Die polnische Seekriegsmarine

Begonnen von rosenow, 01 Februar 2006, 19:58:18

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rosenow

Polnische Seestreitkräfte


Polnischen Seestreitkräfte sind in vielen Berichten und Büchern nur wenig oder gar nicht berücksichtigt worden.
Hier will ich einen kurzen Überblick über die kleine aber standhafte und mutige polnische Seestreitkraft geben.
Euch als Marine Interessierte, ist dieses Thema bestimmt auch wichtig und Ihr als kundige Leser von Marinearchiv werdet bestimmt noch einiges dazu betragen können.

Um den polnischen Seekrieg zu verstehen muss man fairer weise auch den wirtschaftlichen Aspekt und den erst vor kurzen erlangten Zugang zur Ostsee, ( Landverlust Deutschlands durch den verlorenen ersten Weltkrieg), mit den hier verbundenen Strategisch und taktischen Bedingungen an diesem Küstenabschnitt berücksichtigen.
Da sich die polnische Flotte erst im Aufbau befand und die wirtschaftlichen Verhältnisse im Land wenig rosig aussahen, es herrschte eine Wirtschaftskrise, gingen die Bemühungen um eine Flotte nur schleppend voran.


U-Boote
Zwei, auch für den Ozean geschaffenen U-Boote, ,,Orzel" und ,,Sep" mit einer Verdrängung 1138/1510 t und je 12 Torpedorohren, sind der neueste Zugang der aus Fünf U-Booten bestehenden polnischen U-Flotte. Beide Boote wurden in Holland gefertigt und in Polen ausgerüstet. Wobei die ,,Sep" zu Beginn des Krieges noch nicht ganz Einsatzfähig war. Zwei weitere Boote dieses Typs  waren in Frankreich in Auftrag gegeben.
Drei Minenleger-U-Boote mit einer Verdrängung von 980/1250 t und einer Zuladung von 38 bis 40 Minen komplettierte die polnische U-Flotte. Diese Minenleger-U-Boote ,,Wilk", ,,Zbik" und Rys" waren veraltet und verfügten über keine Horchgeräte
.
Überwasserkriegsschiffe
Die größten Kampfschiffe die die polnische Seestreitkräfte besaßen waren der Zerstörer ,,Wicher" und der Minenleger ,,Gryf" und die Zerstörer Grom, Blyskawica und Burza. Wobei diese zuletzt genannten Zerstörer schon am 30.08.1939 nach England geschickt werden (Unternehmen Peking) und am 01.09.39 von englischen Flieger und Seestreitkräften gesichtet und in Empfang genommen werden.  Dann gab es noch die Kanonenboote »General Haller« und ,,Kommandant Pilsudski" , eine Reihe Minensuchboote der (Vogel-) Czajka-Klasse und zwei alte Torpedoboote.  

Einsätze der U-Boote
Nach der Beschießung der Westerplatte durch  das alte Linienschiff Schleswigholstein und den damit begonnenen Kriegshandlungen gegen Polen wurde von der polnischen Kriegsmarineleitung der Plan ,,Worek", ich glaube es heißt zu deutsch soviel wie ,,In Sack Stecken" oder ,,Einkesseln", in Kraft gesetzt. Die U-Boote Orzel und  Wilk, eines der alten U-Boote nahmen sofort ihre Positionen in der Danziger Bucht ein.Das U-Boot ,,Sep" zwar noch nicht voll ausgerüstet und die U-Boote ,,Rys" und ,,Zbik" nahmen eine Warteposition vor Hela ein.

Der erste Tag verlief für die U-Boote relativ ruhig.
Am zweiten September kam es dann zu Kampfhandlungen gegen den deutschen Zerstörer Z14 ,,Friedrich Ihn" durch Torpedierung vom polnischen U-Boot ,,Sep" das Z14 verfehlte. Z14 antwortete mit 15 Wasserbomben, die für ,,Sep" mit einem Achterin Schaden und Ölverlust endeten.
Zwei M-Boote der Deutschen Kriegsmarine griffen ,,Wilk" mit Wasserbomben an und erzielten einen Wassereinbruch beim U-Boot. Zum gleichen Zeitpunkt wurde ,,Rys" mit Wasserbomben aus deutschen Flugzeugen belegt, neunmal wurde das polnische U-Boot angegriffen jedoch ohne Erfolg. Seinerseits bekam ,,Rys" aber Gelegenheit ein deutsches U-Boot zu versenken, verfehlte aber das Ziel. Das deutsche U-Boot 14 Typ II-B (Kptlt. Wellner), (wurde unter seinem letzten Kommandanten Oblt. Hans Joachim Dierks am 2.5.45 in Wilhelmshaven selbst versenkt) oder das deutsche U-Boot 22 Typ II-B ( das später am 16 April `40 in der Jammerbucht Skagerrak auf eine Mine lief und versank), da ist man sich wohl noch nicht ganz einig, meldete am 3.9. ein Erfolg gegen ein polnisches U-Boot, dieser war aber eine Fehleinschätzung da das Torpedo nicht zündete. Wahrscheinlich Fehler in der Magnetpistole des Torpedos.

Am 03.09.39 legte ,,Wilk" seine mit geführten Minen und am 07.09.39 legten auch ,,Zbik" und ,,Rys" ihre Minen nördl. der Weichselmündung, ostwärts Hela und Nordostwerts Heisternest . Nach der Kapitulation der Westerplatte am 7.9.39 gab der KAdm.Swirski, Oberbefehlshaber der polnischen Seekriegsflotte, den polnischen U-booten den Befehl zur sofortigen Absetzung nach England. Die U-Boote ,,Sep", ,,Rys" und ,,Zbik" liefen in Schwedische Häfen ein und wurden interniert, wobei ,,Sep" tauchunfähig bei Landshut in schwedischen Gewässern interniert wurde.

Die Besatzung von ,,Wilk" hatte beschlossen sich sofort nach England abzusetzen und unterfuhr dabei zwei deutsche Zerstörer, setzte im Kattegatt einen letzten Funkspruch ab und lief am 21.09.39 in Scapa Flow ein.

Der Kommandant von der ,,Orzel" erkrankte und man wollte ihn in Reval an Land bringen, das polnische U-Boot wurde auf Druck von Deutschland und der Sowjetunion im estnischen Hafen von Reval interniert. Die Geschützverschlüsse und 14 Torpedos wurden entfernt. Übernacht gelang es der tapferen Mannschaft von ,,Orzel" aus Reval, unter Artilleriefeuer estnischer Geschütze,  zu fliehen. Es wurde von Flugzeugen verfolgt.  ,,Orzel" schaffte den Durchbruch nach England und wurde 30 sm ostwärts von May Island von dem britischen Zerstörer ,,Valorous" aufgenommen. Durch die letzte gelegte Minensperre der ,,Zbik" wurde das Minensuchboot M85 mit 23 Mann binnen 60 Sekunden versenkt, der Kommandant und 47 mann konnten gerettet werden.

Überwasserkampfeinheiten
Den beiden großen Kampfeinheiten der polnischen Seekriegsmarine dem Zerstörer ,,Wicher" und dem Minenleger ,,Gryf" gelingt es, mit der Unterstützung der Küstenbatterien, einen herannahenden deutschen Zerstörerverband zum Rückzug zubewegen nach dem sie einen Zerstörer schwer beschädigt haben. Am 4.9.39 wurden dann die beiden Kriegsschiffe von der deutschen Luftwaffe versenkt bzw. ,,Gryf" schwer beschädigt. Nachdem die Großen Kampfeinheiten der polnischen Flotte ausgeschaltet waren, hatte die deutscher Kriegsmarine keine großen Schwierigkeiten mehr. Am 1. Oktober musste sich die polnische Seekriegsmarine unter Führung von Flottenchef Konteradmiral von Unrug, 4000 Mann und 52 Offizieren, der deutschen Übermacht, ergeben.


Die polnische Seekriegsmarine hat sich tapfer und aufopferungsvoll gegen einen mächtigen Gegner zu wehren verstanden, musste aber unter den großen Druck, des deutschen übermächtigen Ansturms, sich geschlagen geben.
Trotzdem sind polnische Seestreitkräfte noch in der britischen Home Fleet integriert worden und hatten somit noch weitere Einsätze  im Zweiten Weltkrieg.
Hier der polnische Zerstörer ,,Harland" zusammen mit britischen Schiffen, im Mai `42




Quellen: ,,Seekrieg 1939 bis 1945" von Janus Piekalkiewicz , ,,Krieg unter Wasser" von Franz Kurowski, ,,Der Tod auf allen Meeren" von Paul Herbert Freyer, ,,Die deutschen und österreichischen U-Boot Verluste in beiden Weltkriegen" von Paul Kemp, ,,Der zweite Weltkrieg" aus der Übersetzung von Gerhart Hass und Leon Nebenzahl
mit freundlichen Gruß
Michael


,,Macht`s gut und denkt daran!
Es gibt drei Sorten von Menschen:
Die Lebenden.
Die Toten.
Und die, die zur See fahren."
Hein Schonder

Scheer

Klasse Beitrag !!!

Interessant wären auch mehr Info´s über Schiffe mit polnischer Besatzung.
So war doch auch ein polnisch besetzter Zerstörer bei der Jagd auf BS dabei. Piroun, glaube ich.

Mario

Danke, rosenow, wirklich schöner Beitrag.
Wenn mich mein Langzeitgedächniss nicht trügt, dann habe ich mal vor Jahrzehnten im Marinekalender gelesen, daß es einen polnischen WK II-Zerstörer als Denkmalschiff gibt. Kennt jemand dieses Schiff ???

Peter K.

@ ROSENOW
Vielen Dank für den schönen Artikel ...


@ SCHEER
stimmt!

@ MARIO
BLYSKAWICA

Grüße
Peter K.
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

Zerstörerfahrer

Ja, wir waren mit der Lütjens mal in Gdynia  und da liegt der pol. Zerstörer " Blyskawica " als Museeumsschiff.

Andre-As

Dieser polnische Zerstörer heißt Blyskawica und steht heute als Museumsschiff am Kai in Gdynia, in der WK2-Zeit als Gotenhafen bekannt.

http://sp5qwk.neostrada.pl/okret/blyskawica.jpg


Eine Besichtigung lohnt sich allein wegen des Schiffes, das Museum ist dagegen nicht besonders üppig.

Das Schiff im Hintergrund ist übrigens das ehemalige Segelschulschiff der polnischen Marine namens Dar Pomorza, eine waschechte Fregatte, die auch besichtigt werden kann.

Leutnant Werner

Hallo,

Ein guter Beitrag, der nur in einem Punkt ungenau ist, nämlich bei den "großen Einheiten". Zwar war der Minenleger GRYF mit einer geringfügig größeren Verdrängung als GROM und BLYSKAWICA das größte polnische Überwasserkampfschiff, aber der Gefechtswert war allein schon wegen der geringeren Geschwindigkeit kleiner als der der vier Zerstörer.
WICHER war (wie auch BURZA) nicht eine "größte Einheit der polnischen Flotte", sondern ein schlecht bewaffneter Zerstörer der veralteten französischen 1500 t-Klasse.
Ganz anders sah das mit den beiden GROMS aus, die zu Kriegsbeginn zu den weltweit stärksten Zerstörern gehörten. GROM sank übrigens im Rahmen der alliierten Operationen im Raum Narvik 1940 nach Bombentreffer.

Mal ne Frage: Irgendwo (ich glaube in der 1936er Ausgabe von Weyer) habe ich gelesen, die Polen hatten ein Flottenbauprogramm mit 3 20.000t-Schlachtschiffen in Planung. Weiß jemand, wie die ausgesehen hätten?

Gruß
Lt.

DHEO

War nicht noch 1 polnischer Zerstörer and der jagd nach BS beteiligt gewesen?

Irgend etwas dümpelt da in meinem Kleinhirn... *sch...Alzheimer* :lol:


EDIT:
Wer lesen und schreiben kann ist klar im Vorteil!  :oops:
Grüße

Dirk

Spee

@Dheo,

lesen "bildet"  :)  .
Scheer hat's oben schon geschrieben, "Piorun".
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

harold

@ rosenow, Danke für die zusammenstellung!
@ Lt.Werner ... hab ich auch mal irgendwo gelesen, sogar ausführlicher (aber ohne Skizzen), nur : wo??
Ciao,
Harold
4 Ursachen für Irrtum:
- der Mangel an Beweisen;
- die geringe Geschicklichkeit, Beweise zu verwenden;
- ein Willensmangel, von Beweisen Gebrauch zu machen;
- die Anwendung falscher Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Warjag

Hallo,

Zitatnur : wo??

z.B. in S.Breyer "Schlachtschiffe und Schlachtkreuzer 1905-70". :wink:
Schöne Grüße,
Dmitrij

Leutnant Werner

@Harold,

Warjag hat recht: Breyer, S. 483.
Gruß
Lt.

Stefan

Hallo
Interessanter Beitrag !
Gruß
Stefan

Andre-As

Zitat von: Leutnant Werner@Harold,
Warjag hat recht: Breyer, S. 483.
Gruß
Lt.
Die Angaben aus dem ,,alten" Breyer, S. 483 sind zwar nicht falsch, erwecken aber doch einen ziemlich verkehrten Eindruck. Deutlich besser beschreibt die polnischen Pläne Richard Worth in seinem relativ neuen Buch ,,Fleets of World War II", erschienen 2001. Präzisere Angaben sind auch im 1. Band von Harald Focks ,,Z-vor!" zu finden

Es geht darum, daß diese polnischen Pläne aus dem Breyer-Buch keineswegs offiziell waren.
Der letzte offizielle Ausbauplan der polnischen Flotte stammte von November 1936 und wurde tatsächlich von der polnischen Flottenleitung genehmigt. Er beinhaltete durchaus realistisch folgende Anschaffungen für die Jahre bis 1942:
6 Zerstörer
1 Minenleger
8 U-Boote
8 Minensuchboote
3 Schnellboote

Von größeren Einheiten wurden aus diesem Plan in den Jahren 1937-1939 realisiert:  
2 Zerstörer: Grom und Blyskawica
1 Minenleger: Gryf
2 U-boote: Orzel und Sep

Im Gegenteil zu den realistischen Plänen der polnischen Kriegsmarineleitung gab es einige eher märchenhafte ,,Pläne", die von inoffizieller Seite kamen. Ein gewisser Julian Ginsberg, seines Zeichens Aktivist des polnischen Vereins namens ,,Übersee- und Kolonialliga" (LMiK) legte im gleichen Jahr 1936 ohne große Hemmungen den folgenden 10-Jahresplan für die polnische Flotte vor:

3 Schlachtschiffe (je 25.000 ts, 9x305 mm, 30 kn)
1 Leichter Kreuzer (4.500 ts, 8x152 mm, 35 kn)
12 Zerstörer (je 2000 ts, 40 kn)
6 U-Boote (je 1100 ts)
3 U-Boote (je 1000 ts, Minen)
12 U-Boote (je 500 ts)
2 Minenleger (je 2100 ts)
16 Minensuchboote
12 Schnellboote

Dieser Plan spiegelte jedoch eher die Überlegung der polnischen Seite wieder aus dem Bereich ,,Folgende Schiffe sollten wir eigentlich haben, wenn wir unsere Politik umsetzen wollen...".
Er hatte weder mit tatsächlichen Plänen der polnischen Marine zu tun, noch mit den technischen und finanziellen Möglichkeiten der Industrie und des Staates. Der besagte Ginsberg schrieb jedoch in der damaligen Presse so oft und so überzeugend über den ,,notwendigen" Ausbau der polnischen Kriegsmarine, dass viele Polen diese Erklärungen allmählich für offiziell hielten, wenn nicht gar für zur Realisierung vorgesehenen Pläne. Die ganze Geschichte wird verständlicher, wenn man bedenkt, dass die ominöse LMiK als eine ihrer Hauptaufgaben einfach Geldsammlungen in der Bevölkerung ,,zur Ausbau der Flotte" hatte. Tatsächlich wurde z.B. der Kauf des U-Boots Orzel bei einer holländischen Werft fast vollständig aus Sammlungen in der polnischen Bevölkerung finanziert.

Etwas später, in 1937 wurde ein anderer Plan vorgelegt; sein Verfasser Dr. Aleksander Potyrala plante glatt für 15 Jahre, d.h. bis 1952 (!). Der Plan beinhaltete ,,nur" 2 Schlachtschiffe je 25.000 ts, dafür aber zusätzlich 2 Schwere Kreuzer je 10.000 ts. Die Zahl der kleineren Einheiten blieb ähnlich wie im Ginsberg-Plan. Insgesamt sollte eine Flotte von 150.000 ts entstehen. Interessant war hier die Vorstellung, dass alle Schiffe in lokalen polnischen Werften gebaut werden sollten. Die Tatsache, dass die größte polnische Werft in 1937 nicht einmal einen Zerstörer bauen konnte beweist die Realitätsstufe dieser Überlegungen.

Diese ,,Pläne", die weitgehend im Bereich der polnischen Propaganda blieben, hat Hr. Breyer offensichtlich für bare Münze genommen. Solche Angaben anschließend in einem ernstzunehmenden Buch ohne jeglichen Kommentar abzudrucken halte ich schon für etwas bedenklich.

Warjag

@Andre-As

Absolut richtig! Das war nur gute Vorsätze. Mit der Realität hatten sie nichts zu tun.
Und im Breyer gibt es ja kleine Fehler und Lücken. Ich glaube, irgendwo hier auf dem Forum wurde dieses Thema schon besprochen.
Schöne Grüße,
Dmitrij

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