Kampfgeist und Motivation der U-Boot-Waffe

Begonnen von M-54842, 11 Februar 2014, 19:21:41

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ufo

Schon eine spannede Fragestellung und sicher eine, die Wert ist weiterverfolgt zu werden. Uns zeichnet in manchen Aspekten ein ausgesprochenes Unverstaendnis gegenueber der Generation unserer Eltern / Grosseltern aus.

Das hat sicher zum einen mit unserer Auffassung vom Kriege zu tun. Was der Erste Weltkrieg – the war to end all wars – nicht recht geschafft hatte, gelang zumindest in Europa mit dem zweiten Weltkrieg. Menschaen waren (endlich) ausgesprochen entsetzt von der Vorstellung vom Kriege. Es ist dann nach 1945 relativ lange relativ friedlich geblieben in Europa. Sicher – wir hatten genug Atomwaffen um uns viele Male umzubringen aber sich eine Uniform anziehen und losziehen, um vielleicht totgeschossen zu werden ... das haben wir als Gesellschaft nach 1945 gluecklicherweise buchstaeblich verlernt (in Deutschland sicher mehr als in Schottland). 

Das war vorher anders. Von 1870/71 ueber 14-18 bis 1939-45 war Deutschland halt immer mal richtig im Krieg. Das war ein Stueck Normalitaet. Schoen, wenn kein Krieg war aber wenn halt Krieg war ging man eben hin. Der flapsige Spruch der Friedensbewegung "Stell Dir vor es ist Krieg und keiner geht hin" war wirklich ein Stueck tiefes Umdenken in der Deutschen Gesellschaft. Die Idee war den Generationen vor 1945 einfach fremd. 

Schliesslich mag unser Bild von Republik etwas schief sein. Uns erscheint das als erstrebenswerte Staatsform – vielleicht nicht perfekt aber ganz nett. Ich glaube die Weimarer Republik war im Wesentlichen gar nicht so toll. Ich glaube die war so im Alltagsleben mit erheblicher Armut, Aengsten, erheblicher politischer Instabilitaet, politischen Morden, politischen Unruhen behaftet. Die Erfahrung was man bekommt, wenn man aus einem Krieg gewissermassen 'aussteigt' war fuer die Generation, die das Ende 1918 miterlebt hatte, wirklich ganz wenig attraktiv. Mit einem Krieg quasi vor dem offiziellen Schlusspfiff aufhoeren kann nicht wie eine gute Idee gewirkt haben.

Und man hatte ja auch was zu gewinnen. Die 'rote Flut' aus dem Osten, die 'Mongolenhorden', die mussten zurueckgeschlagen werden. Das wuerde der Englaender bald genug einsehen und dann wuerde man Seite an Seite stehen. Ein wenig ironisch von der Muse der Geschichte, dass das dann tatsaechlich so lange nicht gedauert hat bis man auf der selben Seite war.
Hier denke ich war eine Tatsache, die der Mehrzahl der Deutschen im Dritten Reich nicht klar war: wie boesartig das eigene Regime wirklich war. Wenn die Westallierten einsehen wuerden, dass der Feind im Osten stand, wuerde der Krieg im Westen zuende gehen. Dann wuerde der Fuehrer, der ja den riesen Schlammassel Weimarer Republik so genial aufgeraeumt hatte – man erinnere sich mal: Weltwirtschaftskriese 1932 und nur vier Jahre spaeter Olympiade in Berlin; was ein Aufschwung – alles wieder in Ordnung bringen.
Dass diese 'Einsicht' der Westallierten undenkbar war, dass ein Zusammengehen mit dem Dritten Reich gegen die UdSSR nicht sein konnte, das ist glaube ich eine ausdrueckliche Nachkriegserkenntnis in Deutschland.

   
Und im ganz konkreten Beispiel – U-Bootwaffe ... natuerlich war denen auf allen Ebenen klar, dass das so toll nicht lief.

Aber aus den oben genannten Gruenden war halt 'einfach aufhoeren' nicht wirklich eine naheliegende Idee.

Und wie haette das auch gehen sollen? Weglaufen? Wohin? Ins faschistische Spanien? In die Schweiz, die so grosszuegig Fluechtlinge nach Deutschland auslieferte? Schweden vielleicht aber das lag weit weg fuer die meisten.
Na, und man stelle sich vor man desertiert, einen Monat spaeter schliessen die USA und England Frieden mit Deutschland und dann besiegt man gemeinsam den Bolschwismus und man selbst sitzt als Verfehmter den Rest seines Lebens in einem Spanischen Kaff. Hoffnung ist eine starke Droge! Hoffen auf Frieden im Westen. Hoffen auf Wunderwaffen. Hoffen, dass man ganz banal die naechste Feindfahrt mit einem Kurbelwellenschaden abbrechen muss. Hoffen dass der Zerstoerer einen in den Wasserschichten verliert, hoffen dass ...

Ich glaube die haben viel gehofft damals.

Und die hatten ein anderes Erleben und Begreifen von Kameradschaft und Pflicht. In'n Sack hauen ist auch ein Luxus, der erst mit einer sehr reichen und sehr satten Gesellschaft kommt. Heutzutage kann jeder einfach sofort mit dem, was er gerade macht aufhoeren und alles bleibt gut. Aussteiger gab es zu allen Zeiten aber diese Ich-geh-mich-ma-verwirklichen-Mentalitaet gab es wohl damals kaum. Man war Teil von etwas, gehoerte dazu – das mag die Firma gewesen sein, der Verein, die Einheit, das Boot. Dazugehoeren war viel, viel wichtiger als das in unserer heutigen Gesellschaft ist. Das schmiss man nicht einfach hin. 



Woher ich die Ideen, die ich da aufgeschrieb so habe ... ich lese viel und gern die Rundbriefe von Marine Offizier Crewen oder von U-boot Kameradschaften. Die waren nie fuer den oeffentlichen Verkehr gedacht. Da wird oft sehr freimuetig erinnert, erzaehlt, gedacht. Manche Erinnerungen vom Marineoffizieren, die von Kaiserreich bis zweiter Republik alles erlebt haben sind da auch ganz augenoeffnend; grad auch gelesen in einer gewissen Spannweite quasi von Ruge bis Tillessen.       

Ufo

R.B.

Zitat von: Big A link=topic=21227.msg237643#msg237643
Gilt auch für die U-Boote. Nochmal, die Einsatzspektren sind nicht zu vergleichen. S-Boote können sein (und waren es auch) ein "major pain in the ass". Auch andere Marinen können davon ein Liedchen singen (Tulagi, Surigao, um nur einige zu nennen)
Ein U-Boot kann sich vor allem vor oder nach einem (erfolgreichen) Angriff unter der Wasserlinie in Deckung verziehen, ein Schnellboot nicht. Deshalb baut man die ja, obwohl erheblich teurer.

Zitat von: Big A link=topic=21227.msg237643#msg237643
siehe Antwort von Achim, keine Besonderheit der U-Boot-Fahrer
Aber eine Besonderheit generell höher gestellter Soldaten. Der Matrose oder Heizer auf einem Minensucher oder Vorpostenboot dürfte weder "Tauchzulage" noch "Raumbeschränkungszulage" in dieser Höhe bekommen haben.

Aus unerfindlichen Gründen der Marinebürokratie sollen die Heizer jedoch eine "Hafenzulage" für jeden Hafentag bekommen haben.

Zitat von: Big A link=topic=21227.msg237643#msg237643
Auch eine Einzelmeinung aus persönlichem Erleben.
Warum soll die nicht generell stimmen?

Zitat von: Big A link=topic=21227.msg237643#msg237643
Und spätestens seit 1919 gibt es auf See für alle an Bord die gleiche Verpflegung, also auch hier kein Privileg.
Meines Wissens nur für alle an Bord eines U-Bootes. Also doch ein Privileg für U-Boot-Fahrer. Ein von mir im Netz gefundener Speiseplan von U-978 sieht für die Kriegszeit "April 1945" doch relativ gut aus, fast wie heute im Frieden: http://uk-muenchen.de/pdfBerichte/U978_hgge.pdf

Urs Heßling

moin,

Zitat von: R.B. am 12 Februar 2014, 15:43:43
Ich bin kein Experte für Schnellboote.
Die Selbsterkenntnis ist schon einmal lobenswert. Dann zeige Dich auch bitte den Argumenten von Fachleuten zugänglich und stütze Dich nicht auf Sekundärliteratur ab.

Zitat von: R.B. am 12 Februar 2014, 15:43:43
.. eine im Verhältnis zur Bootsgröße große und leistungsstarke Maschinenanlage mit hohem Treibstoffverbrauch. Das erhöht zwangsläufig die Brandgefahr auch bei leichtem Beschuss, z.B. aus den Bordwaffen von Flugzeugen oder duch die Flak von Überwasserschiffen.
Es ist mir kein Fall geläufig, in dem ein (deutsches!) S-Boot im oder nach einem Gefecht durch Brand des Kraftstoffs verlorenging.
Typische Verlustursachen waren Unterwassertreffer (Minen), Ausfall der Antriebsanlage durch Direkttreffer oder Brand durch einschlagende Munition.

Zitat von: R.B. am 12 Februar 2014, 15:43:43
Der Einsatz von Schnelbooten ist mein Wissens generell mit schnellen Erfolgen bei geringem eigenen Aufwand, aber im Gegenzug hohen Verlußraten verbunden.
Wo hast Du das denn her ?

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Trimmer

Prima Beitrag von Dir Jens -  top Ja und wenn R.B. hier schon den Speiseplan bringt - sieht ja gut aus - aber dann bitte auch den Teil der weiter oben steht wo das Brot verschimmelte usw.
Ja und zum Sold oder Löhnung. Also mein Vater hat auch Frontzuschläge bekommen - Panzer- plus Orden und Ehrenzeichen ( Motivation ). Hat leider nicht viel genutzt weil bei Kriegsende alles futsch war. Ja und solange die Feldküche nach vorne gekommen ist löffelten auch Offiziere und Mannschaft aus einem Topf.

Gruß - Achim - Trimmer
Auch Erfahrung erhält man nicht umsonst, gerade diese muß man im Leben vielleicht am teuersten bezahlen
( von Karl Hagenbeck)

Urs Heßling

moin,

Zitat von: ufo am 12 Februar 2014, 16:13:09
Und die hatten ein anderes Erleben und Begreifen von Kameradschaft und Pflicht. .. Man war Teil von etwas, gehoerte dazu – das mag die Firma gewesen sein, der Verein, die Einheit, das Boot. Dazugehoeren war viel, viel wichtiger als das in unserer heutigen Gesellschaft ist. Das schmiss man nicht einfach hin. 
Ja  top  :MG:
Martin van Creveld hat einiges dazu zu sagen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Martin_van_Creveld

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Big A

Die Verpflegung war an Bord für alle gleich - gleich gut oder schlecht...,

Ich habe lange genug mit dem verpflegungswesen der Marine zu tun (gehabt) und auf diesem Gebiet durchaus Kenntnisse, auch die Herleitung der verschiedenen Vpfg - Sätze und Zusatzvpfg.

Axel

@Jens: Klasse, wie immer, großes BZ
Weapons are no good unless there are guts on both sides of the bayonet.
(Gen. Walter Kruger, 6th Army)

Real men don't need experts to tell them whose asses to kick.

Trimmer

#21
Ja Axel - ohne Mampf kein Kampf oder wie die Verpflegung so die Bewegung  :-D

Achim - Trimmer

PS: wenn ich es richtig in Erinnerung habe betrug die Frontzulage 1 RM pro Tag beim Heer.
Auch Erfahrung erhält man nicht umsonst, gerade diese muß man im Leben vielleicht am teuersten bezahlen
( von Karl Hagenbeck)

M-54842

Zitat von: t-geronimo am 12 Februar 2014, 10:03:41
Wie gut hat denn wohl bei der U-Boot-Waffe der einzelne (v.a. untere Dienstgrade) die steigenden Verluste wahrgenommen?

Es gab m. E. vielfältige Ansatzpunkte, die Verluste zu bemerken, auch wenn man nicht Angehöriger des BdU-Stabes war.
Ich denke, dass sich die Verluste hauptsächlich durch Mundpropaganda herumgesprochen haben. In den Flottillen kannte man sich oft und die Verluste wurden bemerkt, wenn bestimmte Kameraden nicht zurückkehrten.
In den Flottillen hingen außerdem in den O-Messen Bilder von gefallenen Kommandanten, die zumindest den Offizieren direkt die Verluste vor Augen führen mussten. Durch Gespräche mit den Offizieren konnten auch Unteroffiziere und Mannschaften davon erfahren. In den Messen waren aber auch Mannschaftsdienstgrade als Ordonanzen tätig, die darüber berichten konnten.
Auch beim Leerräumen der Lasten in den Flottillen mit den Ausrüstungsgegenständen und Seesäcken nicht heimgekehrter Boote ergaben sich eindeutige Hinweise für das Stützpunktpersonal.
Nicht zu vergessen sind die bestens informierten Funker der Besatzungen, die in See oft genau mitbekamen, wenn Kameradenboote auf die Aufforderungen der BdU-Funkstelle nicht mehr reagierten. Und die Funker klönten natürlich mit dem Rest der eigenen Besatzung.   
 



   

R.B.

Zitat von: Urs Heßling link=topic=21227.msg237651#msg237651
Es ist mir kein Fall geläufig, in dem ein (deutsches!) S-Boot im oder nach einem Gefecht durch Brand des Kraftstoffs verlorenging.
Typische Verlustursachen waren Unterwassertreffer (Minen), Ausfall der Antriebsanlage durch Direkttreffer oder Brand durch einschlagende Munition.
Da brennt's scheinbar durch Treffer: http://ww2today.com/20th-november-1940-german-e-boat-sunk-off-southwold und da ohne Treffer: http://www.foerderverein-museums-schnellboot.de/s-boote/kriegsmarine/kriegsschaupl/aegaeis1944.htm

bodrog

da ohne Treffer: kurz im Gröner Bd. 2 nachschlagen

S 603 = jugoslawisches Beuteboot Orjen-Klasse mit Benzinmotoren

R.B.

Zitat von: Trimmer am 12 Februar 2014, 17:58:24
PS: wenn ich es richtig in Erinnerung habe betrug die Frontzulage 1 RM pro Tag beim Heer.
Siehe erstmal hier: http://www.lexikon-der-wehrmacht.de/Soldat/Besoldung.htm

und hier: http://www.uboatarchive.net/U-581INT.htm

Grundgehalt + Bordzulage + Wehrsold + Frontzulage + Tauchzulage + Raumbeschränkungszulage + Ehe_Geld(?) + Trennungszulage + Familienbeihilfe(?).

Urs Heßling

moin,

Zitat von: R.B. am 12 Februar 2014, 19:53:46
Da brennt's scheinbar durch Treffer:
Ja: scheinbar.
.. und das Besatzungsmitglieder beim 1. Treffer über Bord springen, glaube ich dann, wenn ich es in der Primärquelle lese.
Wenn Du hier anhand von Internet-Zitaten eine Diskussion wie im Thread "Tauchtiefen" beginnen willst, bitte sehr, aber ohne mich.

Ich habe "meine 2 Pence" als Teilbeitrag/Exkurs geliefert, bei den U-Booten muß ich mich, mangels Sachkenntnis, heraushalten.

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Langensiepen

#27
Ach Urs, mit Herrn R.B. zu " diskutieren" kann man sich ersparen. Ich hab das dazumal bei seinen hochwissenschaftlichen Lusitania "Berechnungen" erleiden dürfen.   ..und nun zurück anne Goltze wegen HSV im Abstieg  :cry::-D:angel:


Edit: ohne Einverständnis ist die Nennung des "Klarnamens" nicht gestattet. :SO/(

Kalli


R.B.


Urs Heßling

#29
moin,

Zitat von: R.B. am 12 Februar 2014, 21:33:16
Da ist die gewünschte "Primärquelle": http://www.uboatarchive.net/S38INT.htm
Danke.
Ich finde keine Erwähnung von "Feuer" oder "Über-Bord-Springen"  :?

EDIT: Ich habe es überlesen, der Text ist tatsächlich enthalten.

Ob es der Wahrheit entspricht ... ist eine andere Sache, da verschiedene andere Fehler in der Darstellung enthalten sind.

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

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