Drehkreise und Ruder

Begonnen von Lutscha, 15 Mai 2006, 13:56:25

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

harold

@ Lutscha,

eben drum ist hier nichts "generalisierbar"; und ich hab auch bewusst keine Schiffsnamen dazugeschrieben.

Fragen sind : wie weit sind die Schrauben voneinander entfernt (sowohl in L als auch in B-Dimensionen), erkaufe ich mir mit fürs Steuern günstigen Schraubenabständen im Gegenzug lästige Interferenzen und Vibrationen, wieviel Fläche ist IM Schraubenstrom, wieviel "darüber" (dh. wie steil gehts aufwärts am Heck, salopp gesagt)... und noch so zwei Dutzend.

Vergleich mal Vanguard mit den Alaskas, fast alles verwandt, bis auf die Distanz Kielflosse - Ruder. Die erstere galt als sehr manövrierfreudig, die Alaska´s nicht.

Ja, eigentlich wünsche ich mir zu Weihnachten/Geburtstag/oder so dann mal ne Kombination aus Modelltank und Strömungsstrecke ... :) ...und DANN kommen VIELLEICHT exakte Einzelbeobachtungen heraus.

Harold
4 Ursachen für Irrtum:
- der Mangel an Beweisen;
- die geringe Geschicklichkeit, Beweise zu verwenden;
- ein Willensmangel, von Beweisen Gebrauch zu machen;
- die Anwendung falscher Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Josef

@ Harold,

ja, eine Teilung halte ich für sinnvoll. Ich habe gestern bei Evers noch mal alles durchgelesen, was da so über Ruder, Stoppstrecken und Fahrtmomente steht. Das waren etliche Seiten. Allerdings stecke ich schon in den Vorbereitungen für Hamburg (Bismarck-Treffen) und werde, bis das vorüber ist, kaum Zeit haben.

Freundschaftlich
Josef

harold

Hierorts nun abgetrennt die Beiträge zu Drehkreisen, Ruderkonfigurationen ...
Harold
4 Ursachen für Irrtum:
- der Mangel an Beweisen;
- die geringe Geschicklichkeit, Beweise zu verwenden;
- ein Willensmangel, von Beweisen Gebrauch zu machen;
- die Anwendung falscher Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Scheer

Sehr schön, dadurch wird es effektiver.
Frage:
In wie weit können sich, zusätzlich von Form und Größe des Ruders und dessen Lage, auch der Rumpf und die Neigung zu größerem oder kleinerem Krängen bei z.B. Hartruderlage auswirken. Ich könnte mir vorstellen das ein "Dickbauch" sich völlig anders verhält als ein eher "schlankes" Schiff. Das er also viel schwerfälliger reagiert. Andererseits neigt doch aber ein schlankeres Schiff doch zu einer größeren Krängung, jedenfalls nach meiner technisch nicht fundierten Meinung. Dies könnte dann aber wieder zu ungünstigerem Verhalten an Schraube und Ruder führen. Liege ich da falsch?

Wenn ich Harold´s Ausführungen richtig verstehe so ist die Ruderwirkung im Fall drei gar nicht mal so übel und es könnte eine schnelle Wirkung auf eine Hartruderlage erfolgen. Je nun, in diesem Fall erkenne ich das B-Schiff  :-) Habe ich das falsch verstanden, oder ist dieses Schiff bezüglich seiner (okay theoretischen) Ruderwirkung nicht mal so sehr von schlechten Eltern?

harold

Generell, n "schlanken" Schiffskörper definieren wir über seinen Blockkoeffizienten ... in diesem Fall nahe bei 0.5 oder sogar leicht darunter (dann wird´s aber schon seeeehr italienisch!); und auch über den prismatischen Koeffizienten (unter 0.48 wirds dann ebenfalls unglaubwürdig für ne größere Einheit).

Nach außen krängen tun se beim Kurven -je nach Lage des Massenschwerpunkts überm Formschwerpunkt- alle; je größer die MZH, desto weniger.

Bleiben wir mal bei den Ruder-Schrauben-Konfigurationen, und halten wir die wieder mal "hübsch allgemein":



1 - very sophisticated, Strahlanlenkung und Druckwirkung kombiniert;
2 - Strahlanlenkung über einen Tunneleffekt (bei diesem kurzen Schraubenabstand sind Vibrationen jeder Art allerdings garantiert!)
3 - Strahlanlenkung auch bei geringster Ruderfläche; jedoch beei so engem Schraubenstand ebenfalls Vibrationsgarantie.

Die -aus unsrer allgemeinen Theorie- voraussagbaren Effekte:
1 - dreht schnell an, vibriert bei höheren Einschlägen allerdings gewaltig, bei geringen nicht;
2 - dreht sehr langsam an, vibriert bei jeder Geschwindigkeit und jedem Rudereinschlag wie eine Nähmaschine;
3 - reagiert sehr schnell auf Ruder, vibriert bei auch leichtesten Einschlägen sehr stark.

Und die Vorteile:
1 - und 2 - extrem kursstabil; 3 - a wacklige Gschicht, was Kurshalten angeht (blöd für den AO), aber schnell im Kurven.

Jaaa - jetzt wird´s Zeit für Schiffbauer, dass er uns über heutige Entwürfe was erzählt...

Harold







4 Ursachen für Irrtum:
- der Mangel an Beweisen;
- die geringe Geschicklichkeit, Beweise zu verwenden;
- ein Willensmangel, von Beweisen Gebrauch zu machen;
- die Anwendung falscher Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Spee

"1 - very sophisticated, Strahlanlenkung und Druckwirkung kombiniert".
Das ist Musik in meinen Ohren bzw. Augen!!
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

Scheer

Ahh, noch schnell eine nette Lektüre vorm zu Bett gehen.

In 3. erkenne ich wieder unser B-Schiff (angenähert). Also immerhin schnelle Ruderwirkung. Ein Pluspunkt, lässt sich nicht zerreden !

Wilfried

Moin, moin zusammen!

Einmal eine Frage von einem schiffbautechnischen Laien; könnte man nicht den Herrn Flettner mal mit ins Spiel bringen? In dem man das letzte Viertel des Ruderblattes noch anlenkbar macht ...?

Mit einem lieben Gruß
der Wilfried
... Tradition pflegen, bedeutet nicht, Asche aufzubewahren sondern Glut am Glühen zu halten ...
http://www.passat-verlag.de
http://www.kartonskipper.com
http://www.forum-marinearchiv.de - wenn Marine Dein Ding ist!

Lutscha

Ich frag nachher mal bei Warships1 nach Daten für die Iowa. Für die Yamato werde ich wohl keine erhalten, aber ich frag trozdem.
Das ist ja barer Unsinn, wenn das stimmen würde, hätten SIE ja recht!

Typisch deutsche Argumentationsweise.

Lutscha

Von Brad Fischer:

For a South Dakota Class BB at 28 kts with 35° rudder (full rudder).

Time______Speed_____Heading Change
Execute____28kts_____0°
20________26.6kts____17°
40________22.0kts____48.5°
60________19.6kts____86°
80________18.5kts____123°
100_______18.1kts____160°
120_______18.1kts____197°
Das ist ja barer Unsinn, wenn das stimmen würde, hätten SIE ja recht!

Typisch deutsche Argumentationsweise.

harold

Danke für die Datensätze, Lutscha!

Ich habe die Tripel Zeit / Geschwindigkeit / Ruderlage vektoriell "übersetzt" (btw, beim letzten Tripel dürfte ein Tipp- oder Satzfehler sein, also für die geglättete Kurve nicht miteingerechnet).
Das sieht dann so aus:



Maßstab ist 1:10, dh. "30" sind 300 m; die Zeitangaben sind rot, die Vektoren ebenfalls.

Der Eindreh-Mittelpunkt liegt also bei etwa 385 m Bb, der Wendekreis bei etwa 320-330 m.
Sollten ähnliche Datensätze zu anderen Schiffen zu haben sein, immer mal herbei damit; ich denke, graphisch aufgeschlüsselt sind sie dann leichzer vergleichbar.

Ciao,
Harold
4 Ursachen für Irrtum:
- der Mangel an Beweisen;
- die geringe Geschicklichkeit, Beweise zu verwenden;
- ein Willensmangel, von Beweisen Gebrauch zu machen;
- die Anwendung falscher Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Scheer

Ehh, sauber.
Lässt sich das für BS aus Josefs Daten interpolieren ?
ZitatGeschw.       Ruder   Zeit bis Schiff dreht  Mittl. Drehkreis    Zeit ges.   Fahrtverlust  größte Krängung
  9,5 kn        15° Bb          0,46 min                1188 m       15,31 min      3,5 kn            1,5°
10 kn         Hartl. Bb        1,03 min                  785 m       13,18 min      5,1 kn            0,5°
20,4 kn        25° stb         0,30 min                  897 m         6,51 min      6,4 kn            1,5°

harold

@ Wolfgang,
im Prinzip ja... aber nur so pi mal Schnauze.

Da ich annehme, dass die Drehkreise für BS in Durchmessern vorliegen (eine Überschlagsberechnung legt dies jedenfalls nahe), wäre es interressant, von BS Daten bei einer vergleichbaren Geschwindigkeit wie SD zu bekommen (oder vice versa);

und so ganz grob gepfiffen:
das Rudermoment von BS dürfte bei 28 kn etwa um den Faktor 1.64 -1.72 höher sein (als bei 20 kn, geschwindigkeitsabhängig!); die Geschwindigkeit um Faktor 1.4 höher. Per purer Milchmädchenrechnung kann ich den Drehradius somit auf etwa  +/-360m bei 28 kn valuieren. Die Krängung schätze ich auf etwa 3.5°, den Geschwindigkeitsverlust bei Hartlage auf etwa 8.5 -10kn.

Für die Kurverei wären das 2.98 Schiffslängen/DM für BS, vs. 3.15 für die SD - für beide bei gleicher Geschwindigkeit (28 kn).

(Variablen, die ich hier unterschlagen habe, sind für beide Schiffe in einer Toleranz von etwa 2% ähnlich - darum hier vernachlässigt).
Aber ohne genauere Daten (zumindest drei Tripel Zeit:Geschwindigkeit:Lage bräuchte ich, zwei sind -wie bei jeder Bahnberechnung- zu wenig) kann ich wenig Seriöses machen, zumal ich nicht weiß, ob die Messung "Drehkreis" in der BS-Tabelle auf den Durchmesser des Drehkreises NACH Geschwindigkeitsverlust beim Andrehen oder auf einen Mittelung Hälfte-Kurs-zu-Gegenkurs  /  Radius-beim-Drehen sich bezieht ...

Gaaanz grob kann man behaupten, dass der Dreh-Radius auch von der Schiffsform abhängig ist, siehe:



...bei "hohlen" oder "feinen" Linien wirkt (bei gleichem Radius, gleicher Länge und gleicher Verdrängung) der "Sog" des Rumpfes zentrifugal (hier als Areal rot und als Kraft orange skizzert).
Nehmen wir an, Ruderlage, Ruderkonfuguration etc seien vollkommen identisch (blau skizzert), so sind doch diese Kräfte, die VOR dem Massenschwerpunkt angreifen, verschieden groß;
dh. im rechten Fall wird der gleich wie links angenommene Radius nicht zu halten sein.

Tja - Äpfel un´Birn vergleichen...

Harold

4 Ursachen für Irrtum:
- der Mangel an Beweisen;
- die geringe Geschicklichkeit, Beweise zu verwenden;
- ein Willensmangel, von Beweisen Gebrauch zu machen;
- die Anwendung falscher Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Josef

So liebe Kollegen,

ich habe nun mal den Evers, Kriegsschiffbau, gelesen. Keine Angst, ich werde jetzt hier nicht alles wiedergeben, was er zu den Themen Rudereinrichtung und Drehkreise schreibt, das sind etliche Seiten. Ich greife hier lediglich zwei Absätze heraus, die mir interessant erscheinen.
Auf Seite 451 schreibt er unter "Wirkung des Ruders am Schiffskörper", ich zitiere: Die Größe des Ruderdrucks hängt, abgesehen von der Flächen- und Querschnittsform des Ruders, von der Ruderfläche, dem Anstellwinkel zur Strömung und dem Quadrat der Strömungsgeschwindigkeit um das Ruder ab.Zitatende.
Drei Sätze weiter schreibt er: "Schiffe mit vor dem Ruder liegender Schraube drehen schneller an und haben daher unter sonst gleichen Bedingungen auch einen kleineren Drehkreisdurchdurchmesser". Zitatende.
Sehen wir uns die "Yamato" an, so sehen wir, dass diese 2 hintereinanderliegende Ruder hat, von denen das achtere (und größere) hinter den Schrauben liegt und das etwas weiter vorlich liegende Ruder vor den Mittelschrauben, aber hinter den Seitenpropellern liegt. Die Größe beider Ruderblätter liegt mit 62,5 qm rund 12 qm über denen der "BS" und die Ruderanordnung ist eine völlig andere wie bei "BS". Warum?
Ich mache hier mal einen Schlenker zurück zur Seite 358 bei Evers. Dort schreibt er unter Größe der Ruderfläche:
"Die Größe der Ruderfläche ergibt sich für einen bestimmten Schiffskörper aus der Geschwindigkeit und dem gewünschten Drehkreis; sie wird nach Erfahrungen mit ähnlichen Schiffen oder durch Modellversuche bestimmt. Die Größe der gesamten Ruderfläche wird gewöhnlich in Bruchteilen des Produkts aus Schiffslänge und der Konstruktionstiefe L x T angegeben. Zitatende.
Wir haben ja schon gelesen, dass z.B. die "Yamato" einen kleineren Drehkreis hatte und "BS einen größeren. Der kleinere Drehkreis ist wohl auf die größere Ruderfläche und die andere Anordnung zurückzuführen. Es könnte die Frage auftauchen: Haben die deutschen Konstrukteure das nicht gewußt? Ich glaube, das hieße "Eulen nach Athen tragen"! Vielmehr stolpern wir das Wort gewünschten. Diese Konstrukton ist also aus bestimmten Gründen ganz bewußt gewählt worden. Welche Gründe können gegeneinander aufgewogen worden und ausschlagebend gewesen sein, diese Drehkreisgröße als ausreichend zu betrachten? Ich glaube, wir sind uns einig darüber, dass hier nicht ein reines Ausweichen vor z.B anlaufenden Torpedos eine Rolle spielt.
Was kann uns Harold evtl. darüber sagen?

Freundschaftlich
Josef


harold

Danke, Josef!

Ausführlicher möcht ich mich morgen dazu melden, eventuell mit Zeichnungen; für heute grad dies:

"gewünschter" Drehkreis kann sehr wohl auch mit "nicht gewünschter Krängung" einhergehen; dh. auch abhängig von der MZH respektive dem Hauptspant-Querschnitt sein.

Sollten Datentripel wie Lutscha´s unten auftauchen oder Drehkreise genannt sein bei vergleichbaren Höchstgeschwindigkeiten, incl. Zeitbedarf bis zum Andrehen und zum Gegenkurs sowie Fahrtverlust, dann hab ich mir schon eine einfache Exponetialformel gefunden, mit der ich annähernde Bilder erstellen könnte.

Und die können wir dann mal miteinander vergleichen.

Heute leider ziemliche Zeitknappheit, sorry!

Ciao,
Harold
4 Ursachen für Irrtum:
- der Mangel an Beweisen;
- die geringe Geschicklichkeit, Beweise zu verwenden;
- ein Willensmangel, von Beweisen Gebrauch zu machen;
- die Anwendung falscher Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Impressum & Datenschutzerklärung