8. Charterer jeglicher Form sind die sogenannten Verfrachter oder Freight Forwarder, auch davon gibt es Deutschland hunderte mit tausende von Mitarbeitern
   und natürlich sind sie steuerpflichtig.

Zu guter letzt: der Vorteil der Billigflaggen liegt nur darin, daß auf die Frachterlöse keine Steuern erhoben werden. Da der Welthandel stark umkämpft ("Cut Throat Buisiness)
ist wäre ein Reeder, Befrachter unter Nationalflagge (natürlich Erstregister) schlagartig konkurenzunfähig denn er müßte Frachtraten erheben für die aber keine Frachten bekommen würde.
Unser Zweitregister ist auch nicht viel anders als eine normale Billigflagge.

Da heute Schiffe international durch den ISM und STCW Code gleich kontrolliert werden ist auch die Sicherheitsfrage fast irrelevant geworden.

Wie in jedem komplexen System gibt es hier natürlich auch Beteiligte, die versuchen alles zu umgehen und zu betrügen.

Kommen wir zum Schluß noch zur Piraterie.

Ist das von einem deutschen Betreiber aufgebrachte Schiff in Piratenhand bedeutet dies nicht nur Verluste für den Betreiber sowie für die deutschen
Anleger der Fondsgesellschaft sonder auch ein Steuerverlust für den deutschen Staat.

Die Zahlung des Lösegelds sowie die nun wesentlich erhöhten Versicherungskosten veringern den Gewinn enorm und damit auch die Körperschaftssteuer
und es kann eine Gesellschaft im schlimmsten Fall in den Ruin treiben. Und der Betreiber und die deutschen Anleger werden dann all ihr Geld verlieren

Ich hoffe ich konnte etwas Licht in das Dunkel dieses Systems bringen.

Als ehemaliger Seemann und Kapitän habe ich alle Blüten dieses Wandels mitmachen müssen, was oft zu meinem persönlichen Nachteil war.
Aber in der heutigen Zeit der Globalisierung, ist für mich, kein anderes System ohne eklatante Folgen möglich.

viele Grüße

Hans
,Nur wer sich ändert,bleibt sich treu"!!!
,,Nicht was du bist,ist das was dich ehrt,wie du bist,bestimmt den Wert"!!!

Trimmer

Hans - sehr interessant wie Du es hier mal beschrieben hast  top Jetzt meine Frage. Wie verhält es sich dann auf diesen Schiffen mit den Vorschriften - also z.B. Arbeitsschutz nach deutscher Norm, Sicherheitsvorschriften usw. ??

Gruß - Trimmer - Achim 
Auch Erfahrung erhält man nicht umsonst, gerade diese muß man im Leben vielleicht am teuersten bezahlen
( von Karl Hagenbeck)

Captain Hans

Hallo Trimmer

Arbeits- und Sicherheitsvorschriften sind international heute für alle Schiffe festgelegt  und diese
werden regelmäig und in jeden Hafen kontrolliert (Siehe ISM Code, STCW95, Hazmat usw.)

Natürlich ist dies im Detail schwer zu kontrollieren und es wird, wie immer vesucht diese Vorschriften
zu umgehen.

Ist dann noch der Inspektor korrupt oder macht seine Arbeit nicht korrekt kann man mit vielen Mißständen durchkommen.

Es gibt jede Variation bei allen Beteiligten von super bis schlecht.

Die Masse ist aber schon in Ordnung und hat sich gegenüber den 80er Jahren um 300 % berbessert.
Die Bauvorschriften werden von den Klassefikationgesellschaften vorgegeben, bei denen es auch
unterschiedliche Qualität gibt.

und wie gesagt es hängt natürlich auch sehr von der Qualität der Reederei und den Schiffsführungen ab.

viele Grüße

Hans


,Nur wer sich ändert,bleibt sich treu"!!!
,,Nicht was du bist,ist das was dich ehrt,wie du bist,bestimmt den Wert"!!!

Trimmer

Danke Captain Hans  :MG:

Trimmer - Achim
Auch Erfahrung erhält man nicht umsonst, gerade diese muß man im Leben vielleicht am teuersten bezahlen
( von Karl Hagenbeck)

Ulrich Rudofsky

Die Verteidung von Haus, Schiff und Habgut ist ein fundamentales Recht in Anglo-Sachsischen Gesetzen. Viele dieser Prinzipien sind in der UN Charter enthalten.

Obwohl  ich weder mit der UNO noch der NATO viel Vertrauen habe,  ist hier der Text von Teil VII, Hochsee:  ganz ineffektiv aber interesstant zu lesen.

http://www.un.org/Depts/los/convention_agreements/texts/unclos/part7.htm

Article100

Duty to cooperate in the repression of piracy

All States shall cooperate to the fullest possible extent in the repression of piracy on the high seas or in any other place outside the jurisdiction of any State.


Article101

Definition of piracy

Piracy consists of any of the following acts:

(a) any illegal acts of violence or detention, or any act of depredation, committed for private ends by the crew or the passengers of a private ship or a private aircraft, and directed:

(i) on the high seas, against another ship or aircraft, or against persons or property on board such ship or aircraft;

(ii) against a ship, aircraft, persons or property in a place outside the jurisdiction of any State;

(b) any act of voluntary participation in the operation of a ship or of an aircraft with knowledge of facts making it a pirate ship or aircraft;

(c) any act of inciting or of intentionally facilitating an act described in subparagraph (a) or (b).


Article102

Piracy by a warship, government ship or government aircraft

whose crew has mutinied

The acts of piracy, as defined in article 101, committed by a warship, government ship or government aircraft whose crew has mutinied and taken control of the ship or aircraft are assimilated to acts committed by a private ship or aircraft.


Article103

Definition of a pirate ship or aircraft

A ship or aircraft is considered a pirate ship or aircraft if it is intended by the persons in dominant control to be used for the purpose of committing one of the acts referred to in article 101. The same applies if the ship or aircraft has been used to commit any such act, so long as it remains under the control of the persons guilty of that act.


Article104

Retention or loss of the nationality of a pirate ship or aircraft

A ship or aircraft may retain its nationality although it has become a pirate ship or aircraft. The retention or loss of nationality is determined by the law of the State from which such nationality was derived.


Article105

Seizure of a pirate ship or aircraft

On the high seas, or in any other place outside the jurisdiction of any State, every State may seize a pirate ship or aircraft, ............................
Ulrich Rudofsky

Albatros

Hallo Hans,

Damit ist  meine Frage in # 276 ausreichend beantwortet...... :O/Y

:MG:

Manfred

zollagent

Zitat von: Captain Hans am 16 November 2010, 18:21:58
ich glaube dieses Thema ist viel komplexer als das man es mit ein paar allgemeinen Meinungen oder sogar
emotionell betrachten kann.
Es ist jedenfalls nicht korrekt die Reeder hier zu verteufeln

Dazu ein paar Fakten:

1. Der Betreiber (Reeder) der Schiffe ist nicht der Besitzer der Schiffe sondern zu 95 % sind es Fonds- oder andere Investitionsgesellschaften.
  Generell  ist er an solch einer Gesellschaft nur zu 2 bis 5 % beteiligt dementsprechend am Gewinn und Verlust der Frachteinkünfte beteiligt.
  Er erhält für seine Leistungen (Bemannung, Reparaturen,Ausrüstung, Proviant, gesetzliche Kontrollen usw.) usw.  ausgehandelte Tagessätze
  Macht er auch die Befrachtung (was sehr selten ist, da dies meistens Verfrachter, Chartergesellschaften und Bareboatcharterer machen)
  Ist seine Firma in Deutschland registriert oder ansässig zahlt er auf Gewinne den vollen Steuersatz.
  Hunderte von deutsche Betreibern beschäftigen mehr als 100 000 Menschen in ihren deutschen Landbetrieben (also Steuerpflichtig)

2. die Fondsgesellschaften (Investoren) bestehen oft aus tausenden von Kleinstanlegern bis hin zu Institutionellen Investorengruppen.
  Diese verdienen an der Verfrachtung (Frachtraten), durch Eigenbefrachtung, Vercharterung oder Bareboatcharter.
  Die Gewinne dieser Gesellschaften werden in Form von Dividenden an die Anleger ausgeschüttet. Diese Aussschüttungen sind voll
  steuerpflichtig. Investiert ein Anleger sein Kapital in ein anderes Land der EU so ist die EU Steuer von 30% auf Gewinne /Einnahmen fällig.
  Dies gilt auch für außereuropäische Investoren wenn die Gesellschaft ihren Sitz in der EU hat.
 
   Dies gilt auch für Deutsche die im Ausland leben und Gewinne/Einahmen in der EU erwirtschaften.

  Der große Vorteil der Anleger besteht darin, daß sie die erste Investition gegen bereits erwirtschaftete Gewinne setzen kann und damit Steuern kurzfristig
  sparen kann.(siehe berühmt berüchtige Zahnarztschiffe)
 
   Dieser Steuervorteil gilt solange die Anlage läuft.

  Die Fondsgesellschaften bestehen immer nur für ein Schiff. Hat also ein Reeder viele Schiffe so sind es dementsprechende viele Gesellschaften
  Eine Anlage besteht 12 bis 15 Jahre und kann nicht storniert oder zurückgefordert werden.

  Endet die Anlage so ist dann anteilig für jeden Anleger die volle Steuer, die sich aus dem Restwert des Schiffes, errechnet.
  fällig. (siehe EU weites "Tonnage Tax" Verfahren)

3. Sinn dieses ganzen Verfahrens ist und war (siehe auch 7 D Gelder) den Aufbau einer deutschen Seeschiffahrt sowie den Erhalt der deutschen Werftindustrie
  zu finanzieren. Es hat auch dazu geführt das Deutschland die größte Zulieferindustrie der Welt für die Schiffahrt entwickelt hat.

  Die Betreiber (Reeder), die Werften und die Zulieferindustrie beschäftigen 100tausende von Mitarbeiter, die natürlich Lohnsteuer zahlen und die Betriebe
  die Körperschaftssteuer sowie die lokale Gewerbesteuer.

  Ohne dieses Finanzierungssystem wäre der gesamte Schiffbau, die Zulieferindustrie sowie alle Reedereien schon in China oder Korea.
  Wären alle diese hochqualifizierten Mitarbeiter der Schiffahrtsindustrie arbeitslos, würde es den dem deutschen Steuerzahler wesentlich mehr als
  die paar Steuervergünstigungen die jetzt herrschen, kosten.

4. Wird ein Schiff beim Bau mit Steuergeldern subventioniert, so muß es hinterher zumindestens eine Zeitlang unter deutscher Flagge (Zweitregister)
  fahren. Diese Subventionen werden vorgenommen um den Werftbetrieben eine Chance gegenüber Korea, China und anderen Billigstaaten Aufträge zu bekommen , zu geben und damit zigtausende Arbeitsplätze zu erhalten.

  Wie schwer dies ist kann man der Presse entnehmen und daran sehen wie viele Werften bereitsin fremder Hand sind und sogar pleite gegangen sind.
  Selbst Korea subventioniert seinen Schiffbau aus gleichen Gründen um sich gegen die enorme Konkurrenz der Chinesen zu wehren.

5. Es gibt auch politische Gründe warum in Europa dies so gemacht wird. Es liegt auf der Hand das wir eine gewisse Kontrolle über den Seehandel (92% aller Güter)
   behalten wollen und dies nicht komplett an die Asiaten abtreten wollen

6. Der Flaggenstaat (Liberia, Antigua usw) erhält nur die Registraturgebühren der angemeldeten Schiffe und ist nicht am Profit der Verfrachtung beteiligt.
   Ist der Sitz (Verwaltung) eines Flaggenstaates in einem EU Land so muß er seine Gewinne ebenfalls versteuern.
   Der Sitz der Antigua Flagge ist in Deutschland (Oldenburg) und natürlich müssen sie ihre Gewinne voll versteuern.

7. Besonders bei ausländischen Bareboatchartern muß das Schiff meistens die Landesflagge und das Callsign ändern und es behält nur die IMO Nummer.
   Frachteinkommengewinne müssen dann ebenfallls in dem jeweiligen Flaggenstaat versteuert werden.
   Und die Registrierung des originalen Flaggenstaates ruht bis die Barebaotcharter beendet wurde.
   Der, sagen wir mal, deutsche Betreiber (Reeder) erhält dann weiterhin seine Tagessätze vom Charterer und die Fondsgesellschaft verdient an der
    Vercharterung(dann meistens ebenfallls an ausgehandelten Tagessätze)

8. Charterer jeglicher Form sind die sogenannten Verfrachter oder Freight Forwarder, auch davon gibt es Deutschland hunderte mit tausende von Mitarbeitern
   und natürlich sind sie steuerpflichtig.

Zu guter letzt: der Vorteil der Billigflaggen liegt nur darin, daß auf die Frachterlöse keine Steuern erhoben werden. Da der Welthandel stark umkämpft ("Cut Throat Buisiness)
ist wäre ein Reeder, Befrachter unter Nationalflagge (natürlich Erstregister) schlagartig konkurenzunfähig denn er müßte Frachtraten erheben für die aber keine Frachten bekommen würde.
Unser Zweitregister ist auch nicht viel anders als eine normale Billigflagge.

Da heute Schiffe international durch den ISM und STCW Code gleich kontrolliert werden ist auch die Sicherheitsfrage fast irrelevant geworden.

Wie in jedem komplexen System gibt es hier natürlich auch Beteiligte, die versuchen alles zu umgehen und zu betrügen.

Kommen wir zum Schluß noch zur Piraterie.

Ist das von einem deutschen Betreiber aufgebrachte Schiff in Piratenhand bedeutet dies nicht nur Verluste für den Betreiber sowie für die deutschen
Anleger der Fondsgesellschaft sonder auch ein Steuerverlust für den deutschen Staat.

Die Zahlung des Lösegelds sowie die nun wesentlich erhöhten Versicherungskosten veringern den Gewinn enorm und damit auch die Körperschaftssteuer
und es kann eine Gesellschaft im schlimmsten Fall in den Ruin treiben. Und der Betreiber und die deutschen Anleger werden dann all ihr Geld verlieren

Ich hoffe ich konnte etwas Licht in das Dunkel dieses Systems bringen.

Als ehemaliger Seemann und Kapitän habe ich alle Blüten dieses Wandels mitmachen müssen, was oft zu meinem persönlichen Nachteil war.
Aber in der heutigen Zeit der Globalisierung, ist für mich, kein anderes System ohne eklatante Folgen möglich.

viele Grüße

Hans

Durchaus interessant, was du hier schreibst. Aber du übergehst dabei so nebenbei den Hauptgrund, warum ausgeflaggt wird. In deinem Beitrag an Trimmer sprichst du es allerdings an: Nämlich den Verwaltungs- und Kontrollapparat, der über Schiffe unter deutscher Flagge liegen würde und die damit verbundenen Abgabenbelastungen. Hier wäre es sehr an der Zeit, auszumisten. Darüber gibt es auch keinen Dissens. Damit könnte die Abgabenbelastung durchaus gesenkt werden. Aber hast du dir mal die Sitze der Fondsgesellschaften angesehen? Mit dem Steuerabführen in Deutschland dürfte es bei diesen etwa so selten sein wie ein Edelweis in der Lüneburger Heide. Die sind praktisch allesamt in irgendwelchen "Steuerparadiesen" angesiedelt. Auch die Werftzulieferindustrie ist eine Industrie wie z.B. die KFZ- oder die Chemiebranche auch. Weshalb sollten die anders behandelt werden? Übrigens arbeitet die für den Weltmarkt, nicht nur für die in deutschen Besitz befindliche Schiffe.

Ich habe übrigens nicht emotional argumentiert. Ich habe nur die Frage von Leistung und Gegenleistung gestellt.


Spee

Der Interessenverband der Deutschen Reeder (VDR) vergleicht den Vorgang der Ausflaggung deutscher Seeschiffe mit der Produktionsstättenverlagerung anderer Branchen in das kostengünstigere Ausland.26 Die Registrierung von Handelsschiffen deutscher Eigentümer, wie auch die Verlagerung von Firmen, Fabriken und Betrieben ins Ausland stellt aus volkswirtschaftlicher Sicht eine Ausfuhr von Kapital dar. Allerdings liegt der entscheidende Unterschied darin, dass beim Export von Seeschiffen das Kapital sozusagen jeglicher Volkswirtschaft, sei es der ursprünglichen oder der eines anderen Landes, fast vollkommen entzogen wird, da die "Offenen Register" - Staaten kaum Abgaben erheben. Durch die Verlagerung von Produktionsstätten hingegen werden zwar dem einen Land Steuern, Sozialabgaben und Arbeitsplätze entzogen, das importierende Land wird dadurch aber profitieren. Hauptnutznießer des Exports von Schiffskapital ist demnach der Reeder, da hauptsächlich ihm die im Ausland erwirtschafteten Gewinne zugute kommen. Deshalb kann die ökonomische Nutzung billiger Flaggen als "fiktiver Kapitalexport" bezeichnet werden, d. h. dass der ,,Export fiktiv ist, nicht das Kapital".

Zitat aus einer recht interessanten Studie -> http://www.hs-bremen.de/internet/hsb/projekte/maritime/studium/nautikseeverkehr/diplombachelor/dipl_olaf_wahlen.pdf
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

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