Drehkreise und Ruder

Begonnen von Lutscha, 15 Mai 2006, 13:56:25

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Achilles

Was ich immer schonmal wissen wollte:

Was ist eigentlich ein Notruder?

^^

Scheer

Ich hab das jetzt nicht alles durchgelesen, aber ihr habt es doch im Moment hauptsächlich über den Wendekreis.
Dieser kann ja schon alleine durch die grösstmögliche Ruderlage varrieren
Beim Ausweichen ist doch aber auch ein ganz anderer Punkt mit entscheidend. Und zwar die Zeit die das Schiff benötigt um auf das Ruderlegen zu reagieren.
In Josefs Tabelle also "Zeit bis Schiff dreht". Für ein Ausweichen ist ja nicht unbedingt eine große Abweichung von Ur-Kurs notwendig. Schon 10 - 15 Grad können entscheidend sein. Diese Kursabweichung muss aber möglichst schnell erfolgen. Wie groß dann der effektive Wendekreis ist, ist dabei erstmal zweitrangig.
Wie sehen da die Vergleichswerte aus?

t-geronimo

Für PG stehen da keine direkten Werte bei Schmalenbach, nur die Zeiten, wie lange man für einen Vollkreis brauchte.

@ Achilles:
Die Notruder waren zwei behelfsmäßig neu eingebaute Ruder, die per Menschenkraft oder über den Heckspill-Motor angetrieben wurden.
Guckst Du hier: http://www.collectrussia.com/sBoot/PG/action47.jpg

Einige Kommentare zum Notruder:
Die Drehkreise des Schiffes waren mehr als doppelt so groß wie zuvor mit normalen Rudern. Und es dauerte sehr lange, bis PG auf Ruderlegen reagierte.
Und unterhalb von 18 kn mußte zusätzlich mit den Schrauben gesteuert werden, da das Schiff schlecht auf das Ruder reagierte, v.a. bei Wind.
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

Scharnhorst66

Zitat von: Lutscha am 15 Mai 2006, 19:22:39
Hab hier was interessantes zu Wendekreisen gefunden: http://post.queensu.ca/cgi-bin/listserv/wa?A2=ind0504&L=marhst-l&P=14400

"Among naval architects, we generally consider a tactical diameter of up to
5 ship lengths to be satisfactory, and 3 ship lengths to be excellent."

Dann waren die Yamatos ja wirklich extrem manövrierfähig.

Es war übrigends die Fletcherklasse.

Hmm , jetzt hatten die Deutschen Schiffe die Ruder ja Paarweise neben einander ..
Die Yamato hatte zwei hintereinander .. könnte das evt. der Grund sein , warum Sie schneller drehen konnte ??

Evt. könnte Harold was dazu sagen ??
Welche Auswirkungen so Ruder nebeneinander / hintereinander haben..

Btw ..
meine noch in Erinnerung zuhaben , das der Bordflieger von PE sogar Abschüsse der angreifenden Torp-Flieger zu verzeichnen hatte !!
" Fehler sind normal , Irrtümer üblich , Informationen selten vollständig , oft unzutreffend und häufig irreführend "
Sound Military Decision 1936
Gruss Micha

Josef

Ein Wort an alle.

Wie die zu diesem Thema abgegebenen Statements zeigen, ist das Interesse doch sehr groß. Doch grundsätzlich ist zu bemerken, dass die hier angegebenen Werte, egal ob für Stoppstrecken als auch für die nachträglich ins Spiel gekommenen Drehkreise nicht vollständig sind. Der liebe Leser ist in der Folge geneigt, Vergleiche von Schiff A mit Schiff B anzustellen, die m.E. auf dieser Basis aber keinerlei Aussagewert haben. Die unvollständigen Werte resultieren wohl meist aus Büchern, in denen der Autor diese Werte in den Raum stellt. Die offiziellen Dokumente, die die Manövrierfähigkeit eines Schiffes beurteilen lassen, sind viel umfangreicher. Für echte Vergleiche ist vorab zu eruieren wie groß das Schiff ist und welcher Beladezustand zum Zeitpunkt der Teste vorliegt. Nachstehend führe ich hier einmal auf welche Faktoren außer Ort und Datum sonst noch für die Untersuchung der Stoppstrecken bzw. Fahrtmomente und der Drehkreise erfasst werden:

Stoppstrecken: Wassertiefe, Windrichtung und -stärke, Seegang, Anlaufkurs, das ausgeführte Maschinenmanöver (z. aus 10 sm voraus auf 3x AK zurück). In den entsprechenden Bemerkungen dazu wird auch die mittl. Umdrehungszahl der Propeller bei AKv, bei AKz und die prozentuale Maschinenleistung festgehalten.

Drehkreise:
Wassertiefe, Windrichtung und -stärke, Seegang, Anlaufgeschwindigkeit und -kurs, Ruderlage, Zeit bis Schiff dreht, Drehkreisdurchmesser. Festgehalten wird die erforderliche Zeit, die mittlere Umlaufgeschwindigkeit und der Fahrtverlust nach absolvierter 90°-Drehung und nach der 360°-Drehung. Gemessen wird auch die größte Krängung.

Liebe Kollegen, Ihr seht, dass das ein umfangreiches Thema ist und ich hier gerne zur Kenntnis nehme, welches Schiff
in wieviel Minuten einen Drehkreis absolvierte aber zu einer Beurteilung werde ich mich erst hinreißen lassen, wenn ich vergleichbare Werte habe.
Nichts für ungut!

Freundschaftlich
Josef

Scheer

Vollste Zustimmung, Josef.
Deine Ausführung zeigt deutlich, das manche Themen viel zu komplex sind als ds sie nur mit einigen wenigen ausgesuchten und isoliert betrachteten Werten behandelt werden könnten.
Erschwerend kommt sicherlich auch noch hinzu, das selbst Vergleiche zwischen offiziellen Dokumenten schwierig werden, und zwar dann, wenn bei Tests unterschiedliche Grundparameter angenommen wurden.

Gab es überhaupt nationenübergreifende Normierungen für Tests ?
Ich habe ja auch schon in anderern Themen erfahren, das es schon Unterschiede in der Ausführung der Meilenfahrten gab.
Eine Nation misst vielleicht unter 100% Last bei 90%iger Ausrüstung und Wassertiefen von min x Metern, eine andere bei voller Ausrüstung, aber dann auch bei 20%iger Überlast und Wassertiefen von y Metern (Achtung: dies sind nur hypothetische Werte, ohne explizite nationale Zuordnung oder Stimmigkeit)
Da müsste man dann wieder hochrechnen, mit allen Fehlerquellen, die reine Rechengänge nun mal haben können. Theoretisch errechnete Werte und praktisch erfahrene können ja immer differieren.
Schlüssige, korekkte Vergleiche werden unter solchen Umständen sehr schwierig.

Denoch wäre mal eine grundsätzliche Abhandlung über Begriffe wir Wendigkeit und deren bestimmende Faktoren mal ganz interessant. Da dürften viele Faktoren eine Rolle spielen. Nicht nur Rudergrößen und ihre Lage im Schraubenstrom, sondern auch Rumpfform oder Lage der Scharuben etc. Das wäre mal ein interesantes Feld für unsere "Techniker"

Lutscha

Inwieweit die gesuchten Werte für die Yamao in AotsY oder bei G&D stehen, kann ich gerade nicht nachgucken. (erst am we)

Da BS allerdings mit deulich geringerer Geschwindigkeit bereits einen um einiges größeren Wendekreis hat, siehts nicht sonderlich gut für sie aus.

Vielleicht brauchte die Yamato aber auch 20min bevor sie anfing zuwenden. :wink:

Laut G&D veringerten hintereinander liegende Ruder deren Effizienz.

Was gängige Testpraktiken angeht, sollte man vielleich mal nen Marinearchitekten fragen.

Im Übrigen will ich nicht mit "ausgesuchten" Werten irgendetwas verkaufen, mir fehlen vielmehr andere.
Das ist ja barer Unsinn, wenn das stimmen würde, hätten SIE ja recht!

Typisch deutsche Argumentationsweise.

Scheer

@Lutscha
ZitatDa BS allerdings mit deulich geringerer Geschwindigkeit bereits einen um einiges größeren Wendekreis hat, siehts nicht sonderlich gut für sie aus.

Vielleicht brauchte die Yamato aber auch 20min bevor sie anfing zuwenden.

Das ist aber, unter gewissen Unständen eben wichtig, auch wenn die 20min natürlich übertrieben sind (hab deinen Smilie zur Kenntniss genommen)
Es macht aber schon einen Unterschied, ob ein Schiff nach 10sek auf das Rudermanöver reagiert oder erst nach 20sek. Beim Ausweichen von Torpedos können diese Sekunden entscheidend sein.

ZitatIm Übrigen will ich nicht mit "ausgesuchten" Werten irgendetwas verkaufen, mir fehlen vielmehr andere.

Und genau hier liegt die Crux ! Mit fehlenden Werte wird das Gesamtbild nicht vollständig. Eben das gebe ich zu bedenken.

Spee

Zur "Yamato" aus "Anatomy of a ship":

The ship's turning ability was superior compared with other battleships. "Yamato's" tactical diameter was 640m, the advance diameter 589m giving a maximum heel of 9° when the ship was turned by the maximum rudder angle of 35° at a speed of 26knots. The small heeling angle in a turn was attributed to her metacentric height - GM = 2,88m during trials. Her rolling period was an impressively steady 17,5 seconds.
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

harold

Wie Josef ja gesagt hat, es ist müßig, Äpfel mit Birnen zu vergleichen ...
... also kann ich meine (sehr vereinfachenden Skizzen) zur Ruderwirkung auch nur recht allgemein halten (Ralf hat mal gemeint, "Sendung mit der Maus"; also ungefähr so :) )

Hier, skizziert, drei Fälle, von oben nach unten:

1 -Vierschrauber, mittige „Kielfinne“, 1 Ruder mittig (eventuell ein kleines noch davor)
2 -Vierschrauber, „double skegs“, 2 Ruder im Schraubenstrom
3- Dreischrauber, mittige Halbfinne als Wellenhose, 2 Ruder zwischen den Schraubenabströmungen

Für alle drei Fälle auf der linken Seite SEHR vereinfachte Anströmverhältnisse bei Fahrt geradeaus. Natürlich interferieren die Schraubenabströmungen etc – doch das blende ich hier ganz einfach mal aus, sind ja symmetrisch; OK?

Auf der rechten Seite Ruderlage ca 25° für alle drei Fälle.
Durch das „Querlegen“ des Ruderblattes entsteht auf der Lagenseite (hier „unten“) ein Überdruck, auf der Gegenlagenseite ein Unterdruck. Beide Kräfte gemeinsam greifen am Hebelarm Ruder-Massenschwerpunkt (grob gesagt Schiffsmitte-Ruderachse)  an und drücken den Rumpf in die gewünschte Richtung.

Soweit mal ... und jetzt zu den Schraubenabströmungen.
Natürlich ist es wünschenswert, diesen Effekt dadurch zu verstärken, dass die Ruderblätter im Schraubenstrom zu liegen kommen und diesen dadurch quasi „umleiten“ (tut man ja auch zB bei Doppel-Leitwerken von zweimotorigen Fliegern gerne).
Unser Fall 2 und teilweise auch 3 tun dies auch.



Aber : hoppala ! : es kann auch sein, dass bei härteren Ruderlagen die Schraubenabströmungen dermaßen interferieren, dass es zur Freisetzung nicht geringer Mengen von Sauerstoff kommt (es „schäumt“), und Sauerstoff, wie jedes Gas, ist sehr leicht zu komprimieren.
Heißt also nichts anderes, als dass der Druck, der auf der Lagenseite durch das Ruder aufgebaut worden ist, nun auf ein komprimierbares Gaskissen wirkt – und futsch ist der Effekt... leider.

Der Trick ist nun, die Interferenz der Abströmungen (hier sehr vereinfacht durch überkreuzte Linien angedeutet) und das Enstehen des „Gaskissens“ so weit wie möglich HINTER das Ruder zu verlegen, respektive das oder die Ruder so knapp wie möglich an die Schrauben zu bringen (3; und dies sorgt für wenig Treffer-Redundanz, leider...).

Schaun wir uns die drei Fälle nochmals unter diesem Aspekt an, so zeigt

1 – gute Ruderwirkung bei höheren Fahrtstufen, „Gaskissen“ bleibt eher achterlich vom Ruder, ein kleines Hilfsruder VOR dem Hauptruder könnte die Strömungsverhältnisse nur verbessern,

2 – gute Ruderwirkung bei leichten Einschlägen, bei größeren Einschlägen „wandert“ das „Gaskissen“ nach vorne und macht zumindest eines der beiden Ruder fast wirkungslos,

3 – sehr sensible Ruderwirkung bei geringen Fahrtstufen, auch bei hoher Fahrt und größeren Einschlägen bleibt die Ruderwirkung erhalten.

Ich nehme an, dass die hier grob skizzerten Heckformen jeder von euch zuordnen kann...

Und wie gesagt, Vergleiche sind müßig ... wenn im Fall 1 oder 3 die Doktrin dahintersteht, möglichst viel und schnell an Kurverei hinzulegen, um eventuellen Angreifern (und natürlich auch der eigenen Flak!) das Zielen schwer zu machen, oder im Fall 2 weniger Hartlagen gefahren werden sollen (und dabei das eigene Zielen einfacher sein soll); tja, das gibt halt einfach verschiedene Arten von "dem, was da am hinteren Ende so passiert".

Wenn´s interessiert, such ich in der nächsten Zeit mal ein paar Fotos zusammen, um unsere Kandidaten auch aus der Luft beim Rumkurven zu zeigen.

Harold

PS: den "Barn door stop" der "Whiskey" (von dem der ganze thread ja ausging) glaub ich auch einfach aus dém Grund nicht, weil dann beide Ruder unabhängig voneinander ansteuerbar gewesen sein müssten (also nicht gekoppelt) - und wenn jemand Unterlagen dazu hat, herbei damit!
Weder in G/D noch in den diversen websites dazu findet sich allerdings ein Hinweis...



4 Ursachen für Irrtum:
- der Mangel an Beweisen;
- die geringe Geschicklichkeit, Beweise zu verwenden;
- ein Willensmangel, von Beweisen Gebrauch zu machen;
- die Anwendung falscher Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Achilles

Zitat
@ Achilles:
Die Notruder waren zwei behelfsmäßig neu eingebaute Ruder, die per Menschenkraft oder über den Heckspill-Motor angetrieben wurden.
Guckst Du hier: http://www.collectrussia.com/sBoot/PG/action47.jpg

Einige Kommentare zum Notruder:
Die Drehkreise des Schiffes waren mehr als doppelt so groß wie zuvor .......

Danke, aber ich wollte eigentlich nur einen Zaunpfahl in Spee's Richtung schleudern, um ihn darauf aufmerksam zu machen, dass er aus KTB Eintragungen die während der Unternehmung "Zauberflöte" entstanden sind, nicht auf die prinzipielle Manövrierfähigkeit von Prinz Eugen schließen sollte  :wink:

Spee

@Achilles,

dann hau dir den Pfahl mal selbst an den Kopf  :-D !
Ich habe mit meinem Einwand nur klar gemacht, daß "Prinz Eugen" genau zu diesem Zeitpunkt nicht wendig gewesen sein kann.
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

Peter K.

Ergänzend zu HAROLD´s - wie gewohnt - toller Erläuterung vielleicht eine sehr grundsätzliche, schiffbauliche "Weisheit":

Je länger ein Schiff im Verhältnis zu seiner Breite ist, desto kursstabiler, aber auch weniger manövrierfähig wird es sein!
Anders ausgedrückt, je geringer das Verhältnis Länge zu Breite ist, desto wendiger ist das betreffende Schiff. Gleichzeitig wird es aber schwieriger auf einem geraden Kurs zu halten sein!

Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

Scheer

@Peter K.

du bist dir im klaren, das du dich gerade in die Nesseln gesetzt hast?  :O/Y

Das ist ein Punkt der gewaltig für das B (Blockkasten) - Schiff spricht. Uiuiui, das sehen aber einige hier gar nicht gern  :MLL:

Lutscha

Harold, inwiefern ist es müßig Vergleiche aufgrund der jeweiligen Doktrin zu ziehen, wenn eine Iowa beim Fall 2 deutlich wendiger als eine BS erscheint. (813 Yards bei 30kn) auch die Iowa war sehr wendig.

Zeigt im Übrigen auch, dass die von Peter genannte Gesetzmäßigkeit nicht immer zutreffen muss.

Vergleicht man dt. Schiffe, scheinen die gerade so im Toleranzbereich von 8 Schifflängen zu liegen, bzw. sind eher mittelmäßig, während es bei der Yamato und Iowa hervorragend aussieht.

Wenn sie nicht gerade ein um vielfach längere Zeit für den Kurswechsel benötigen (kann man das überhaupt erwarten?), sollten sie um einiger besser Torpedos ausweichen können, als es ein dt. Schiff konnte.

Was sagt den Schiffbauer dazu?
Das ist ja barer Unsinn, wenn das stimmen würde, hätten SIE ja recht!

Typisch deutsche Argumentationsweise.

Impressum & Datenschutzerklärung