Ramming "unter" Gibraltar

Begonnen von Big A, 13 Februar 2012, 23:26:46

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Big A

Hatten gerade eine Diskussion, da kam folgende Frage hoch:

Anfang der 80er Jahre hat ein sowjetisches U-Boot beim Versuch, aus dem Mittelmeer kommend in den Atlantik zu laufen, dies nicht - wie (vertraglich??) vereinbart über Wasser sondern indem es (ich galube es war ein "Victor"-Boot) sich unter ein ebenfalls sowjetisches Frachtschiff begab und so ungesehen auslaufen wollte.
Dabei kam es zu Problemen mit der Tiefensteuerung und ein an der Brücke ziemlich zerbeultes U-Boot tauchte auf.
Weiß jemand noch genau, wann da was passiert ist?
Ich erinnere mich jedenfalls daran, dass es kaum eine "offizielle" Reaktion gab - insbesondere nicht auf Seiten der friedensbewegten Mitbürger dieser Zeit, die sonst ja so gerne auf alle militärischen Fehler mit dem Finger zeigten. War wohl nicht politisch korrekt?? :-P 8-)
Ist auch bekannt, was aus der Besatzung wurde?

Gruß

Axel
Weapons are no good unless there are guts on both sides of the bayonet.
(Gen. Walter Kruger, 6th Army)

Real men don't need experts to tell them whose asses to kick.

Gerome_73

Am 18.09.84 wurde K-53 vom Handelsschiff Bratstvo gerammt. [wiki]Victor-I-Klasse[/wiki]
Allerdings klingt die Geschichte, wie sie bei wiki beschrieben wird, wirklich wie eine Geschichte.  :wink:

Big A

ZitatAllerdings klingt die Geschichte, wie sie bei wiki beschrieben wird, wirklich wie eine Geschichte. 

Deswegen frage ich ja hier, weil ich diesen wiki - Eintrag auch nicht zielführend finde :wink:

Axel
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The Voice

Zitat von: Gerome_73 am 14 Februar 2012, 05:26:15
Am 18.09.84 wurde K-53 vom Handelsschiff Bratstvo gerammt. [wiki]Victor-I-Klasse[/wiki]
Allerdings klingt die Geschichte, wie sie bei wiki beschrieben wird, wirklich wie eine Geschichte.  :wink:
Auch ich halte dies für eine "Geschichte".

Allerdings soll das Fahren unter einem Frachter ein risikoreiches,
aber angeblich praktiziertes Verfahren im kalten Krieg gewesen sein.

Für viel wahrscheinlicher bei diesem Zwischenfall folgende Theorie, die jeder kennt, der sich mit Seezieltorpedos beschäftigt hat:

- Der Sensor der Tiefensteuerung basieren auf Wasserdruck.
- Schrauben eines Überwasserfahrzeuges erzeugen eine Druckzunahme nach unten.
- Hängt sich  ein U-Boot relativ flach direkt unter einen Frachter und kommt in den Bereich der Schrauben,
   steigt dort der Druck, es wird also am Tiefenmesser eine größere Tauchtiefe angezeigt.
- Der Fahrende Wachoffizier korrigiert die Tauchtiefe - und.......bums!

Mir erscheint diese Theorie zumindest schlüssig

Gruß: Uwe
In God we trust - all others we track

Big A

@The Voice

Macht auch mehr Sinn, was Du schreibst...

Da hat halt jemand Pech gehabt und wurde beim Schummeln erwischt, denn mW darf man da nicht getaucht durch

Axel
Weapons are no good unless there are guts on both sides of the bayonet.
(Gen. Walter Kruger, 6th Army)

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Gerome_73

Der Grund könnten doch auch starke Strömungen gewesen sein. Immerhin brodelt es ja ordentlich in der SvG.
Gezeitenströmung, Wasseraustausch Mittelmeer <-> Atlantik, Wind oder evtl. Solitons machen eine Fahrt,
dicht unter der Wasseroberfläche, zu einem gefährlichem Pokerspiel.  :MG:
Was meint Ihr?

Marco


Big A

Alles möglich, aber er musste wohl dicht unter der Oberfläche und in der Nähe eines Frachters laufen, da die Straße durch Ortungssysteme (Sonar, Micros usw.) recht gut überwacht ist, eben um genau das unkontrollieret Ein- bzw. Auslaufen zu unterbinden

Gruß

Axel
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(Gen. Walter Kruger, 6th Army)

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olpe

Hallo,
das ist eine interessante Story. Die russische Version:
19.09.1984: Bei der Durchfahrt durch die Strasse von Gibraltar zur Durchführung des Gefechtsdienstes im Mittelmeer stieß K-53 in Unterwasserfahrt mit dem sowjetischen Frachtschiff "BRATSVO" zusammen und erhielt Beschädigungen am Bug des Hüllkörpers, der Sonarantenne und an den Einrichtungen und Klappen der Torpedorohre. Es mußte auftauchen und in Begleitung des Hilfe leistenden Werkstattschiffes PM-24 in den Hafen von Hammamet (Tunis) für die Schadensbeseitigung ablaufen. Im Oktober 1984 kehrte das Boot in die Heimatbasis zur Havariereparatur zurück.

19.9.1984, при форсировании пролива Гибралтар в подводном положении для несения боевой службы на Средиземном море, была таранена советским теплоходом «Братство» и, получив повреждения носовой части легкого корпуса, обтекателя ГАК, выдвижных устройств и щитов ТА, была вынуждена всплыть на поверхность и в сопровождении ПМ-24, прибывшей на помощь, направиться в порт Хаммамет (Тунис) для устранения повреждений, а в октябре 1984 года возвратиться в базу для производства аварийного ремонта.

Hier einige vertiefende Bilder:

Grüsse
OLPE

The Voice

Zitat von: olpe am 15 Februar 2012, 21:55:54
Hallo,
das ist eine interessante Story. Die russische Version:
19.09.1984: Bei der Durchfahrt ........... stieß K-53 in Unterwasserfahrt mit dem .............
Grüsse
OLPE
Moin!
Zunächst Danke für den Artikel und die Fotos.
Was mich doch ein wenig wundert, ist das Zugeständnis, dass man gegen gültiges Recht die Enge von Gibralar passieren wollte! Immerhin stammt der Artikel aus dem Jahr 1984.

Gruß: Uwe
In God we trust - all others we track

olpe

Zitat von: The Voice am 15 Februar 2012, 22:03:37
Was mich doch ein wenig wundert, ist das Zugeständnis, dass man gegen gültiges Recht die Enge von Gibralar passieren wollte!
Hallo,
nun, der Artikel ist etwas später verfaßt worden und entstammt einer jüngeren marinehistorischen russischen Internetseite.

Es gehörte sicher nicht nur in der damaligen sowjetischen Seekriegsflotte zu den Gepflogenheiten der U-Bootleute und der planenden Stäbe, auch mal rotzfrech Dinge zu tun, die formaljuristisch nicht ganz clean sind ...  :-D ... Auch Gennadi Lyachin, Kommandant von K-141 "KURSK", nahm die Strasse von Gibraltar 1999 in Tauchfahrt ... ein Husarenstück, auf das die Podvodniki (U-Bootfahrer) in Murmansk und Umgebung noch heute stolz sind ... Die "KURSK" wurde erst später irgendwo im Mittelmeer von der NATO erfaßt ...
Da K-53 vom Atlantik kommend in das Mittelmeer detachiert wurde, ist eine gedeckte Durchfahrt aus Sicht der Sowjets durchaus sinnreich (umgekehrt nicht; die starken ASW-Kräfte der NATO hätten das Boot im Mittelmeer doch irgendwann entdeckt, so dass eine getauchte Gibraltar-Durchfahrt dann keinen Sinn mehr gemacht hätte) ... Akustischen Tarnung mittels eines schön lauten 'Dampfers' ... Aber augenscheinlich ging eben doch etwas schief ... ob durch Strömung, unvorsichtiges Fahren oder eine technische Störung ... das ließ sich bis Dato leider nicht recherchieren ...
Grüsse
OLPE

Albatros

Hallo Olpe,

Danke Dir für Deine interessanten Beiträge.

Ist eigentlich bekannt ob die sowjetische BRATSVO unter der das U-Boot versuchte unentdeckt zu bleiben nennenswerte Schäden davon trug?

:MG:

Manfred

Teddy Suhren

Hai

Kurze Zwischenfrage:
Wenn man den üblichen Märchenzuschlag abzieht - kann es wirklich sein das so ein Haufen Blech am Bug beim Zusammenstoß mit einem Frachter einfach weg ist?
Gruß
Jörg

WoWs Nick: Teddy191

olpe

Zitat von: Teddy Suhren am 16 Februar 2012, 19:21:29
- kann es wirklich sein das so ein Haufen Blech am Bug beim Zusammenstoß mit einem Frachter einfach weg ist?
Hallo @Teddy,
nun, es kommt sicher auch darauf an, an welcher Stelle das U-Boot in den Frachter rein ist, unter welchem Winkel, welcher Geschwindigkeit und welchen jeweiligen Kurs die Unfallgegner fuhren ... Betroffen war ja im wesentlichen der Hüllkörper des Bootes. Dass der U-Bootbug 'nur' etwa von der Torpedoladeluke bis ca. 1,5m unterhalb vom Wasserpaß aufgerissen wurde ist m.E. ein Indiz dafür, dass K-53 mit eher geringer Fahrtstufe mehr von dwars kommend getaucht in die Seite der "BRATSVO" gefahren ist. Die Tauchtiefe dürfte hierbei den Tiefgang des Frachters nicht wesentlich überschritten haben. Frachter sind im Mittschiffsbereich ja recht eckig gebaut, so dass eine eindeutige Abgrenzung der Auftreffstelle u-bootseitig festzustellen ist.
Auf U-461, dem JULIETT-Boot in Peenemünde, beträgt die Stahldicke (amagnetisch) des Hüllkörpers ca. 1 cm. Die Unterzüge und Versteifungen im Bugbereich sind ausgeprägt ... aber: bumst ein derartiges rd. 4.000 t Boot in mäßiger UW-Fahrt gegen ein Hindernis, verbeult sich der Bereich eben doch erheblich ...
Unten einige vertiefende Bilder von U-461 (Q: Slg. OLPE)
Grüsse
OLPE

olpe

Zitat von: Albatros am 16 Februar 2012, 17:28:43
Ist eigentlich bekannt ob die sowjetische BRATSVO unter der das U-Boot versuchte unentdeckt zu bleiben nennenswerte Schäden davon trug?
Hallo,
hier einige kurze Auszüge aus dem Bericht des Kapitäns der "BRATSVO" zu den Beschädigungen und zum Unfallhergang.
Quelle: Bericht des Kapitänes (russ.) (Bilder des Schiffes: nach unten scrollen)


  • Die "BRATSVO" kam mit Getreide von Kanada kommend mit Ziel Schwarzes Meer (Odessa)
  • Frischwasser und Treibstoff in Ceuta ergänzend, lief das Schiff mit KK=98° und 14 kn in das Mittelmeer ab
  • 18.09.1984, 23.33 Uhr Ortszeit: ein Schlag, der Maschinenraum lief innerhalb 50 Sekunden voller Wasser
  • das Schiff bekam einen größeren Tiefgang von ca. 10m auf 12,5m
  • das Leck erwies sich von einer Größe von ca. 100m², vom Kiel 5m in die Höhe und einer Länge von ca. 20m
  • der Auftreffwinkel war ca. 45° bei entgegenkommenden Kursen
  • Das Schiff wurde nach Algeciras abgeschleppt, spanische Taucher untersuchten das Leck, stellten Gummireste der Sonarschutzschicht sicher
  • die Ladung wurde an andere sowjetische Schiffe übergeben, die "BRATSVO" ist danach an Metallhändler als Schrott verkauft worden

Die Vermutung liegt nahe, dass K-53 sich unter die ablaufende "BRATSVO" begeben wollte, aber zu hoch kam, auch zu spät beidrehte und so die Kollision herbeiführte ...
Grüsse
OLPE

Gerome_73

Sehr aufschlussreich, danke olpe.

Grüße Marco

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