Deutsche Schlachtschiffe als Raider gegen Geleitzüge

Begonnen von J.I.M, 15 März 2017, 18:17:11

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delcyros

Axel,

kannst du mit belastbaren Zahlen belegen, wieviel Versorgungsgüter in welchen Zeitabschnitten für eine TF (2 BB, 2 CA oder PBB) herangebracht werden müssen, und was die vorhanden Versorger zu leisten imstande waren?

Auf einer solchen Basis könnte man ja dann weiterdiskutieren. Danke!

an alle anderen,

eine gute Einsicht in die strategischen Überlegungen von Raeder kann man aus seinem dreibändigen Werk zum Kreuzerkrieg im I.WK. entnehmen, dass er in seiner Stelle im Marinearchiv nach dem Ende des Krieges verfasste. Evtl. ist das ja auch einen Blick wert?

Urs Heßling

#136
moin,

Zitat von: Götz von Berlichingen am 28 März 2017, 22:27:57
Man hat gewollt .. die ganze Kampfgruppe mit TP, HP, LW, SC im Juli 1942 gegen PQ 17
Minimal-Korr: ohne Lützow; die war durch Grundberührung beschädigt

Zitat von: Götz von Berlichingen am 28 März 2017, 22:27:57
Sowohl HP als auch SC kehrten ja Anfang 1941 nicht durch die Island-Faröer-Enge, sondern durch die Dänemarkstraße unentdeckt heim. Das wäre vermutlich Ende März auch noch für SH & GU möglich gewesen. Meiner Erinnerung wurde Suffolk erst kurz vor Rheinübung mit dem verhängnisvoll leistungsfähigen Radar ausgerüstet.
Nicht "Anfang 1941" sondern Durchbruch Hipper am 23.3., Scheer am 26.3.41 : also ein klares ja.
Ja auch zu Suffolk, aber andere brit. Kreuzer hatten Radar bereits früher.


Zitat von: Matrose71 am 28 März 2017, 22:51:22
Es gab diese Infrastruktur und auch die Schiffe für die Versorgung!
Ja, es gab sie und sie hat auch gut :TU:) funktioniert, aber es fehlte eine "Stabilität", will sagen, das System stand unter hohem Risiko der Entdeckung (anders als USN im Pazifik)
Nach dem Rundumschlag gegen die Tanker nach "Rheinübung" gab es mW nur noch wenige Versorgungen für Thor (2. Fahrt), Michel und Stier durch Charlotte Schliemann.


Zitat von: delcyros am 29 März 2017, 15:48:19
kannst du mit belastbaren Zahlen belegen, wieviel Versorgungsgüter in welchen Zeitabschnitten für eine TF (2 BB, 2 CA oder PBB) herangebracht werden müssen, und was die vorhanden Versorger zu leisten imstande waren?
Ich kann Dir zumindest ein Beispiel einer Versorgung nennen [Zitat aus Chronik des Seekriegs]
21.– 22.7.1945
Zentralpazifik

Größte Versorgungsaktion des Krieges zur See. Die US-Task Group 30.8 (RAdm. Beary) mit Führungskreuzer Detroit, den Geleitträgern Chenango, Thetis Bay, Hollandia, Roi, Munda, Gilbert Islands, 15 Tankern, 5 Munitionstransportern, 4 Frachtern für Nachschubgüter versorgt die Task Force 38 und Teile der brit. Task Force 37 mit ca. 60.000 ts Öl, 6369 ts Munition, 1635 ts Versorgungsgütern, 99 Flugzeugen und 412 Mann Personalersatz.
[Zitat Ende]

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

delcyros

Danke Urs,

wobei die beindruckende Aufzählung der Menge an Versorgungsgütern dieser Aktion von der zu versorgenden Flottengröße von TF/TG38 im Juli 1945, stark relativiert wird (20 Dickchiffe UND 20 Kreuzer + Zerstörer):

Schlachtschiffe: 9
(Indiana, Massachusetts, Alabama, South Dakota, North Carolina, Iowa, Missouri/FltF, Wisconsin, King George V./GF )

Flugzeugträger: 13
(Wasp II, Independence, Bennington/GF (CVG-82), Lexington II, Hancock (CVG-6), Belleau Wood (CVG-30), San Jacinto (CVG-45), Ticonderoga (CVG-87), Essex (CVG-83), Randolph/GF (CVG-12), Monterey (CVG-28), Bataan (CVG-47), Indefatigable)   

Kreuzer: 20
(Tuscon, Oklahoma City, Amsterdam, Oakland, Flint, Topeka, Duluth, Dayton, San Diego, Atlanta II, Wilkes-Barre, Pasadena, Springfield, Astoria II, Quincy II/DF
St. Paul, Chicago II, San Juan, New Foundland, Gambia)   

Zerstörer: nicht aufgezählt (>40)


d.h. wenn man -nur eine Überlegung- die Zahlen um den Faktor 10 reduziert (für 2 Dickschiffe und 2 Kreuzer) kommt man auf folgende Größenordnungen, oder?

6.000 ts Öl, 637 ts Munition, 164 ts Versorgungsgüter, 10 Flugzeuge und 41 Mann Personalersatz.

Ich frage das vor allem deshalb weil mir aus den Quellen nicht ganz klar geworden ist mit welchen Größenordnungen für welche Zeiträume wir eigentlich zu rechnen haben...

Urs Heßling

moin,

Mit 4 Zitaten aus der Chronik möchte ich noch einmal das von Carsten betonte Funktionieren der Versorgung, aber auch die Abhängigkeit der Schlachtschiffe von der Versorgung aufzeigen :
1.– 5.2.1941
Nordatlantik
Operation »Berlin«: Nach Versorgung aus dem Begleittanker Adria stoßen die Schlachtschiffe Scharnhorst (Kpt.z.S. Hoffmann) und Gneisenau (Kpt.z.S. Fein), vom Gegner unbemerkt, am 3./4.2. durch die Dänemarkstraße in den Atlantik vor und versorgen am 5.2. aus dem Tanker Schlettstadt.

8.– 17.2.1941
Nordatlantik
Operation »Berlin«: Die Schlachtschiffe Gneisenau und Scharnhorst sichten östlich Neufundland den brit. Konvoi HX.106. .. Nach einer weiteren Versorgung vom 15.-17.2. durch die Tanker Esso Hamburg und Schlettstadt suchen beide Schlachtschiffe vergeblich nach dem Konvoi HX.111.

22.– 28.2.1941
Nordatlantik
Operation »Berlin«: Etwa 500 sm östlich von Neufundland versenken die Schlachtschiffe Gneisenau und Scharnhorst .. entschließt sich Adm. Lütjens, das Operationsgebiet in den Mittelatlantik zu verlegen. Auf dem Weg dorthin übernehmen die Schlachtschiffe vom 26.-28.2. aus den Versorgungstankern Ermland und Friedrich Breme zusammen 7500 ts Öl.

7.– 18.3.1941
Mittelatlantik
Operation »Berlin«: Vorstoß gegen den Konvoi SL.67 (54 Schiffe), .. Am 11./12.3. übernehmen Scharnhorst und Gneisenau aus den Flottentankern Uckermark und Ermland je 3400 t Öl.
[Zitat Ende]

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

delcyros

#139
Danke Urs.

Insgesamt gab es sechs Verorgungen mit der Übernahme von insgesamt 30.355ts Treiböl für die 60-tägige Operation Berlin (25. Januar- 22.März 1941), in welcher SCHARNHORST und GNEISENAU etwa 17.800nm zurücklegten.

DITHMARSCHEN wurde nach dem Kriege von der USN übernommen (AO-110) und die dt. Versorgungspraktik eingehend studiert. Es sollte beachtet werden, dass die Versuche mit AO-110 direkt zur Übernahme der Praktik des "multicargo replenishment" führten, auf deren Grundlage die jetzigen AOR Versorgerklassen entstanden.

Zu den dt. Wurzeln des AOR Konzeptes:
Wildenberg, Th: Gray Steel and Black Oil: Fast Tankers and Replenishment at Sea in the U.S. Navy, 1912–1995, Naval Institute Press (Annapolis 1996), S. 204–216.

Peter K.

vgl. auch
Geoffrey JONES, Under three Flags, ISBN 0-552-09777-2
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

Big A

Moin!

Urs hat ja die Zahlen genannt.

Wenn aber, wie im Thread-Titel genannt, deutsche BB als Raider eingesetzt werden sollen, so ist das Zahlenwerk nicht ganz aussagekräftig. Einsatz als Raider als dauerhafte Option ist trotz der beeindruckenden Einzelleistung der Operation und deutlich vor Kriegseintritt der USA nicht durchhaltbar gewesen, war es nie. Und mit dem Verlust der Tanker ist sie endgültig ad acta zu legen.
Aus einer einmaligen Kraftanstrengung ist imho kein Rückschluss für fortgesetzte Operationen ableitbar.

Axel
Weapons are no good unless there are guts on both sides of the bayonet.
(Gen. Walter Kruger, 6th Army)

Real men don't need experts to tell them whose asses to kick.

Matrose71

Zitat von: Big A am 29 März 2017, 20:37:23
Moin!

Urs hat ja die Zahlen genannt.

Wenn aber, wie im Thread-Titel genannt, deutsche BB als Raider eingesetzt werden sollen, so ist das Zahlenwerk nicht ganz aussagekräftig. Einsatz als Raider als dauerhafte Option ist trotz der beeindruckenden Einzelleistung der Operation und deutlich vor Kriegseintritt der USA nicht durchhaltbar gewesen, war es nie. Und mit dem Verlust der Tanker ist sie endgültig ad acta zu legen.
Aus einer einmaligen Kraftanstrengung ist imho kein Rückschluss für fortgesetzte Operationen ableitbar.

Axel

Salve Axel,

da widespricht dir auch niemand, du hast nur wesentlich krassere Aussagen getätigt, und das knacken des Funkschlüssels hat eher wenig mit Logistik zu tun, sondern mit anderer Blödheit.
Du hast die KM wesentlich schlechter gemacht als sie war, logistisch gesehen und das ist historisch nicht korrekt.
Viele Grüße

Carsten

t-geronimo

Vieles dieser logistischen Komponente wurde ja bereits in Thema "Versorgung von Kreuzerkampfgruppen" diskutiert.
Da hier nach Zahlenmaterial gefragt wurde, sei an die KM-Planung für eine 6-monatige Operation des Schweren Kreuzers Admiral Hipper erinnert, die ein wenig Einblick in die Zahlenwelt der Logistiker bringt:
--/>/> http://www.forum-marinearchiv.de/smf/index.php/topic,24296.msg274660.html#msg274660

Nun muß sicherlich nicht jeder Versorger tonnenweise Bleistifte parat haben, aber ohne Klopapier wird selbst der heroischste Krieg irgendwann doof, um nur mal die oft eher wenig bedachten Versorgungsgüter zu erwähnen.
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

Big A

Sehr richtig, Torsten, es geht in der Tat nicht nur um POL, es geht um Ersatzteile, Verpflegung etc. und ja, in der Tat auch um so läppische Dinge wie Tabakwaren, Markentenderartikel usw. Man mag darüber lachen, für die Moral an Bord eines Kriegsschiffes ist das jedoch unabdingbar wichtig!

Mal ganz ketzerisch und wertfrei festgestellt, der Krieg kam für die Marine mindestens 5, eher 10 Jahre zu früh, die Logistik war zum realen Beginn nicht auf einen langen Konflikt vorbereitet.

Axel
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delcyros

Axel,

deine Meinung in Ehren, nur mich wundert warum sie so eklatant im Widerspruch zu den Ansichten steht, welche die für die LOGISTIK zuständigen Ädmiräle der KM nach Kriegsende bei Befragungen durch die US Navy zu Protokoll gaben. Da war man durchaus der Meinung die Fähigkeit entwickelt zu haben, Kreuzer und Dickschiffe mit den mobilen Versorgungsgruppen im Antlantik zu versorgen. Ein Raider hatte Verbrauchsmittel an Bord gebunkert (ohne Treiböl), die für einen Einsatz von drei Monaten bemessen waren, weitere 3 Monate wert an Verbrauchsmaterialien lagen auf dem mobilen Versorger. Jedem Dickschiff war ein mobiler Versorger ständig zugewiesen.

Big A

Einfach, weil man nicht wahrhaben wollte, dass man mit seiner Rüstung / Planung so daneben gelegen hat. Ozeanische Pläne waren spätestens ab 1941, definitiv aber mit dem Eintritt der USA nicht mehr umzusetzen.

Auch in Friedenszeiten in der Bundes-/Deutschen Marine hat sich erwiesen, dass die Verbräuche insbesondere an Ersatzteilen oft höher oder anders (andere Teile als vorausberechnet) waren / sind als gedacht. Und wer liefert dann, wenn alles auf einem Schiff eingelagert ist? Und glaube mir, aus eigener Erfahrung weiß ich, dass immer genau das ausfällt, was man eben nicht an ET dabei hat :roll:
Und wenn ich einen Versorger einem Dickschiff zuteile, was mache ich, wenn der Versorger ausfällt? Wer schützt den Versorger?

Die Meinung der Admiralität in allen Ehren, es war einfach nicht durchhaltefähig. Warum musste die USN es auch erst lernen, wie man Versorger richtig belädt? Wie man ET/AT auf verschiedene Einheiten disloziert lagert? Dass Tanker kritische Schiffe sind und "normale" Versorger auch Treibstoff lagern können und so die Tankerkrise im Pazifik beheben halfen.

Es ist unbestritten, dass die KM Fähigkeiten hatte, die "Dithmarschen" waren hervorragend durchdachte und konstruierte Einheiten für die vorgesehenen Aufgaben; aber: zu wenige, zu wenig geschützt um als Einzelfahrer unterwegs zu sein und durch lange Anmarschwege gefährdet.
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ede144

@ Axel

Ja, mit dem Eintritt der USA in den Krieg waren Raider im Atlantik schwer gefährdet und kaum noch sinnvoll einzusetzen. Das allein fahrende Versorger nicht geschützt sind stimmt auch, aber wie stehen die Chancen eines alein fahrenden Versorgers, der sich tarnen kann gegen ein Versorgungsgeschwader das mit z. B. Panzerschiffen oder Kreuzern geschützt wird?

In meinen Augen hatte die KM ein Konzept und die Schiffe dazu, um Raider auf offener See zu versorgen. Dass das Konzept nicht ausreichend war, um ähnlich wie heute eine STANAG dauerhaft in See zu halten und zu versorgen stimmt auch. Aber das ist in etwa so, als ob man die Langley ablehnt weil man von einer Gerald Ford träumt.

Big A

ZitatSTANAG
**Korinthenkackermodus ein**  Du meinst sicher SNMG; STANAG ist ein Standardization Agreement  **Korinthenkackermodus aus**

Ich verstehe ja, dass die Idee des Einsatzes ´der angesprochenen Einheiten als Raider etwas Bestechendes hat; aber die Versorgung funktioniert nun mal nicht, indem man alles auf einen Einzelfahrer packt.
Wenn ich Dich richtig verstehe, dann meinst Du, wie es wäre, wenn der Versorgungsverband geschützt wird. Ja, genau das haben die USA im Pazifik ja auch getan, einzelne Versorgungsverbände waren, spätestens ab Mitte 1944,  so groß, wie die gesamte Marine anderer Länder incl. leichter Kreuzer, DDs und DEs sowie Geleitträgern zum Eigenschutz. Dort waren auch die (Bau-) Kapazitäten vorhanden, die Seegebiete entsprechend groß und die Anmarschwege führten eben nicht Meerengen usw. Alleine Deutschlands Lage (Norwegen hin oder her, es fehlten Abstützpunkte anderswo) verbietet solche weitreichenden Operationen von Überwassereinheiten.

Axel
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Thoddy

Zitat von: Big A am 30 März 2017, 10:21:26

Ich verstehe ja, dass die Idee des Einsatzes ´der angesprochenen Einheiten als Raider etwas Bestechendes hat; aber die Versorgung funktioniert nun mal nicht, indem man alles auf einen Einzelfahrer packt.

Wenn man zusätzlich bedenkt, das bestimmte Ausrüstungsteile formell nur direkt durch den Hersteller gewartet/repariert werden dürfen, wird das Ganze sehr schwierig, weil es sich teilweise um geeichte Ausrüstungsteile handelt.

Im Fall von Graf Spee ist z.B. das Funkmessgerät zum Ausfall gekommen. An Bord war keinerlei Dokumentation vorhanden. Ersatzgerät war auch nicht vorhanden.

Wartung/Reparatur war eigentlich nur durch die GEMA vorgesehen. Der Bordelektriker hat sich dann vorsichtig durch die Schaltung gemessen und als Ausfallursache einen zerstörten Kondensator ermittelt. Austausch gelang und Funkmessgerät konnte wieder in Betrieb genommen werden.
Meine Herren, es kann ein siebenjähriger, es kann ein dreißigjähriger Krieg werden – und wehe dem, der zuerst die Lunte in das Pulverfaß schleudert!
WoWs : [FMA]Captain_Hook_

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