Bergung eines Klein-U-Bootes vom Typ SEEHUND im Kieler Hafen im Jahre 1995

Begonnen von longwood, 07 März 2020, 21:46:19

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longwood

Hallo,

vorweg: Spät – ich hoffe aber, nicht zu spät.

Beim obligatorischen Aufräumen meiner Unterlagen habe ich Zeitungsartikel der Tageszeitung ,,Kieler Nachrichten" (KN) aus dem Jahre 1995 gefunden, die die Bergung eines U-Boot-Wracks im Kieler Hafen zum Inhalt haben.

Die Berichte sind ca. 35 Jahre alt – aber dennoch vielleicht von Interesse.

Nachstehend gebe ich die Zeitungsartikel wieder.

KN vom 14. Februar 1995 (Titelseite)

Überraschung beim Ausbaggern der Hörn

Mini-U-Boot geborgen

Bei Baggern am künftigen 3. Fährterminal im Kieler Hafen wurde am Wochenende vom Schwimmkran ,,Thor" ein Kleinst-U-Boot geborgen. Es könnte sich um den gegen Kriegsende gebauten Zwei-Mann.vom Typ ,,Hecht"  handeln, der vorwiegend in Küstennäher eingesetzt werden sollte, um eine Invasion der Alliierten zu verhindern. Dort, wo der Fähranleger entsteht, befand sich bis 1945 die Krupp-Germania-Werft, die in den letzten Kriegsjahren Kleinst-U-Boot Typen baute  Eine Gefahr geht von dem Wrack nach Prüfung durch den Munitionsräumdienst nicht aus. Der Rumpf wird heute ausgespült, um eine etwaige Gefährdung durch gefüllte Lufttanks auszuschließen.

KN ebenfalls vom 14. Februar 1995 (Innenteil)

Überraschung bei Bauarbeiten

Kranführer fischte ein Mini-U-Boot aus der Förde
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Kapitän Lehmann staunte nicht schlecht, als er am Sonntag um 12.30 Uhr in der Greiferschaufel seines Schwimmkranes ,,Thor" blickte: An Stelle der vermeintlichen Betonbrocken, die für den Bau des 3. Fährterminals geräumt werden müssen, befand sich dort der Rumpf eines Kleinst-U-Bootes  aus dem Zweiten Weltkrieg. Für den Schwimmkran, der bis zu 200 Tonen heben kann, keine besondere Last. Uwe Schneider von der Bauleitung: ,,Als wir den Rumpf des U-Bootes erkannten, haben wir sofort den Munitionsräumdienst alarmiert." Von dem eintreffenden Fachmann wurde allerdings gleich festgestellt, dass sich an dem U-Boot kein Torpedo mehr befand

In den Jahren 1944/45, als die Niederlage des Dritten Reiches unabwendbar schien, wurde als eine Art letztes Aufgebot vor allem diese ,,Kleinkampfmittel" der Marine in vielen deutschen Werften, gebaut, darunter in der Kieler Germania-Werft, die ihren Standort an der Hörn hatte. Sie sollten an den deutschen Küsten, vor allem in der Nordsee, eine Invasion der Alliierten verhindern.

Die Männer, die allein oder zu zweit diese Tauchboote bedienten, waren zumeist Freiwillige: 17 bis 19 jährige Oberfähnrichs oder Leutnants, die nicht nur der Marine angehörten, sondern auch von Heer und Luftwaffe kamen. Sie mussten sehr mutig gewesen sein, denn die Mini-U-Boote besaßen nur eine sehr geringe Reichweite und eine Tauchtiefe von 20 bis 40 Meter. Einige Ein-Mann-U-Boote waren sogar mit einer Art ,,Schleudersitz" ausgestattet, damit der Fahrer nach dem Abschuss des Torpedos mit Hilfe eines Tauchretters an die Oberfläche gelangen konnte.

Um welchen Typ eines Kleinst-U-Bootes es sich bei dem Fund in der Hörn handelt, war gestern noch unklar. Das Boot ist durch die Sprengung stark beschädigt worden, das Heck wurde abgetrennt. Bei der Germania-Werft wurden die Typen ,,Seehund" (146 Stück bis 1945) und das Vorgängermodell ,,Hecht" (53 Stück bis 1944) gebaut, beides U-Boote mit einer zweiköpfigen Besatzung. Es scheint jedoch unwahrscheinlich, dass es sich um einen ,,Seehund" handelt, Die Form der Kanzel, soweit sie beim Wrack zu erkennen ist, deutet auf ein U-Boot vom Typ ,,Hecht" hin. Möglich ist auch, dass es sich um den Typ ,,Biber" handelt, ein Ein-Mann-U-Boot, das bei der AG Weser in Bremen gebaut wurde. Allerdings müsste sich dieses Boot zur Reparatur in Kiel aufgehalten haben.

Es ist anzunehmen, dass das Boot bei einem Bombenangriff  in der Förde versenkt wurde: Die Germania-Werft war Ziel von verschiedenen Präzisions-Luftangriffen: 21mal durch die Britische Luftwaffe und im letzten Kriegsjahr dreimal durch die US-Air Force – vor allem diese 3 Angriffe haben die Werft schwer getroffen.

KN vom 15. Februar 1995

Geht der ,,Seehund" im Museum vor Anker?
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Wohin mit dem U-Boot?  Über das Schicksal des am Wochenende in der Hörn geborgenen Mini-U-Bootes aus dem Zweiten Weltkrieg haben die Behörden noch nicht entschieden.  Es werde überlegt, so Arne Breiholz von den Hafen- und Verkehrsbetrieben, ob es dem Schifffahrtsmuseum übergeben werden soll, wenn Interesse bestünde. Abgewunken hat das Flottenkommando in Glücksburg: Kein Interesse – hieß es gestern.

Inzwischen meldeten sich bei der KN-Redaktion gestern verschiedene Leser, darunter auch ehemalige Marineoffiziere, die das Wrack entgegen erster Einschätzung als Bootstyp ,,Seehund" identifizieren, Von den verschiedenen Klein-U-Booten, die gegen Ende des Krieges gebaut wurden, sei der ,,Seehund" das einzig seetüchtige Boot gewesen.

Auf der Kieler Germania-Werft wurden in den letzten beiden Kriegsjahren 146 Stück dieser Zwei-Mann-U-Boote gebaut. Der ,,Seehund", ausgerüstet mit zwei außen angebrachten Torpedos, besaß einen  60 PS starken Büssing-Lkw-Dieselmotor für die Überwasserfahrt und erreichte dort eine Geschwindigkeit von 7,7 Knoten. Unter Wasser wurde er von einem AEG-Elektromotor angetrieben und war 6 Knoten schnell.

Mit einer Treibstoffmenge von einer halben Tonne Dieselkraftstoff konnte das Boot 270 Seemeilen zurücklegen, durch zusätzliche Au0entanks erhöhte sich die Reichweite auf 500 Seemeilen. Das gesamte Boot hatte eine Länge von 10,63 Metern, der Druckbehälter maß einen Durchmesser von lediglich 1,26 Meter. Das bedeutet: Die zweiköpfige Besatzung konnte während des gesamten Einsatzes nur sitzen.

Elf Tage dauerte die längste gemessene Fahrt in einem solchen Boot, das eigentlich für 2-Tage-Einsätze konzipiert war. Toiletten gab es nicht, die Männer waren während des Tauchganges gezwungen, eine Art ,,Klappbecken" für ihre Notdurft zu benutzen. Um jedoch möglichst wenig Ballaststoffe mit sich zu führen, setzte man die Besatzung vor dem Auslaufen auf eine spezielle Diät.

Nach Ansicht von Experten muss es auf dem Grund der Kieler Förde, vor allem an der schleswig-holsteinsichen Küste, noch eine ganze Reihe solcher Wracks geben, die deutsche Soldaten nach dem Krieg selbst versenkten oder die den Besatzungsmächten in die Hände fielen und versenkt wurden.

Soweit die Berichte...   ... diesen wurde noch durch einige Fotos und Zeichnungen ergänzt.

Soweit ich mich erinnere, wurde das Wrack im Kieler Schifffahrtsmuseum ausgestellt. Das Museum ist z. Z. Jedoch  geschlossen wegen einer völligen Neugestaltung – Wiedereröffnung wahrscheinlich am 15. März 2020. Ich hoffe, dass das Wrack wieder ausgestellt wird.

Ob die in den Berichten angegebenen technischen Daten sowie andere Angaben zutreffen oder teilweise der ,,Journalistischen Freiheit" entsprechen, kann ich nicht beurteilen, da ich kein Fachmann für Kleinkampfmittel bin.

Daher: Experten an die Front - sofern Fehler vorhanden sind.

Viele Grüße aus dem (Bundes-) Land
zwischen den Meeren

Hans-Hermann H.alias longwood


hoch-am-wind

Hallo Hans-Hermann,

vielen Dank für das Einstellen - schön, dass diese Quellen damit für uns alle verfügbar sind.
Zu den Funden spezifisch kann ich leider nichts sagen und bin ebenfalls gespannt, was die Experten schreiben werden.

Viele Grüße und einen schönen Abend,

Ralf

longwood

Hallo Ralf,

vielen Dank für Deine Mitteilung - evtl. finde ich beim Aufräumen noch mehr...   ...und dann geht es richtig los!

Gruß - und ein schönes Wochenende

Hans-Hermann H. alias longwood

Darius

Hallo HHH alias longwood,

prima. Schön, dass Du uns mit solchen Unterlagen versorgst.

Sagst Deiner Chefin eine schönen Gruß - sie soll Dich ruhig am PC arbeiten lassen  :TU:)


:MG:

Darius

bettika61

Hallo Hans-Hermann,
vielen Dank für das Einstellen der Beiträge aus der KN  :MG:

Was im Schifffahrtsmuseum ausgestellt wird, ist ein Wracksegment, ich gehe davon aus , das auch nur ein Segment aus der Fertigung der Germaniawerft gefunden wurde, wie z.B. hier im Bunker "Konrad" zu sehen sind.
Grüße
Beate

,,Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen." George Santayana

longwood

Hallo Beate,

vielen Dank für die großartigen Fotos, die sicherlich auf großes Interesse hier im Forum stoßen werden.

Ich vermute aber, dass es sich bei dem Ausstellungsstück um ein Teil des U-Bootes handelt, das damals geborgen wurde. Aber das ist reine Spekulation von mir.

Z. Z. Ist das Kieler Schifffahrtsmuseum geschlossen und eröffnet wieder – wie ich schon mitgeteilt habe -  am 22. März 2020. Ich werde dann hingehen und mich informieren. Ich bin zwar zu der (hoch-) offiziellen Eröffnungsfeier eingeladen – ob ich es aber zeitlich schaffe, kann ich augenblicklich nicht sagen.

Ich kann Dir gerne die Zeitungsartikel zukommen lassen, sind aber leider nicht versandfähig via E-Mail, da das Format DIN A 3 dabei ist. Wenn Interesse besteht, teile mir bitte Deine Postanschrift via PN mit. Es wird aber einige Zeit dauern, da ich in der kommenden Woche ortsabwesend bin.

Viele Grüße aus Kronshagen bei der
Landeshauptstadt Kiel

Hans-Hermann H. alias longwood

PS: Ich hoffe, im kommenden Jahr am Vortragsabend in Rostock teilnehmen zu können, es wäre dann – soweit ich richtig gezählt haben - der 13. Vortragsabend

longwood

Zur Antwort #5 vom 08. März 2020

Hallo,

kleine Korrektur hinsichtlich der neuen Ausstellung im Kieler Schifffahrtsmuseum.

Die neue Dauerausstellung unter dem Titel

Marine, Werften, Segelsport - die Geschichte der Hafenstadt Kiel
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wird am 15. März 2020 eröffnet.

Dem Besuch des Museums kann ich jedem empfehlen.

Viele Grüße aus Kronshagen

Hans-Hermann H. alias longwood

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