Deutsch-Britisches Flottenabkommen 1935 (mal anders)

Begonnen von Sven L., 15 November 2015, 17:51:34

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Sven L.

hallo Carsten,

du denkst zu sehr Bundesrepublikanisch:-D

Nimm es als gegeben hin, das die Weimarer Republik weiterhin bestand hat. Die Gelder für Reichswehr/Reichsmarine mußten zwar vom Parlament bewilligt werden, aber ansonsten hatte das Parlament/Regierung wenig Einfluß auf den Militäraparat.
Die Weichen wurden 1932 gestellt und dadurch dass ich die Republika als weiterhin bestehend annehme, impliziere ich ein weitesgehend friedliches Deutschland, dass seinen Platz in der Gemeinschaft wiederhaben möchte.
Aus diesem Grunde geht es hauptsächlich um den Umbauplan und die Frage inwieweit die Größe bzw. Grenzen des VV ad acta gelegt werden können. Der britische Vorschlag von 1935 sollte auch nur als Anhaltspunkt dienen und eine daraus sich ergebende Frage habe ich im (Vor)letzten Post von mir gestellt. Stichwort Marine und Frage 1.

Ich war vorhin noch kurz am "doktorn" um zu ergründen, ob man mit 82 Mio. RM für Neubauten pro Jahr auskommt. Ab 1935 sehe ich da Probleme und komme auf rd. 96 Mio. RM pro Jahr. Grundlage war das brit. Papier, ALLERDINGS habe ich die Zerstörerkomponente (Urs zuliebe  :-D ) erhöhte, da in einem Referentenentwurf des  Umbauplans Zerstörer erst um 1940 auf dem Programm standen. Wenn ich dem gefolgt wäre, würden die 82 Mio. RM ausreichen.

Und nun stell dir meine o.g. Fragen und beantwortensie dir bzw. uns.
Grüße vom Oberschlickrutscher
Sven


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Solange man seinen Gegner nicht bezwungen hat, läuft man Gefahr, selbst bezwungen zu werden.
Clausewitz - Vom Kriege

Matrose71

#346
Salve,


ich beantworte überhaupt keine Frage.

Ich warte mal was Urs dazu sagen wird!
http://historisches-marinearchiv.de/sonstiges/artikel/panzerschiff.php

ZitatNimm es als gegeben hin, das die Weimarer Republik weiterhin bestand hat. Die Gelder für Reichswehr/Reichsmarine mußten zwar vom Parlament bewilligt werden, aber ansonsten hatte das Parlament/Regierung wenig Einfluß auf den Militäraparat.

Ach ja! Du glaubst also die Verhandlungen mit den Entente Mächten 1934/35/36 führt die Marineleitung oder der Reichspräsident?

Tja und noch etwas, selbst im Kaiserreich musste der Marinehaushalt durch den Reichstag und hier befinden wir uns in einer Republik. Ohne Parlament kein Budget, ist ganz einfach und somit muss die Marineleitung sich nach der Regierung richten und nicht umgekehrt, wie du dir das anscheinend malen möchtest

Und was ich als gegeben hinnehme oder als wie auch immer innerlich bezeichne und mich dazu äußere, musst du schon mir überlassen.

Man kann sich die Welt nicht malen. hat glaube ich Alex dir auch schon gesagt.

Warum nimmst du nicht eine Militärdiktatur in Deutschland ab 1933 an, dann kann die Marineleitung ja schalten walten wie sie will?
Viele Grüße

Carsten

Tostan

#347
Zitat von: Matrose71 am 15 Dezember 2015, 18:05:22
Von einer völligen Aufgabe des Grosskampfschiffbaus bin ich nach wie vor nicht richtig überzeugt.
....
Was machst du dann politisch und rüstungstechnisch wenn Admiral Raider zum Vortrag 1938 und 1939 erscheint und dir mitteilt, dass die UdSSR die Sovetsky Soyuz Klasse und die Kronshtadt Klasse auf Kiel gelegt haben und 2 -4 davon in der Ostsee gebaut werden?

Von einer völligen Aufgabe war auch kaum die Rede - ein temporärer Baustopp wäre sozusagen die letzte Verteidigungslinie um Überhaupt eine Parität mit F/I zu erreichen. Mindestens sollte man schon freie Hand bei den restlichen Panzerschiffen erreichen mit großzügiger Tonnageaufstockung für die letzten. Dabei könnte man eine temporäre Reduzierung der Geschwindigkeit auf Nelson-Niveau als Verhandlungsoption mit einbringen wenn sich die Briten wirklich stur stellen.  Sobald GB auch wieder bauen darf, steht aus britischer Sicht einem Moderaten Grosschiffprogramm doch nichts mehr im Wege.

Und was passiert bei der Sovetsky Soyuz Klasse? Evtl. das was auch in der Realität passierte - neue Technologien zur Bekämpfung, zwangsweise sozusagen da man Schlachtschiffmäßig nichts entgegensetzen darf. Ohne einen "Alles was Fliegt gehört mir"-Reichsobermorphinisten der sich stur stellt, könnte man auch Marineflieger viel effektiver einsetzen. Und eine gute Marinefliegerei mit einer starken Aufklärungskomponente, enger Verbindung zu den U-Booten und technisch hochwertigen Waffensystemen bis hin zu Gleitbomben dürfte die enge Ostsee sehr ungemütlich werden lassen für Schlachtschiffe.

Außerdem wären diese Schiffe ein guter Vorwand für Nachverhandlungen zur Verkürzung des Baustopps - und auch wenn Washington dann noch bestand hat(mit Japan) könnte das das System
kippen da auch GB sofort mit dem Bau entsprechender Counterparts beginnen möchte.

Und zur Szenariozeit deutete wenig auf diese Möglichkeit hin. Das wäre absolute Kristallkugelleserei.

Zitat von: Halvar66 am 15 Dezember 2015, 18:32:34
Aus Sicht der Marineleitung:

  • Ist es erträglich auf 1 Panzerschiff lt. Umbauplan zu verzichten, aber dafür 2 wesentlich größere und somit kampfkräftigere bauen zu dürfen?

das wäre meiner Meinung nach absolut erträglich, denn für die alten Dickschiffans waren die PzSchiffe ja meines Wissens nach eh keine echten Schlachtschiffe.

Zitat von: Halvar66 am 15 Dezember 2015, 18:32:34
Aus Sicht der Politik:

  • Weiterhin Anlehnung an die Angelsächsischen Staaten suchen (insbesondere in Genf)?
  • Ausloten Aufhebung Rüstungsbeschränkungen in bilateralen Gesprächen mit der französischene Regierung, unter Berücksichtigung französischer Sicherheitsinteressen.

Anlehnung an die Angelsachsen wäre sinnvoll und wünschenswert, da diese ja D wohlgesonnener waren als F - und somit die einzigen Siegermächte welche D aus der Isolation helfen könnten. Auch beseten bei weiten nicht so tiefe ressentiments beiderseits wie bei F. Mit F kann und sollte man bilaterale Gespräche führen, aber wie gesagt, da sitzt tiefes Misstrauen, ich glaube kaum das D irgendwelche für F akzeptablen Garantien bringen könnte - vor allem im Bezug auf das für F brandgefährliche mögliche Bündnis D/I. Auch hier wäre wohl GB oder evtl. USA als Garantiemacht gefragt um den Franzosen die Ängste zu nehmen. Wenn also das ziel der Regierung die internationale Anerkennung ist, die Aufhebung der Isolation, führt kein Weg an den Angelsachsen vorbei.

Zitat von: Halvar66 am 15 Dezember 2015, 18:32:34
Nachtrag:
Es gibt keinen Verzicht bei den Großkampfschiffen!
Begründung:
Die Marine hat es geschafft sich in den Jahren davor nicht zu einer Küstenschutzmarine degradieren zu lassen und sie wird auch alles dafür tun dass dies so bleibt.

Von Verzicht ist keine Rede - nur von temporären Baustopp - außenpolitisch als Geste guten Willens, um GB ebenfalls den Bau von modernen Großkampfschiffen zu ermöglichen, innenpolitisch auch aus Haushaltszwängen. Die Baustopp-Zeit kann man nutzen um die Infrastruktur vorzubereiten etc.
Ich meine, oberstes Ziel ist es, Parität zu F/I zu erreichen - und wenn man dafür einige schmerzhafte aber temporäre Einschränkungen hinnehmen muss, dann sollte die Marineleitung das auch akzeptieren. Was ist denn mit 2x25kts Pötten gewonnen? Nichts- die Nachbarn können immer noch mehr und viel größere bauen!

Peter K.

Zitataber irgend etwas muss ab July 1934 im Gange gewesen sein, sonst hätten sie den Bau der Panzerschiffe D und E nicht einfach im July eingestellt und dann abgebrochen.

Ich bin zwar auch noch nicht restlos von der Theorie überzeugt, aber der Baustop im July 1934 spricht eigentlich dafür, dass ab dem Zeitpunkt schon hinter verschlossenen Türen verhandelt wurde.

ZitatKlar, wir wissen nicht, was hinter dem Baustopp für D+E lag, nur das es "politische Gründe" waren. Es kann sein, dass schon verhandelt wurde, kann aber auch sein, dass Adolf einen seiner Geistesbiltze gehabt hat.

Im Originaldokument M. 230/34 Gkds. vom 05.07.1934 an K, A (A IV), A I, B, BW und E liest sich das folgendermaßen:

ZitatNachdem der Reichskanzler dem Chef der Marineleitung gelegentlich der Rückmeldung des Kommandanten "Karlsruhe" am 27. Juni 1934 die Genehmigung erteilt hat, die beiden Panzerschiffe "D" und "E" als 3-Turmschiffe, also mit 9 - 28 cm, zu bauen und nachdem nunmehr feststeht, daß Frankreich zum mindesten die zweite "Dunkerque" in Bau gibt, hat der Chef der Marineleitung im Anschluß an den Vortrag von heute Morgen (A, A IV, K, BB, BW) heute Nachmittag folgendes angeordnet:
1.) Die beiden Panzerschiffe sind als 3-Turmschiffe (also 9 - 28 cm) zu bauen.
2.) Die Geschwindigkeit und die Panzerstärken sind möglichst der "Dunkerque" anzugleichen.
3.) ...
4.) ...

Nach dem 30.06.1934 (Röhm-Putsch) und dem Putschversuch in Österreich schlug die internationale Stimmung gegen Deutschland um und gleichzeitig gewann die dortige Aufrüstung schlagartig an politischer Bedeutung, wenngleich zunächst die Luftwaffenrüstung im Mittelpunkt des ausländischen Interesses stand. Die deutsche Marinerüstung wurde Ende Juli 1934 von englischer Seite mit "nothing of sufficient importance" beschrieben.

Deutsch-englische Flottensondierungsgespräche sind unter diesen Gesichtspunkten im Juli 1934 auszuschließen!
Allerdings wurde die spätere 35 % - Verhältnisklausel bereits ab 05.02.1934 in Marinekreisen diskutiert, jedoch in Vorbereitung einer möglichen deutschen Beteilungen an einer 1935 stattzufindenden Flottenkonferenz. Tatsächlich erfolgte dann am 27.11.1934 der deutsche Vorstoß zu einem deutsch-englischen Flottenabkommen.

Literaturempfehlung:

Norbert Theodor WIGGERSHAUS
Der deutsch-englische Flottenvertrag vom 18. Juni 1935
England und die geheime deutsche Aufrüstung 1933 - 1935
Bonn, 1972
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

Sven L.

@Carsten:

Ich habe auch nichts anderes geschrieben, als das Reichswehr u Marine das Geld vom Reichstsg bewilligt bekommt.
Grüße vom Oberschlickrutscher
Sven


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Solange man seinen Gegner nicht bezwungen hat, läuft man Gefahr, selbst bezwungen zu werden.
Clausewitz - Vom Kriege

Big A

Zitat
Ich habe auch nichts anderes geschrieben, als dass Reichswehr u Marine das Geld vom Reichstag bewilligt bekommen.

Aber impliziert, dass Marine u/o Reichswehr selbstständig über die Ausgaben entscheiden können. Mit Blick auf die Debatte um Panzerschiff A glaube ich nicht, dass sich ein demokratisches Parlament seines ureigensten Steuerungselements, nämlich der im deutschen Haushaltsrecht (damals Reichskassenordnung) verankerten Zuweisung nach Kapiteln und Titeln berauben lassen wird.

Kapitel ist ja ok (Wehretat), in den Titeln aber wurde und wird sehr wohl genauestens geprüft, wofür das Geld ausgegeben wird.
Ein demokratisches, sich dem Parlament unterordnendes Militär (so habe ich das Szenario verstanden) muss also glaubwürdig und nachvollziehbar darlegen, wofür im Einzelnen das Geld benötigt wird. Dazu braucht man (hier wiederhole ich mich) ein (Einsatz-)Konzept, eine mittel- und langfristige Finanzplanung sowie neben dem gewünschten Ausbau einer Flotte eine ebenso kostenaufwändige Landorganisation. Wird die Wehrpflicht nicht wieder eingeführt (warum sollte das ein Weimarer Parlament tun?) muss kostenintensiv geworben werden, der Ausbildungsbedarf steigt, d.h. größere Schulen usw usw usw. Einfach mal mehr Geld in den Raum zu werfen führt zu rein gar nichts.
Und noch eine Wiederholung: Vergesst mir die Logistik nicht, nicht nur die Versorgungsfahrzeuge, sondern auch die Ersatzteilbewirtschaftung, Kreislaufreserve, Bevorratung von Mengenverbrauchsgütern, POL...

Axel
Weapons are no good unless there are guts on both sides of the bayonet.
(Gen. Walter Kruger, 6th Army)

Real men don't need experts to tell them whose asses to kick.

Sarkas

#351
@Halvar66: Denk daran, wer bei der Marine die Entscheidungen fällt: Raeder. Der Schleicher-Plan stammt ziemlich sicher aus Raeders Feder, und darin ist von "Dickschiffen" jenseits der Panzerschiffe keine Rede, außer dem einen Flugzeugträger. Raeder wollte solchen Kram also nicht - bis 1933. Nach dem "Dunkerque-Schock" ging es auch nur um eine adäquate Vergrößerung der Panzerschiffe, um nicht mehr. Das erklärt auch die etwas sonderbare Entstehungsgeschichte von SH und GS (siehe Antworten #247, #248, #269, falls die Opis hier im Forum sie überlesen haben sollten). Einerseits wären Raeder wahrscheinlich zwei größere Panzerschiffe wichtiger gewesen als die Gesamtzahl der Panzerschiffe. Andererseits sah er sicher keinen Grund, hinter die Regelungen des VV zurückzufallen.

In dieser Haltung sehe ich einen der zentralen Knackpunkte für die Verhandlungen mit GB und (!) F. Der andere Knackpunkt ist die geforderte Parität mit Frankreich, die eben für Frankreich völlig unannehmbar ist.


DST

#352
Zitat von: Halvar66 am 15 Dezember 2015, 18:32:34
Es gibt keinen Verzicht bei den Großkampfschiffen!
Begründung:
Die Marine hat es geschafft sich in den Jahren davor nicht zu einer Küstenschutzmarine degradieren zu lassen und sie wird auch alles dafür tun dass dies so bleibt.

Dann erkläre doch mal bitte warum eine Marine mit ein paar hundert atlantiktauglichen U-Booten eine
Küstenschutzmarine ist. Oder gehören U-Boote jetzt nicht mehr zur Marine ?

Ganz neben bei , in WW1 haben U-Boote 6394 Handelsschiffe mit 11.848.702 BBRT versenkt.
Dazu kommen 100 Kriegsschiffe darunter 10 Linienschiffe.

Ich weiß das mit den ganzen Altkaiserlichen der Dickschifffraktion nicht gehen würde,
aber trotzdem wäre es eine deutliche verbesserung.

Fast übersehen

Zitat von: Big A am 16 Dezember 2015, 08:46:09
Und noch eine Wiederholung: Vergesst mir die Logistik nicht, nicht nur die Versorgungsfahrzeuge, sondern auch die Ersatzteilbewirtschaftung, Kreislaufreserve, Bevorratung von Mengenverbrauchsgütern, POL...

Axel

Wieviele U-Boote kann Deutschland wohl versorgen mit dem Aufwand den ein Flugzeugträger mit Geleit verursacht?
Und welches Waffensystem ist dadurch um Welten effizenter?

Und ja wir schweifen deutlich vom thema ab  8-)


mfg dirk


Urs Heßling

#353
moin,

Zitat von: Matrose71 am 15 Dezember 2015, 18:05:22
Damit ist auch eine ziemlich eindeutige Westbindung des Deutschen Reiches zumindestens an England gegeben, auf dem militärischen Sektor, vor allen dingen der Marine.
Der Begriff "Bindung" wäre mir zu stark, aber die Tendenz ist richtig.

Zitat von: Matrose71 am 15 Dezember 2015, 18:05:22
Was machst du dann politisch und rüstungstechnisch wenn Admiral Raider zum Vortrag 1938 und 1939 erscheint und dir mitteilt, dass die UdSSR die Sovetsky Soyuz Klasse und die Kronshtadt Klasse auf Kiel gelegt haben und 2 -4 davon in der Ostsee gebaut werden?
Wer bin "ich" .. ich nehme einmal an, der Reichswehrminister :wink:
- ich lasse prüfen, welche vertragliche Bindung für das DR besteht (siehe weiter unten),
- ich lasse die Möglichkeiten einer Finanzierung prüfen,
- ich frage Erich, ob er es für sinnvoll hielte, "Contras" zu bauen (er ist der Fachmann),
- ich erinnere mich an das Schicksal der Viribus Unitis und der Ostfriesland.

Zitat von: Halvar66 am 15 Dezember 2015, 19:59:06
Die Weichen wurden 1932 gestellt und dadurch dass ich die Republika als weiterhin bestehend annehme, impliziere ich ein weitesgehend friedliches Deutschland, dass seinen Platz in der Gemeinschaft wiederhaben möchte.
Gut. Das erste Interesse wäre dann eine Aufhebung des VV aus den von mir bereits genannten Gründen, u.a.
- Ansehen in der Welt
- Möglichkeit einer modernen Rüstung beim Heer und bei der Luftwaffe

Zitat von: Halvar66 am 15 Dezember 2015, 19:59:06
Nimm es als gegeben hin, das die Weimarer Republik weiterhin bestand hat. Die Gelder für Reichswehr/Reichsmarine mußten zwar vom Parlament bewilligt werden, aber ansonsten hatte das Parlament/Regierung wenig Einfluß auf den Militäraparat.
Das nehme ich so nicht an/hin : Das Parlament hat sowohl Etat- als auch Kontrollgewalt.
Ein "friedliches Deutschland .. [dein Zitat]" wird auch von Politikern geführt (siehe die von mir genannten Namen), die sich von der Admiralität/Generalität nicht so viel vormachen lassen.
Anmerkung: Mit Deiner Vorgabe eines "friedlichen Deutschland", in dem die Militärs aber weiter schalten und walten können, wie sie es in der WR taten, schaffst Du meiner Ansicht nach eine von vornherein gespaltene Thread-Ausgangssituation, die die Diskussion sehr erschwert.
Mein Vorschlag ist daher, uns auf eine eindeutige Ausgangssituation zu einigen, in der eine parlamentarische Kontrolle funktioniert und auch durchgeführt wird und in der die Marineleitung loyal und aufrichtig zum Reichswehrminister und der Reichswehrleitung steht.

Zitat von: Halvar66 am 15 Dezember 2015, 19:59:06
Aus diesem Grunde geht es hauptsächlich um den Umbauplan und die Frage inwieweit die Größe bzw. Grenzen des VV ad acta gelegt werden können.
.
Der Umbauplan stammt aus der Schleicher-Zeit (auch wenn ggf. schon vorher an ihm gearbeitet wurde), muß also mit einer kritischen Distanz gesehen werden.

Es geht doch darum, eine alternative Marinerüstungsplanung logisch stringent zu beginnen und zu entwickeln. Wenn die "Anfangslogik" nicht stimmt, wackelt das Gebäude von vornherein.
Daher biete ich folgende (meine :wink:) Logik an :
1. Das eindeutige politische Hauptziel des DR ist die Aufhebung des VV. Ein vertraglich festgelegtes Unterschreiten der dort vorgegebenen Marine-Rüstungsgrenzen wäre im Rahmen des Erreichens dieses Hauptziels hinnehmbar, wenn nicht eine direkte Bedrohung durch einen Nicht-Signatarstaat wie die SU besteht.

2. Es gibt keine glaubwürdige Möglichkeit, einen der Signatarstaaten des VV, insbesondere GB, durch eine Androhung oder den Beginn eines intensivierten Schiffbauprogramms zu Verhandlungen zu veranlassen. Der finanzielle Spielraum reicht kaum für ein "Füllen" der Bedingungen des VV mit modernen Schiffen. Abgesehen davon widerspräche ein solches Vorgehen der Vorgabe eines "friedliebenden DR". Der Verhandlungsweg muß daher der der "Konzilianz" sein.

3. Eine Möglichkeit der Aufhebung des VV sähe ich in einem allgemeinen (auch Land und Luftwaffe) Abrüstungsvertrag, in dem das DR die Möglichkeit bekommt, Heer und Luftwaffe zu modernisieren, aber sich auf (auszuhandelnde) glaubwürdige Defensivstärken beschränkt. Mit einem solchen Vertrag wäre zwangsläufig die von Carsten genannte "Westorientierung" verbunden.

4. Auch unter diesen Einschränkungen bestünde für Heer und Luftwaffe ein großer Nachholbedarf an Investitionen. Der "Reichswehrtopf" kann angesichts weiterer arbeitsplatzschaffender nötiger Investitionen des Reiches im Innern (Autobahnen ?) nicht wesentlich vergrößert werden.
(Kurioserweise bestünde bei einem solchen Vertragswerk für eine "an sich" denkende Leitung der Marine ein Impuls, das Ganze zu torpedieren :-D)

5. Gleichzeitig bestünde in der RM ein neuer Investitionsbedarf für die hinzugekommenen Felder "Unterseeboote" und "Seeflieger", bei denen (siehe Axel) auch die Logistik ganz neu aufgebaut werden muß.

6. Abgesehen von der von Carsten genannten politischen Bedeutung sehe ich keinen sachlichen Grund, eine Parität mit Frankreich zu fordern und durchzusetzen. Frankreich muß zwei vollkommen getrennte Meere abdecken (keine Kriegsschiff schafft es durch den Canal du Midi :-D) und hat überseeische Gebiete am Mittelmeer, in der Karibik und im Indischen Ozean. Eine "Parität" wäre gleichbedeutend mit einer deutschen Überlegenheit im nordeuropäischen Küstenbereich bzw. im Atlantik.

7. Bei den zur Zeit bestehenden Schiffszahlen besteht ein Defizit in der Zahl der Geleitfahrzeuge gegenüber der der großen Einheiten (zur Zeit: 1:1)

8. und letzter Punkt: Unter diesen Rahmenbedingungen wäre konkret zu entscheiden, mit welchen Prioritäten ein Schiffbauprogramm weitergeführt wird. Konkret heißt: sind 6 moderne Panzerschiffe ein "Minumum", könnte ihre Zahl noch reduziert werden oder reichen diese (für was, genau ?) nicht aus ?

Abschließend: ich plädiere für einen (vorläufigen (s.o.) Verzicht auf den Schlachtschiffbau, weil dies
a) ein eindeutiges, glaubwürdiges und global sichtbares Signal des "friedlichen" DR ist,
b) der Schlachtschiffbau zu dieser Zeit angesichts der Luftrüstung bereits an Glaubwürdigkeit verliert
c) ein Schlachtschiffbau für das DR (nach einer allerdings erst einige Jahre später bestehenden Erkenntnis) seestrategisch kaum Sinn macht.

Ich hoffe, mit dieser Darstellung ein logisch stabiles Gebäude geschaffen zu haben, in dem eine konkrete Planung stattfinden und an dem sich eine sachgerechte Diskussion entzünden kann.

Wenn es zu sehr "ex-post" wirkt, muß ich diesen Vorwurf hinnehmen, ich bin aber anderer Meinung.

Gruß, Urs



"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Matrose71

#354
Hallo Urs,

soweit in großen Teilen nachvollziehbar und eingebettet in eine Strategie ("Westbindung" vornehmlich an GB und die USA)

1. Es muss eine klar geregelte Eskalationsklausel her, für nicht Signaturstaaten und auch für Signaturstaaten (Frankreich)

2. Der Vertrag gilt nur für 10 Jahre (damit auch der Verzicht auf Grosskampfschiffe)

3.
Zitat3. Eine Möglichkeit der Aufhebung des VV sähe ich in einem allgemeinen (auch Land und Luftwaffe) Abrüstungsvertrag, in dem das DR die Möglichkeit bekommt, Heer und Luftwaffe zu modernisieren, aber sich auf (auszuhandelnde) glaubwürdige Defensivstärken beschränkt. Mit einem solchen Vertrag wäre zwangsläufig die von Carsten genannte "Westorientierung" verbunden.

Das ist mir wesentlich zu weit gefasst aus mehreren Gründen, die auch ex ante abzusehen waren/sind.

Man kann sich auf Obergrenzen einigen, bei Friedensstärke von Heer und Luftwaffe, aber das Verbot von technischen Entwicklungen, ist gerade in dieser Zeit nicht hinnehmbar.

Z.B. Heer, siehe Dezemberprogramm 1933, Heeresaufbau bis 1. April 1939.
Darin sind 25 Divisionen enthalten mit 30000 Mann Friedensheerstärke, dass halte ich für annehmbar, allerdings ist es Sache des DR uneingeschränkt, welche Divisionen aufgestellt werden und mit was sie technisch ausgerüstet werden.

Das gleiche gilt analog für die Luftwaffe. (hier müßte man noch Zahlen suchen und finden)

Gerade in der damaligen Zeit, war schon die "friedliche" technische Entwicklung im Bereich Flugzeuge, Panzer, Motorentechnik, Elektronik/Elektromechanik etc. etc. dermaßen rasant, dass man sich unmöglich Entwicklungsverbote auferlegen lassen kann, ohne Gefahr zu laufen, in diesen Bereichen auf Jahrzehnte, Rüstungstechnisch abgehängt zu werden.

4. Wichtig wäre noch bei den Geleiteinheiten, gerade im Bereich Zerstörer, auf den Wegfall von Tonnagegrenzen (zumindesten auf 2000ts) hinzuarbeiten, um am eingeschlagenen technischen Weg der Dieselentwicklung festthalten zu können.

Soweit mal auf die Schnelle.
Viele Grüße

Carsten

Sarkas

Hallo Urs,

hierzu einige stichpunktartige Anmerkungen zu der von Dir beschriebenen Ausgangssituation:


Zitat von: Urs Heßling am 16 Dezember 2015, 15:23:31
Ein vertraglich festgelegtes Unterschreiten der dort vorgegebenen Marine-Rüstungsgrenzen wäre im Rahmen des Erreichens dieses Hauptziels hinnehmbar
Das halte ich zu der Zeit nicht für mehrheitsfähig, und bei der Marine wurde es strikt abgelehnt.

Zitat
2. Es gibt keine glaubwürdige Möglichkeit, einen der Signatarstaaten des VV, insbesondere GB, durch eine Androhung oder den Beginn eines intensivierten Schiffbauprogramms zu Verhandlungen zu veranlassen.
Als Veranlassung reicht - einfach gesagt - ein Telefonanruf. Man muss nur was anbieten können.

Zitat
Der finanzielle Spielraum reicht kaum für ein "Füllen" der Bedingungen des VV mit modernen Schiffen.
Warum? Eine Zielflottenstärke sagt nichts über den Zeitraum aus, in dem man sie erreichen will.

Zitat
3. Eine Möglichkeit der Aufhebung des VV sähe ich in einem allgemeinen (auch Land und Luftwaffe) Abrüstungsvertrag, in dem das DR die Möglichkeit bekommt, Heer und Luftwaffe zu modernisieren, aber sich auf (auszuhandelnde) glaubwürdige Defensivstärken beschränkt. Mit einem solchen Vertrag wäre zwangsläufig die von Carsten genannte "Westorientierung" verbunden.
MacDonald-Plan, Genf 1933.

Zitat
6. Bei den zur Zeit bestehenden Schiffszahlen besteht ein Defizit in der Zahl der Geleitfahrzeuge gegenüber der der großen Einheiten (zur Zeit: 1:1)
Na und? Wenn Groener weiter Minister ist, wird er zuerst bauen lassen, was dem VV entspricht.


Ansonsten: Zustimmung!  top


Urs Heßling

moin, Carsten,

1.- 4. ja, 2 mit Option auf Verlängerung
Zitat von: Matrose71 am 16 Dezember 2015, 16:16:53
Man kann sich auf Obergrenzen einigen, bei Friedensstärke von Heer und Luftwaffe, aber das Verbot von technischen Entwicklungen, ist gerade in dieser Zeit nicht hinnehmbar.
.. allerdings ist es Sache des DR uneingeschränkt, welche Divisionen aufgestellt werden und mit was sie technisch ausgerüstet werden.
So war das von mir auch gemeint.

Zitat von: Matrose71 am 16 Dezember 2015, 16:16:53
Gerade in der damaligen Zeit, war schon die "friedliche" technische Entwicklung im Bereich Flugzeuge, Panzer, Motorentechnik, Elektronik/Elektromechanik etc. etc. dermaßen rasant, dass man sich unmöglich Entwicklungsverbote auferlegen lassen kann, ohne Gefahr zu laufen, in diesen Bereichen auf Jahrzehnte, Rüstungstechnisch abgehängt zu werden.

4. Wichtig wäre noch bei den Geleiteinheiten, gerade im Bereich Zerstörer, auf den Wegfall von Tonnagegrenzen (zumindesten auf 2000ts) hinzuarbeiten, um am eingeschlagenen technischen Weg der Dieselentwicklung festthalten zu können.
Das hatte ich schon versucht, anzusprechen: hier ergibt sich für Deutschland dann auch die Chance, beim Dieselmotorenbau (Land) und beim Kleinschiff- und später U-Boot- sowie Dieselschiffsbau für andere Länder eigene Arbeitsplätze zu schaffen.

Zitat von: Sarkas am 16 Dezember 2015, 16:17:50
Zitat von: Urs Heßling am 16 Dezember 2015, 15:23:31
..Unterschreiten ..
Das halte ich zu der Zeit nicht für mehrheitsfähig, und bei der Marine wurde es strikt abgelehnt.
Wie schon gesagt, halte ich es als "Bauernopfer" für ein Ende des VV für klar mehrheitsfähig.
Ablehnung: de facto ist der VV beim Stand I/33 doch schon klar unterschritten :
Die Flotte verfügt noch über Hessen, Schlesien, Schleswig-Holstein und die neue Deutschland. Es ist praktisch, mehr oder weniger, eine Anerkennung des "Status quo".

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Matrose71

Salve,

aus innenpolitischen Gründen und um eine eventuell aufkommende Kritik an solch einen Vertrag noch weiter zu dämpfen, sollte auch über das Rheinland verhandelt werden.

Allerdings habe ich hier noch nicht so brauchbare Vorschläge. Vielleicht eine Obergrenze der "Garnisonen", Standorte der Reichswehr.

Allerdings dürfte mit der Aufhebung des VV, sowieso das Rheinland wieder "komplett" zu Deutschland gehören. Auf alle Fälle wäre es aus innenpolitischen Gründen wichtig, den Status zu klären/verändern, wenn das mit Aufhebung des VV nicht passieren würde.
Viele Grüße

Carsten

Tostan

Zitat von: Urs Heßling am 16 Dezember 2015, 15:23:31
6. Abgesehen von der von Carsten genannten politischen Bedeutung sehe ich keinen sachlichen Grund, eine Parität mit Frankreich zu fordern und durchzusetzen. Frankreich muß zwei vollkommen getrennte Meere abdecken (keine Kriegsschiff schafft es durch den Canal du Midi :-D) und hat überseeische Gebiete am Mittelmeer, in der Karibik und im Indischen Ozean. Eine "Parität" wäre gleichbedeutend mit einer deutschen Überlegenheit im nordeuropäischen Küstenbereich bzw. im Atlantik.

Neben der von Carsten genannten (aussen)politischen Bedeutung gibt es auch noch eine nicht zu unterschätzende Innenpolitische. Eine Regierung die es erreicht, dass man mit F wieder "auf Augenhöhe" steht, hat innenpolitisch einen wichtigen Sieg errungen. Wobei - es geht erst mal immer noch um ein bilaterales Abkommen, das als erstes den VV zum Altpapier verschiebt. In der Realität hatte F bei dem Abkommen auch nichts zu melden - und hat sich im Gegenzug gegen eine deutsche Teilnahme bei London 36 gesperrt.

Wobei - ich persönlich glaube, auch in der Realität ist das Washington-System zum scheitern verurteilt. Japan bleibt gleich, F/I auch.

Zitat von: Urs Heßling am 16 Dezember 2015, 15:23:31
c) ein Schlachtschiffbau für das DR (nach einer allerdings erst einige Jahre später bestehenden Erkenntnis) seestrategisch kaum Sinn macht.

Das ist 1935 Glaskugelleserei! So klar war das damals weltweit niemandem, alle haben weiter auf die BB gesetzt. Wobei wohl gerade ein noch vertraglich arg eingeschränktes Deutschland da Impulse setzen könnte weil man gezwungen ist, alternativen zu entwickeln.

Zitat von: Matrose71 am 16 Dezember 2015, 16:48:15
aus innenpolitischen Gründen und um eine eventuell aufkommende Kritik an solch einen Vertrag noch weiter zu dämpfen, sollte auch über das Rheinland verhandelt werden.

Das wird wohl schwer, da F vermutlich vorerst nicht mit verhandeln würde.

Sarkas

Zitat von: Urs Heßling am 16 Dezember 2015, 16:35:05
Wie schon gesagt, halte ich es als "Bauernopfer" für ein Ende des VV für klar mehrheitsfähig.
Ablehnung: de facto ist der VV beim Stand I/33 doch schon klar unterschritten :

Vielleicht kannst Du etwas konkreter beschreiben, was mit "Unterschreiten ist hinnehmbar" gemeint ist. Praktisch wird es ja so ablaufen, dass sich die Verhandlungen über Monate/Jahre hinziehen, zzgl. diverser Übergangsfristen nach Vertragsabschluss. Die bestehende Flotte (ohnehin zu klein :wink: ) altert währenddessen weiter vor sich hin, Geld für einen langsamen aber beständigen Weiterbau ist aber da. Und (ja, Du bist kein Fan davon) ein wenig Druck auf die andere Seite ist auch nicht verkehrt.


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