Operation Cerberus --- Die Legende vom Risiko

Begonnen von Mario, 16 Mai 2006, 20:23:57

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Mario

Clay Blair schreibt in seinem Buch über den U-Boot-Krieg, daß die Briten sehr genau über die geplante Rückverlegung der deutschen schweren Einheiten aus Brest in die Heimat Bescheid wußten. Es war sogar eine Gegenoperation der Royal Navy geplant. Operation Fuller. Wieso konnten dann die Deutschen ihre Schiff fast unbehelligt durchbringen ???
Nach eingehendem Studium der damaligen Kräfteverhältnisse im Kanal komme ich nun zu dem Schluss, das das Risiko für die Deutschen sehr gering war. (entgegen der heute oft geäußerten Meinung, das es sich dabei um ein nahezu waghalsiges Unternehmen gehandet haben muß)
Durch den Kriegseintritt der USA standen den Deutschen Kriegsschiffen im Atlantik nun nicht nur die Royal Navy gegeüber, sondern auch die US-Navy. Das Risiko bei einer Atlantikunternehmung eines deutschen Überwasserkampfschiffes (oder eines Verbandes) hatte sich also im Prinzip verdoppelt. Ein Durchbruch um England herum brachte also die Gefahr, im Atlantik neben den Briten auch noch auf Einheiten der US-Navy zu stoßen. Nun hatten die Amerikaner zunächst noch keine schnellen Schlachtschiffe zur Verfügung, aber auch an den langsamen alten mußte man erstmal vorbei, um nach Norwegen zu kommen.
Wie sah es aber hingegen mit der Kräfteverteilung im Kanal aus ???
Die größte Gefahr, das wußte man spätestens seit dem Mai 1941, waren die Torpedobomber. Das wußten auch die Briten, aber sie hatten fast alle ihre Torpodobomber im Mittelmeer im Einsatz. Lediglich eine Squadron war verfügbar.
Die britischen Schlachtschiffe, eine weitere große Gefahr, lagen weit im Norden. Lediglich die King Georg V. war einsatzbereit, aber Admiral Tovey dachte nicht daran, sie in die Nähe der deutsch besetzten Küsten einzusetzen und sie den Angriffen deutschen Bomber auszusetzen.
Blieben also nur die kleinen Einheiten der Royal Navy und die Air Force. Ein Kräfteverglich bei den Flugzeugen zeigt die deutsche Luftwaffe mit 242 Maschienen gegenüber 252 Britischen leicht im Nachteil, aber dies wird durch das Überraschungsmoment und durch die Möglichkeit der Planung der Flugzeiten mehr als ausgeglichen. Bei den leichten Seestreitkräften dürfte auch ein annäherndes Gleichgewicht geherrscht haben.

Letztendlich sprach vieles für einen Durchbruch durch den Kanal und vieles gegen ein Umrunden der britischen Inseln. Die größten Gefahren waren Schlachtschiffe und trägergestützte Torpedobomber. Beide Gefahren lauerten im Norden und im Westen, der Kanal hingegen konnte relativ leicht frei gemacht werden.
Selbst wenn die britischen Warnvorkehrungen funktioniert hätten, wäre es den Briten schwergefallen, die deutschen Schlachtschiffe und den Kreuzer abzufangen. Wie seht Ihr das.

Siehe auch folgende Website ---> http://www.navweaps.com/index_oob/OOB_WWII_Atlantic/OOB_WWII_Cerberus.htm

Scheer

Ganz ketzerisch gesprochen könnte es den Briten sogar ganz recht gewesen sein, das die Deutschen die Schiffe zurückholten.
Die Mär vom grandiosen Schachzug des Kanaldurchbruchs muss mit dem Makel leben, das es im Grunde (trotz des Propaganda-Erfolges) einer Niederlage war. Die Schlachtschiffe wurden aus einer guten Position für Atlantik-Unternehmen entfernt. Ein, durch den Rückzug notwendiger erneuter Durchbruch, verbunden mit all seiner notwendigen Logistik war für Deutschland kaum noch zu bewältigen. Durch die bereits angesprochene Verstärkung durch Amerika und die der eigenen Flotte mit neuen Schlachtschiffen konnte man von britischer Seite her davon ausgehen, das diese Schiffe wohl nie mehr zum Atlantik wollen. Dies bedeutete natürlich eine Entlastung bezüglich der Konvoi Sicherung durch schwerste Einheiten.

Unter den Gesichtspunkten die Mario aufgeführt hat, erscheint der Durchbruch wirklich kaum risikobehaftet. Möglicherweise sind aber die Angriffe auf den Verband sogar bewusst nur halbherzig geführt worden. Nach dem Motto: Schonenster Umgang mit den voerhandenen Mitteln, aber gerade noch in der Stärke, das man noch einen Teilerfolg erzielen kann.

Gegen einen Durchbruch durch die Dänemark-Strasse spricht auch noch ein anderer Gesichtspunkt und zwar die beginnende präkäre Treibstofflage. Der Durchbruch durch den Ärmelkanal sparte schlicht und ergreifend auch Treibstoff.

Alles in allem spricht schon viel dafür, das die Briten mit einem Durchbruch durch den Ärmelkanal rechneten und diesen sogar wünschten.

Thomas

Hallo Mario, hallo Scheer,

gab es nicht auch eine Bedrohung durch die Verminung?
Außerdem: Sicher stand kein Atlantikdurchbruch an, deshalb ist der Gedanke mit der Entlastung der Geleitzüge dort einleuchtend.
Was aber ist mit dem voraussichtlichen Einsatzziel Norwegen und der Bedrohung der Versorgungsgeleite nach Rußland?
War das nicht auch ein Aspekt der Verlegung der schweren Einheiten?

Grüße
Thomas :-)

kalli

@Scheer,
noch ketzerischer, weil als Vorwurf und propagandistisch verwendet, sagen einige russische Autoren : Die Briten sind eine Last im Atlantik los geworden, haben die Deutschen einfach ohne eigenes Risiko fahren lassen, im Eismeer können sie nur noch den Russen schaden. Das ist gut für uns.

Scheer

Im Bezug auf die Verstärkung durch Amerika möchte ich meine Aussage zunächt wieder zurücknehmen. Da bin ich mir nicht mehr so sicher.
Aber dazu habe ich einen neuen Thread eröffnet.

Bezüglich des Aspektes Einsatzziel Norwegen werfe ich mal die Tasache ein, das mit der Tirpitz und der unterstützenden Kreuzer an sich schon ein effektives Potential vorhanden war. Durchaus ausreichend und wenn man SH und GU im Atlantik weiter eingesetzt hätte in dieser Größe sogar vorteilhaft. Immerhin hätte man zwei kampfstarke Verbände in unterschidlichen Einsatzgebieten. Die Diversionswirkubg wäre ungleich höher als bei einer Zusammenführung.

Thomas

Hallo Scheer,

war das Operationsgebiet Atlantik bei der Überwachung und der ausgeschalteten Versorgung 1942 überhaupt realistisch?

Zur Diversionswirkung: Gedacht sind 3 Schlachtschiffe und 3 Kreuzer plus Luftwaffe und U-Boote in Nordnorwegen. Da wird jeder Geleitzug nach Murmansk zum Höllentripp oder zum erzwungenen Grosseinsatz der englischen Seestreitkräfte.

Neben der Seewirkung wundert mich ohnehin, aber das ist Folge des OKW-Kriegsschauplatzes, dass man nicht sofort mit ausreichend Truppen Murmansk zielstrebig ausgeschaltet hat, womit pimaldaumen etwas weniger als die Hälfte der Versorgung ausgeschaltet worden wäre: Mit vielleicht doch insgesamt weniger Aufwand als Kriegsmarine plus Luftwaffe (deren Einheiten u.a. im Mittelmeer dringend gebraucht wurden).

Grüße
Thomas

kalli

Das Ausschalten von Murmansk wurde ja wohl ernsthaft versucht. Murmansk wurde fast dem Erdboden gleich gemacht und trotzdem konnte die Stadt widerstehen. Das Ausschalten von Stalingrad war ja wohl auch vorgesehen. Allein es gelang eben nicht. Womit hing das zusammen ? Wohl beides nicht mit der Tirpitz und den seit PQ17 ausgebliebenen Geleitzügen. Das Nichtgelingen hatte demnach andere Ursachen. Im Schach sagt man : die Partie ging wegen Unterlegenheit verloren, vorsichtig ausgedrückt.


Thomas

Hallo Kalli,

das Thema Murmansk ist komplexer.
Es geht mal mit der Teilung zwischen OKW- und OKH-Kriegsschauplätzen im Osten und der mangelnden Abstimmung los. Mit Ausnahme des Nordens war Barbarrossa ein OKH- Schauplatz. Die Planung (von Halder eine "Expedition" statt Operation genannt) hatte bereits Fehler, der Ansatz von Nordnorwegen aus berücksichtigte in 1941 nur 2 Divisionen (das ist nun wieder Verschwendung im Kräfteansatz), anstatt von 3-4 Divisionen, aufgrund der vermuteten ungenügenden Straßenverhältnisse - und das war ein kapitaler Fehler, wie im Juli 1941 klar wurde  (laut KTB des AOK Norwegen). Murmansk wurde 1941 nicht hinreichend beachtet, weil "man" von der russischen Niederlage im Herbst sicher ausging.

In der Folgezeit ein halbherziger Ansatz, insbesondere mit weniger Luftstreitkräften als von SKL und OKH gefordert (das mag dem Mangel zuzuschreiben gewesen sein - aber man muss dabei die späteren Kräftebindungen berücksichtigen!).

Rest ist bekannt.
Grüße
Thomas

Scheer

Zitat von: cpa95 am 16 Mai 2006, 22:05:33
Hallo Scheer,

war das Operationsgebiet Atlantik bei der Überwachung und der ausgeschalteten Versorgung 1942 überhaupt realistisch?

Zur Diversionswirkung: Gedacht sind 3 Schlachtschiffe und 3 Kreuzer plus Luftwaffe und U-Boote in Nordnorwegen. Da wird jeder Geleitzug nach Murmansk zum Höllentripp oder zum erzwungenen Grosseinsatz der englischen Seestreitkräfte.

Neben der Seewirkung wundert mich ohnehin, aber das ist Folge des OKW-Kriegsschauplatzes, dass man nicht sofort mit ausreichend Truppen Murmansk zielstrebig ausgeschaltet hat, womit pimaldaumen etwas weniger als die Hälfte der Versorgung ausgeschaltet worden wäre: Mit vielleicht doch insgesamt weniger Aufwand als Kriegsmarine plus Luftwaffe (deren Einheiten u.a. im Mittelmeer dringend gebraucht wurden).

Grüße
Thomas

Ja, wie ich an anderer Stelle ausführte war es realistisch. Zwar war die Überwachung recht gut, aber der Schutz für die Geleite mit schweren Einheiten wäre durch die Diversionswirkung zweier Kampfgruppen gering ausgefallen. Die Versorgung ist sicher problematisch, wäre aber nicht unlösbar, gerade auch im Hinblick auf ein Aktionsgebiet Mittelatlantik.

In meiner Überlegung muss sich die Britische Flotte teilen um beide Kampfgruppen abzudecken und nebenher auch noch einige Schlachtschiffe direkt an Konvois abstellen. Dies verzettelt die Flotte dermaßen, das die Vor-Ort-Kräfte kaum noch ein Gleichgewicht aufbauen könnten. Bei einer reinen Konzentration auf eine vereinigte deutsche Norwegenflotte, ohne den Zwang zur Teilung und Abstellung würden die Briten eine Übermacht stellen können. Rechnerisch geht es also für die Kriegsmarine bei zwei Kampfgruppen günstiger aus.
Dieses ist auch der Kern meiner persönlichen These, das BS gar nicht in den Atlantik hätte durchbrechen müssen.
Zwei homogene Kampfgruppen (BS und TP in Norwegen und SH und GU in Schlagdistanz zum Nord- und Mittelatlantik) wären vermutlich effektiver gewesen als eine massive Schlachtgruppe in Brest.
Der Verlauf des Krieges, vor allem im Pazifik, zeigte doch, das nicht mehr die gewaltigen Schlachtreihen, sondern die (logischerweise) höhere Zahl kleinerer Task Forces der richtige Weg waren.
Hier liegt wohl der Lapsus der in vielen Überlegungen Marke "Vereinigung von BS, TP, SH und GU wäre effektiv gewesen" gemacht wird. Dieses ist viel zu konservativ. Gerade Deutschland, mit seiner vergleichsweise winzigen Flotte hätte sich diese modernen Formen der Seekriegsführung zu eigen machen müssen.

Aus dieser Perspektive heraus wirkt Cerberus nur noch als Niederlage und dürfte der brit. Admiralität, trotz des vorübergehenden Gesichtsverlustes, Grinsen und Händereiben beschert haben.
Ja mehr noch, den die Ausschaltung von GU in heimatliche Gewässern war für die deutsche Volksseele sicher schwerer hin zu nehmen als wenn gleiches in Brest passiert wäre. Es macht, für das Volk, schon einen Unterschied ob ein Schiff quasi an der Front oder aber in der Heimat verloren geht. In letzterem Falle ist die Front dann namlich schon in der Heimat und das Schiff geht quasi unnütz verloren.

Scharnhorst66

Mal so kurz eingeworfen ,

also .. was nutzen mir drei große Einheiten , die zwar den Atlantik bedrohen könnten - wenn Sie denn mal zum Auslaufen bereit wären ..
Solange es die Royal Airforce immer wieder schaffte , die dtsch. Einheiten - wenn gerade fertig repariert - Neu zu beschädigen ..
solange hab ich "0" Nutzen von diesen Einheiten.

Und solange sie kaputt sind , braucht auch die Royal Navy keinen Finger rühren bzw. Schiffe anstellen!!

Weiterhin , als im Feb 1942 die Schiffe zurück geordert wurden , stand es für die Uboote im Atlantik noch recht gut ..
so war ein Einsatzgebiet im Atlantik für die  dtsch. Schiffe nicht unbedingt notwendig.
Noch ein Kritikpunkt .. was nutzen mir zwei BB / BC  die sich nicht an die Konvois rantrauen dürfen - weil ein BB der Briten dabei ist ??
Und dieses war nunmal in den meisten Fällen so ..

Ausserdem fing der Obergefreite ja an - von einer Invasion Norwegens "zuträumen" -
so das aus dieser Sicht eine zurückführung durchaus schon Sinn gemacht hätte -
Atlantik übernehmen weiterhin die Uboote - Norwegen die restliche Flotte .

Was auch in betracht gezogen werden muss .. der Russlandfeldzug lief auf hochtouren -
jede Verstärkung der dtsch. Einheiten  hätte "normalerweise" mehr Angriffe auf die Russland Convois bedeuten müssen!


Aber zurück zum eigentlichen Durchbruch ..
denke schon  - das die Briten dort gepennt haben - eine solche Chance die dtsch. Einheiten vor der eigenen Haustür zu erledigen
hätten Sie normalerweise nutzen müssen / sollen.

Ein brit. Uboot lag ja auf der Lauer und sollte jede Bewegung vor Brest mitteilen ..
das es dann am späten Abend abgedampft ist , um seine Batterien wieder neu zu füllen .. mag ja noch ein dummer Zufall gewesen sein ..
Aber laut "Potter - Durchbruch " wussten die Briten das da was kommt .
Dafür war es aus meiner Sicht erstens recht wenig , was vorhanden / zusammengezogen war ..
weiterhin war die Abstimmung zwischen Airforce und Navy grottenschlecht abgestimmt .. immerhin ist der dtsch. Verband von Fliegern gesichtet worden .. aber anstatt über Funk sofort Meldung zu machen - flog er erst einmal zum Fliegerhorst zurück um von dort bescheid zu sagen ..
Und die Meldung ging als erstes auch noch unter bzw. wurde nicht für voll genommen ...

Dann der Torpedoangriff der Airforce .. Debakel .. man wusste um die Luftsicherung , hat aber die alten Doppeldecker selber ohne Jagdschutz in den Kampf geschickt .. gut angedacht war er .. aber die Koordination hat wieder nicht geklappt . so das sich beide Verbände - Torp / Jagdflieger nicht getroffen haben .. als das bekannt wurde .. hätte man die Doppeldecker erst einmal zurück ordern müssen ..

Fazit ,
dafür das die Briten bescheid wussten , war wenig an Material zusammengezogen worden , um die sich bietende Chance zu Nutzen ..
Und das was vorhanden war , wurde auch noch schlecht eingesetzt !!




" Fehler sind normal , Irrtümer üblich , Informationen selten vollständig , oft unzutreffend und häufig irreführend "
Sound Military Decision 1936
Gruss Micha

Spee

Servus,

gesetzt den Fall, die Briten wußten über "Cerberus" bescheid, dann macht das Verhalten der Briten durchaus Sinn. Die deutschen Einheiten solange nicht angreifen, wie sie sich noch im Kanal befinden, sondern erst, wenn sie die Enge Calais-Dover passiert haben und in die Nordsee laufen. Vorher besteht immer die Gefahr, daß die deutschen Schiffe umdrehen, nach Calais-Dover sicher nicht mehr. Möglicherweise haben die Briten auch aus Sicherheitsgründen ("Ultra") keine umfaßenden Maßnahmen eingeleitet. Wäre doch recht auffällig gewesen, wenn plötzlich Hunderte Flugzeuge des Costal Command und der Royal Air Force aus den Wolken schiessen. Einen strategischen Vorteil opfert man nicht für einen taktischen Sieg.
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

ufo

Bei Clay Blair sträubt sich mir immer das Nackenfell. Ist doch nicht so schlimm, dass kein A**** dicke Bücher über die ruhmreichen Taten der Amerikanischen Pacific U-Boot Flotte geschrieben hat.
Man muss Deutsche Technik und Deutsche Taten nicht verherrlichen und man muss die Royal Navy auch nicht über den grünen Klee loben aber die Wahrheit genausoweit weg von der Mitte auf der anderen Seite zu suchen halte ich ja man auch eher für fragwürdig.
Aber das nur am Rande.


Zu den Optionen der Deutschen:

Eine Islandpassage war eigentlich nie eine echte Option. Man hat bei der Seekriegsleitung wohl recht klar gesehen, dass das ein Himmelfahrtskommando gewesen wäre. Die Raeder vom Führer angebotenen Optionen waren abtakeln und einmotten in Brest (setzt viel Personal frei! Aber ein fieser Propagandaerfolg für die Briten.) oder durch den Kanal nach Hause.

Liesst man sich das Battle Summary No.11 "No. 11. The passage of the SCHARNHORST, GNEISENAU and PRINZ EUGEN through the English Channel 12 Feb 1942" ADM 186/8o3 zum Kanaldurchbruch durch, so war den Briten klar, dass ein Heimmarsch der Einheiten durch den Kanal zu erwarten war. Die Erfolgsaussichten für die Deutschen wurden als ausgesprochen gering eingestufft, wenn – ja, wenn die anmarschierenden Deutschen Einheiten rechtzeitig entdeckt werden könnten.
In dieser Erwartung aber erschöpft sich auch das Britische 'Bescheid wissen'. Ich kenne keinerlei Dokument, dass nahelegt, dass die Briten Tag und Stunde des Deutschen Durchbruches kannten!

Geplant war ganz entschieden nicht (!) die Deutschen erst jenseits der Dover Enge anzugreifen. Das wird in dem Bericht als ein ganz ausgesuchter Patzer und als der letztendlich entscheidende Faktor für den Deutschen Erfolg herausgestrichen.

Eine Entdeckung deutlich vor der Dover Enge hätte Zeit genug gegeben schwere Einheiten und Zerstörer bis zum Abwerfen von Scotland heranzuführen und die Schwestern vor Holland mit komfortabler Überlegenheit salopp gesagt abzumurksen.
Der Anmarsch aus dem Firth of Forth bis Dover ist etwa so lang wie der von Brest. So gesehen standen die Einheiten auf Britischer Seite durchaus bereit!

Der Britische Plan sah vor: Bomber und Torpedobomberangriffe im Westlichen Kanal verstärkt durch Zerstörerangriffe aus Portsmouth dann Angriffe durch Zerstörer aus Harwich in der Kanalenge und als Grande Finale Angriffe durch Zerstörer und schwere Einheiten, gedeckt von Trägern im östlichen Kanal und vor der Holländischen Küste; dann überlebende Deutsche auffischen und Vorhang.
Die Einheiten, die man dazu brauchte, standen alle bereit. Es kam also weniger auf die Kräfterverhältnisse im Kanal an sondern viel mehr auf die Kräfteverhältnisse an der Französischen Küste versus die Kräfte zwischen Plymouth und den Firth of Forth. Die grösste Gefahr für die Deutschen waren Zerstörer, mehr Zerstörer und noch ein paar Zerstörer extra.

Die (wie man hinterher einsah) ganz entschiedene Schwachstelle in dem Britischen Plan war die Aufklärung. Gelangten die Deutschen unentdeckt bis dicht an Dover, dann klappte der ganze Plan zusammen wie ein Kartenhaus. Weder die Zerstörer aus Ost-England noch die schweren Einheiten aus Scotland hatten Zeit auf der Bühne überhaupt zu erscheinen. Zerstörer aus den Stützpunkten an der Kanalküste hatten ebenfalls keine Chance mehr die Deutschen noch einzuholen.
Es gelang noch einen Teilangriff zu fahren, indem die Zerstörer aus Harwich ostwärts durch die eigenen Minenfelder dampfen und sich vor Holland mit den Deutschen balgten; aber das war viel zu wenig viel zu spät. 


Aber komfortabel? Nee – ich würde eher mit der Seekriegsleitung und gegen den Führer entscheiden, dass das schon ziemlich halsberecherisch war.

Ich denke ohne den ausgesprochenen Norwegen Fimmel, den der Führer in 1941 / 42 an den Tag legte, wäre das Pendel zur anderen Seite geschwungen und die Schwestern in Brest abgebrochen worden. Aber die ständige Furcht vor einer Britischen Landung in Nord-Norwegen (liebevoll gepflegt von den Briten) mag letztendlich dazu begetragen haben, dass man im Führerhauptquartier meinte auf die Dampfer zur Verteidigung Norwegens nicht verzichten zu können.

Ich denke wenn die Britische Alarmmeldung wie geplant irgendwo weit westlich im Kanal vor Cherbourg gekommen wäre, dann wäre das ein ausgesprochenes Debakel für dei Deutschen geworden. Sicherlich eines, für das die Briten teuer bezahlt hätten aber ich denke bestenfalls hätte die Kriegsmarine ihre Dampfer schwer beschädigt in Holländische Häfen retten können.

Und letztendlich entscheidend wären so denke ich neben den schweren Einheiten auf britischer Seite vor allem die gewaltige Übermacht an Torpedoträgern gewesen. Nur – die lagen weit verstreut die Englische Ostküste hoch. 



Der Augang vor Cerberus ist sicher im Nachhinein eigentlich ganz ok für die Briten gewesen. Ein grosses Umlegen vor Holland wäre für die Royal Navy nicht billig gekommen. So haben der Prinz und Gneisenau eigentlich nie wieder entscheidene Rollen im Krieg gespielt. Keiner von beiden ist mehr zur Verteidigung in Norwegens Fjorde aufgebrochen. Scharnhorst hingegen hat noch einige Zeit Murmansk-Convoys gegruselt. Aber auch dass war als Cerberus geplant wurde eher eine Nebenrolle. Man meinte im Führerhauptquartier sie dringend zur Verteidigung (!) Norwegens zu brauchen.

Wie man's wended, wie man's dreht war Cerberus ein Rückzug aber eben auch ein ausgesprochener Propagandaerfolg. So dummdreist mitten im Krieg durch den Englischen (!) Kanal zu fahren hatte seit dem Herzog Medina Sidona kein Feind der Britischen Krone mehr hinbekommen. Und es hat die  Briten sehr, sehr geschmerzt, dass es diesmal kein Gravelines gab.

Ciao,
Ufo

t-geronimo

Da haben wir es mal wieder par excellence: Das Kriegsglück!

Mal sind es die schon oft beschriebenen Glückstreffer, mal ist es eben ein nicht entdeckt werden bzw. nach der Entdeckung einige Fehlurteile (wie bei der "Weserübung" auch, denn auch die hätte leicht zum Fiasko werdeb können).

In diesem Fall waren es eben ein U-Boot, das mal Luft holen mußte und einige Flieger, die kaputt waren oder die die Funkstille nicht brachen. Und danach wohl noch ein paar Fehleinschätzungen.
Eigentlich war die britische Überwachungskette schon recht lückenlos. Bis auf eben diesen einen Augenblick.
Sonst hätte vermutlich eines der Schiffe gleich wieder umdrehen können wegen einem oder mehrerer Torpedos im Bauch.

Nur durch dieses Kriegsglück werden "große" Taten und Ereignisse eben oft erst möglich.


Zur These weiter oben, daß die Briten nur halbherzig angegriffen haben:
Warum sollten sie? Klar waren sie gewiss froh, daß die Schiffe wieder aus Frankreich weg waren.
Aber warum nicht gleich versenken, so die Möglichkeit besteht? Bei halbherzigen Angriffen mit der dann durchaus gegebenen Chance, daß sie sogar unbeschädigt entkommen, ist doch nur wieder der Stress vorprogrammiert, sich anderswo wieder mit den Schwestern und dem Prinzen rumbalgen zu müssen.

Die britischen (theoretischen) Möglichkeiten, was alles gegen einen Durchbruch aufgefahren werden konnte, hat ufo ja schon geschildert.
Da ist auch das oben schon erwähnte Buch "Durchbruch" von Potter eine ganz nette Lektüre, die die ganze Aktion recht minutiös aufdröselt.
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

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Mario

Die Briten hatten den Durchbruch erst ein paar Tage später erwartet, am 15. Februar war Neumond. Das britische U-Boot, das den Hafen von Brest überwachte, mußte die Batterien laden und das Flugzeug der ersten Überwachungslinie m,ußte vor einem deutschen Flugzeug abdrehen. Dabei wurde das Radargerät ausgeschaltet. Meine Vermutung ist, das die Briten fürchteten, ihr Radarsignal könnte eingepeilt werden. Als man das Gerät später wieder einschalten wollte, funktionierte es nicht mehr.
@ufo
Welche Einheiten der Royal Navy waren denn im Februar verfügbar ??? Laut der Website, die ich oben verlinkt habe, war HMS Renown für einem Truppenkonvoi im Atlantik vorgesehen, HMS Duke of York war noch nicht voll einsatzbereit. Blieben HMS King Georg V. und HMS Rodney, letztere recht langsam und reif für die Werft. Die Zerstörerflottillen der Briten waren mit Geleitschutzaufgaben extrem belastet.
Ich glaube auch nicht, das die Briten umfangreiche Vorkehrungen für ein Abfangen der Deutschen vorgenommen haben. Sowas läßt sich schwer geheimhalten, wenn plötzlich die gesamte Home Fleet im Firth of Forth vor Anker geht und sämtliche Flugzeuge nach Südengland verlegt werden.

Noch ein weiterer Einwand, der mir einfiel. Im Februar waren die Truppen für die Invasion Madagaskars von England aus Richtung Süden unterwegs. Für diesen Truppenkonvoi wurden große Teile der Flotte als Geleitschutz eingesetzt. Auch das dürfte der deutschen Spionage nicht entgangen sein.
Und was hat eigentlich die Tirpitz Mitte Februar getan ? ? ? Warum hat sie keinen Ablenkungsvorstoß unternommen, um die Home Fleet nach Norden zu locken ? ? ?

Spee

@ufo,

ich gehe bei meiner Annahme davon aus, das die Briten die Planung von "Cerberus" kannten. Dann doch lieber die schweren Einheiten in Deutschland als in Frankreich. Einen Murmansk-Konvoi mit drei Schlachtschiffen und 2 Trägern absichern ist halt einfacher, als 10 Konvois im Atlantik. Aber wie gesagt, wußten die Briten bescheid oder nicht?
Schwere Einheiten hätte die Briten m.E. für die Zerschlagung der "Cerberus"-Gruppe eh nicht gebraucht, daß hätten die Torpedobomber und die Zerstörer erledigt.
Servus

Thomas

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