Rechtfertigung von Kriegsverbrechen?

Begonnen von Dominik, 13 Juli 2006, 22:19:04

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Dominik

Hallöchen zusammen,

ich mal wieder! Momentan lese ich ja Ruge's "Entscheidung im Pazifik" (Danke Michael - liesst sich super, 3 Tage und schon 200 Seiten). Hierbei bin ich auf ein Zitat aus Morison's "History of the US Naval Operation in World War II, Vol. VI, S.62" gestoßen.

Hintergrund sind die Japanischen Truppenverstärkungen nach Neu-Guinea. Einer der Transporte wurde in der Schlacht um die Bismarck-See aufgerieben, alle Transporter und vier von acht Zerstörern versenkt. In den folgenden Tagen wurden Patrouillen durch amerikanische Jagdflugzeuge und Schnellboote durchgeführt und die im Wasser treibenden Soldaten mit Bordwaffen und Wasserbomben getötet.

Also, Morison schreibt:

"Es war eine grausige Aufgabe, aber eine militärische Notwendigkeit, da japanische Soldaten sich nicht ergeben; sie hätten das Land schwimmend erreichen und so die Garnison von Lae verstärken können; das musste verhindert werden."

Kurze Übersetzung: militärisch notwendig = ethisch vertretbar!

Wenn ich die japanischen Verluste zusammen rechne, komme ich auf eine Zahl von 1 - 2 Tausend!!! Meines Wissens nach wurde niemals Anklage gegen die Kommandierenden Stellen erhoben. Und wenn Morison dies in der offiziellen Abhandlung der Marine sogar rechtfertigt, wie werden ähnliche Kriegsverbrechen auf gegnerischer Seite (bspw. alliierte Kriegsgefangene als Schutzschilde auf der "Tone" im März 1944) zur heutigen Zeit gewertet? Ist die Haltung von Morison in der heutigen Geschichtsschreibung überhaupt noch tragbar? Wenn nein, wurden die Passagen entsprechend geändert? Wenn nein, warum nicht?

Wieder einmal Fragen über Fragen :D

Gruß

Dominik

Peter K.

"Das Recht war immer auf Seiten der Sieger!"

:-(
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

Blane

@Peter
Müsste der Satz nicht heissen:
"Das Recht war und ist immer auf der Seite der Sieger"
Schöne Grüsse
Christian

Peter K.

Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

Scheer

Als Moderator möchte ich hier nur mahnen und warnen.
Themen dieser Art können leicht "entgleisen" und zu "Rechtfertigungs- und Aufrechnungsthreads" werden.
Auch werden solche Threads leicht "persönlich", weil irgendjemand irgendwelche Aussagen "in den falschen Hals bekommt" !
Bitte achtet darauf !

Da meine Meinung zu derartigen Themen eigentlich klar sein sollte (ich mag´s halt nicht) werde ich zum Thema schweigen.

Danke !

ufo

Tja – um mal den advocatus diaboli hier zu spielen: "Der Verlierer hat auch immer leicht jammern"

Die Verwendung von Kriegsgefangenen (also nicht kämpfenden Truppen!) als Schutzschild stellte und stellt einen Bruch gültiger Vereinbarungen klar. Ein Soldat, der sich nicht ergeben hat ist ein Kriegsteilnehmer – Ende. Ob der Soldat mit einem Sturmgewehr auf den Verteidiger zielt, ob er tief unten im Bauch eines Truppentransporters auf den Torpedo wartet, oder ob er im Wasser strampelt ist – rechtlich – egal.
Es gibt keinerlei Kriegsvereinbarung, die sagt, dass man gegnerische Soldaten nur bekämpfen darf, wenn die gerade auf einen schiessen. Wenn deren Gewehre in siebzieg Fuss Wasser liegen, ist das doof für die aber das macht die nicht zu armen, zivilen (!) Schiffbrüchigen. Krieg ist nicht nett.

Diese Rechtslage hat sich nicht geändert. Das würde man Heute haargenauso machen.
Ich bin der Ansicht Krieg an Sich ist unzeitgemaess und boesartig und die groesste Gefahr geht aus von denen, die versuchen 'sauberen' Krieg zu verkaufen.

Ufo

Dominik

So, habe heut mal etwas recherchiert. Dabei stellte sich heraus, dass bis zum 12.08.1949 die 2. Genver Konvention vom 27.07.1929 "Genfer Abkommen zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken im Felde" galt. Da diese Gesetze aber durch die Abkommen von 1949 außer Kraft getreten sind, findet man heute kaum noch die Originaltexte im Internet. Gab es 1929 Regelungen für die Marine?

Deshalb nur soviel an Ufo:

II. Genfer Abkommen vom 12. August 1949 zur Verbesserung des Loses der Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen der bewaffneten Kräfte zur See (u.a. Art.4)

Die Rechtslage hat sich geändert. Ob man es man Heute haargenauso machen würde? Zumindest ist es heute defintiv völkerrechtswidrig!

@Scheer,
bislang läuft es zum Glück gesittet ab. Ein "Rechtfertigungs- und Aufrechnungsthread" soll es auch defintiv nicht werden. Mir ging es nur darum, dass ich es für moralisch bedenklich halte, wenn Morison die im Einfüungsbeitrag genannten Taten in seinem Buch als "in Ordnung" einstuft, während etwa zur gleichen Zeit seiner Autorentätigkeit genau diese Taten als völkerrechtswidrig klassifiziert werden. Und ob die offizielle Geschichtsschreibung der USN solche Passagen im Nachhinein ändert. Nicht mehr, nicht weniger.

Gruß

Dominik

Spee

#7
@Dominik,

den alten Text braucht es nicht, da die Japaner sich nicht aus dem Wasser retten lassen wollen, verwirken sie ihr Recht auf den Status eines Schiffbrüchigen Sie wiedersetzen sich ihrer Gefangennahme bzw. unternehmen einen Fluchtversuch aus dieser. Ergebnis bzw. Folgen sind bekannt. Selbst zu heutigen Zeiten wäre das Vorgehen eher nicht völkerrechtswidrig.
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

t-geronimo

Warum sollte Morisons Rolle nicht tragbar sein?
Er schildert doch anscheinend nur, wie damals gedacht wurde und wie damals dementsprechend gehandelt wurde.
Andere Autoren haben das ja auch getan, z.B. bei der Erschießung von Schiffbrüchigen durch U-Boots-Besatzungen, sei es im Pazifik oder auch im Mittelmeer (durch die Briten).

Sollten wir nicht eher dankbar sein, daß da nichts vertuscht oder verschwiegen oder verändert wird, sondern daß es offen angesprochen wird?
Zu ändern sind die Taten von damals nicht mehr, aber man kann seine Lehren daraus ziehen, auf das die Welt vielleicht ein klein wenig besser werde dadurch.
Und genau das hat man ja vielleicht auch (kenne mich mit dem Thema nicht aus) bereits 1949 getan und nach Analyse des 2. WKs erkannt, daß auch Schiffbrüchige, weil wehrunfähig, geschützt werden sollten, egal ob zivil oder militärisch?

@ Spee:
Ich sehe aber schon einen Unterschied.
Wenn sich die Schiffbrüchigen der Rettung entziehen - gut, dann kann ihnen niemand helfen.
Aber dann vorsätzlich noch auf sie zu schießen, könnte einen ganz anderen Sachverhalt darstellen.

Um solche Aktionen auf die heutige Zeit zu übertragen, müßte man den genauen Wortlaut der Genfer Konventionen kennen.
Habe jetzt aber keine Zeit zum Nachschlagen, muß gleich zur Arbeit... :-(
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

Spee

@T-G,

es geht ja in diesem Fall nicht um Schiffbrüchige mitten im Ozean, die ohne Rettung sowieso sterben würden, sondern um eine mögliche Verstärkung der Inselgarnision durch die Schwimmer, die ja versucht haben Land zu erreichen. Streng militärisch gesehen haben die Japaner sich ihrer Gefangennahme entzogen und damit versucht, ihren militärischen Auftrag zu erfüllen.
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

Ralf

#10
Ein Pilot der gerettet wird kann mit einem neuen Flugzeug neue Bomben werfen... (Szene: Jägerpilot schießt auf herabsegelnden Fallschirm)

Ich denke da immer so ein wenig an das Entstehen des V-Zeichens, oder Victory-Zeichens... Was sagt man so "schön" im Krieg und in der Liebe sind alle Waffen erlaubt... Es ist schon ein Paradoxem an sich diese beiden Worte in einem Atemzug zu nennen... Ich muss(te) diese Entscheidungen nicht fällen, somit erspare ich mir das...
Krieg ist Krieg. Ist der eine Tod, habe ich gewonnen...

Wir sitzen heute vor dem Internet und können darüber reden, was "richtig" oder "verkehrt" war... War es richtig, die 1900 Schiffbrüchigen der BS absaufen zu lassen? Klar, U-Boot Alarm... War es richtig auf Guernica oder Couventry Bomben zu werfen? Musste nach der 1. auch noch die 2. A-Bombe auf Japan geworfen werden? Es gab Entscheidungen dazu. Militärische...

KRIEG IST NICHT SAUBER!

Ich stelle mir vor, ich habe diesen "Fehler" die Japaner nicht im Wasser anzugreifen, schon einmal gemacht und verliere durch 500 gerettete und motivierte japanische Matrosen meine Einheit... Hätte ich bloß, ist zwar nicht OK, aber hätte ich bloß...

Diese armen Schweine da im Wasser. Daran muss ich denken... Das tue ich aber auch, wenn ich daran denke, das ca. 400 US- Matrosen von Haien gekillt werden, weil keiner einen Kreuzer vermisst... Es war glaube ich sogar der, der die 2. Bombe nach Okinawa brachte und auf der Rücktour durch ein japanisches U-Boot versenkt wurde... USS Pittsburg? Ich weiß es nicht...

Ich verstehe den Grund warum. Ich kann mir heute den Luxus erlauben und mit dem Finger wackeln und sagen Du Du Du, das macht man aber nicht... Ich weiß nicht, wie ich damals gehandelt und gedacht hätte... Aber wir sollten von unserem "hohen Ross" heruntersteigen wenn wir glauben zu meinen, dass wir irgend wie besser wären, oder anders oder richtiger entscheiden würden... In solchen Situationen in solchen Zeiten sei der geadelt, der es schafft, mit sich ins Reine zu kommen und sich nachher noch ins Spiegelbild gucken kann...  :| :|
Und das macht er mit sich selbst und später mit dem Chef (Jesu Papa) ab...
Gruß
Ralf
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,,Du kannst Dein Leben nicht verlängern und Du kannst es auch nicht verbreitern. Aber Du kannst es vertiefen!"
Gorch Fock

Spee

@Ralf,

ganz fein !

Btw, es war die USS "Indianapolis".
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

Ralf

Oh, danke Spee... Ich hatte die Idianapolis auch gerade gegoolt...  :O/S
Gruß
Ralf
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Gorch Fock

Dominik

@All,

mir geht es doch nicht um eine Analyse, ob diese Tat militärisch sinnvoll war oder nicht! Mir geht es um Morison's Haltung als Autor für die USN mind. 4 Jahre NACH dem Krieg zu einem Zeitpunkt, als die geschilderte Tat wirklich in den Stand eines Kriegsverbrechens erhoben wurde.

Gruß

Dominik

Ralf

#14
Dominik, dass dies ein Verbrechen ist, unbewaffnete - wenn sie es denn waren - ich sage mal Schiffbrüchige zu beschießen, ist für mich völlig klar... Aber wer will das denn heute be-, verurteilen?

Ich sage: Verbrecher! Und?
Oder ich sage: Militärischer super gelöst, menschlich nicht ganz astrein...

Du musst doch für Dich klarmachen, was richtig ist, oder nicht... Gefährlich wird es, wenn man dann alles über den ominösen Kamm scherrt. Was wissen wir denn an Fakten? Was wusste der Autor als Fakten? War er dabei? Vielleicht haben ja die Japaner kurz vor dem Untergang eine Drillingsflak ab montiert und konnten so das Ding schwimmend hoch haltend noch den Feind bekämpfen?? Vielleicht hat mit seiner Pistole noch gefeuert?

Stelle Dir vor, ich versenke die Yamato 300m vor dem wichtigesten Versorgungshafen des USN und 2500 Japaner schwimmen auf deine Wachbude zu, und Du weißt die Garnision hatte gestern Weihnachtsfeier und liegt voll in den Kojen... Hm, ich weiß nicht... Also der Gedanke liegt nahe, dagegen etwas zu tun... Moralisch richtig? Nie und nimmer... Überlebenswichtig? Scheinbar... Ich weiß es nicht... Aber können, dürfen wir das beurteilen?

Mit Absicht bringe ich hier an den Haaren herbei gezogenes, um es auf das für mich Wichtige zu reduzieren. Auf das Prinzip. Das ist wie mit dem Ziwi und seinen Argumenten gegen die Bundeswehr...
Gruß
Ralf
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Gorch Fock

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