ASS-Nummer: 14214a

Begonnen von Axel Niestle, 01 Januar 2021, 17:06:14

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Axel Niestle

Neues Jahr, neues Spiel!

Die vermutlich zuerst von Rohwer erfolgte Zuordnung der Versenkung bzw. Torpedierung der Dampfer EMPIRE UNION, MELROSE ABBEY und SOEKABOEMI auf U 356 lässt sich bei genauerer Betrachtung so nicht aufrechterhalten.

Gemäß den zum Teil lückenhaften Berichten der Schiffe der kanadischen Convoy Escort Group C1 (T.U. 24.1.11) des Konvois O.N. 154 (der Buchstabenzusatz "S" für "slow" war inoffiziell, der erste nominelle O.N.S.-Konvoi lief erst ab dem 15. März 1943) wurden die am frühen Morgen des 27.12.1942 torpedierten Schiffe mutmaßlich in der folgenden Reihenfolge getroffen:

27.12.42/0240Z   britischer Dampfer  EMPIRE UNION an Steuerbord in der Position 121
27.12.42/0241Z   britischer Dampfer  MELROSE ABBEY an Steuerbord in der Position 101
27.12.42/0310Z   niederl. Dampfer  SOEKABOEMI an Steuerbord in der Position 114
27.12.42/0415Z   britischer Dampfer  KING EDWARD Backbord in der Position 81.

Die Uhrzeitangaben in den Berichten variieren jedoch z.T. u.a. wegen unterschiedlicher Zeitzonenverwendung, so dass geringe Unterschiede zum tatsächlichen Geschehen nicht ausgeschlossen werden können.

Der O.N.154 lief seinerzeit in zwölf Kolonnen mit bis zu vier Schiffen. Die Schiffe in der 12. Kolonne mit dem Spitzenschiff EMPIRE UNION bildeten dabei die an der Steuerbordseite des Konvois laufende Kolonne. Die britische Zeitzone "Z" hinter der alliierten Zeitangabe entspricht GMT, während an Bord der deutschen U-Boote MEZ (= GMT +1) galt. Alle nachfolgenden Uhrzeiten erfolgen im Sinne der Übersichtlichkeit ausschließlich in MEZ.

Das U 356 bald nach dem Angriff auf die oben genannten Schiffe durch einen Wasserbombenangriff des kanadischen Zerstörers HCMS St. LAURENT zum Totalverlust wurde, gibt es kein KTB des Bootes. Allerdings sind die letzten Funksprüche des Bootes, das nach dem Fühlungsverlust von U 662 und U 664 am 26.12.1942 abends kurz nach Mitternacht am 27.12.1942 als neuer Fühlungshalter eingesprungen ist, in deutschen und britischen Quellen dokumentiert. Hiernach gab U 356 am 27.12.1942 die nachfolgenden Kurzsignale ab:

27.12.42/0044   Uhr   Feind in [Marinequadrat] BE 4431, Kurs 180°, 8 Knoten.
27.12.42/0242   Uhr   Feind in BE 4453, Kurs 210°, 8 Knoten
27.12.42/0324   Uhr   Leuchtgranaten über Konvoi,  BE 4455
27.12.42/0420   Uhr   Feind in [Marinequadrat] BE 4454, Kurs 220°, 8 Knoten.

Weitere Meldungen des Bootes bis zur mutmaßlichen Versenkung gegen 0700 Uhr gingen nicht ein. Um ein Abreißen der Fühlung mit dem Konvoi zu verhindern, funkte der BdU bereits am 26.12.42 den Befehl, das für den jeweiligen Fühlunghalter Angriffsverbot galt bis zum Heranführen weiterer Boote. Dieser Befehl wurde erst am 27.12.1942 mit Funkspruch um 1008 Uhr aufgehoben. Wie aus dem Text der von U 356 gefunkten Kurzsignalen ersichtlich, meldete das Boote bis zum Zeitpunkt 0420 Uhr keine Angriffe. Dies entsprach zudem dem geltenden Befehl. Es ist daher mit hoher Sicherheit auszuschließen, dass U 356 bis zum Zeitpunkt 0420 Uhr irgendeinen Angriff auf die Schiffe des O.N. 154 durchgeführt hat. Damit scheidet U 356 als Angreifer bei den drei zuerst torpedierten Schiffen EMPIRE UNION, MELROSE ABBEY und SOEKABOEMI aus zeitlichen Gründen aus.

Am frühen Morgen des 27.12.1942 operierten von den auf den Konvoi angesetzten Booten der Gruppen "Spitz" und "Ungestüm" außer U 356 nur noch U 664 und U 441 in der Nähe des O.N. 154. Von diesen stand U 664 gemäß KTB-Eintrag von 0410 Uhr "Fühlung am Geleit rw. Peilung 300 Grad, E 12 sm, Kurs 220 Grad" an Backbord voraus am Geleit. Allerdings fuhr U 664 danach keinen Angriff und wurde um 0740 Uhr durch die St. LAURENT unter Wasser gedrückt. U 441 hingegen sichtete um 0225 Uhr den Konvoi in rw. 110 Grad (d.h. an Steuerbord) und griff danach in den frühen Morgenstunden mehrfach mit Torpedos von Steuerbord aus an:

27.12.42/0313      3er-Fächer E = 800 m auf  Dampfer 8-9000 BRT, der sofort nach dem Schuß
                 hart abdrehte. Keine Wirkung am Ziel bemerkt.
27.12.42/0327      1 Torpedo E = 600 m auf Tanker 8000 BRT, der ebenfalls sofort nach dem
                 Schuß sehr hart abdrehte bis auf Lage 180. Keine Wirkung am Ziel bemerkt.
27.12.42/0401      1 Hecktorpedo E = 600 m auf Dampfer 6000 BRT in     
                                mehrfacher Überlappung mit 4-5 anderen Dampfern. Keine Wirkung am Ziel
                                bemerkt. Während des Anlaufes und danach zahlreiche Leuchtraketen und   
                                mehrfach MG-Beschuß vom Dampfer (Einschläge 100 - 500 m rechts und links
                                vom    Boot). Dampfer drehte auch kurz nach dem Schuß ab.

Wegen fehlender optischer Beobachtungen nahm U 441 jeweils Fehlschüsse auf die avisierten Ziele an. Die Fehlschüsse waren dem Kommandanten von U 441 jedoch unerklärlich. Deswegen hielt er es "für möglich, dass einer oder der andere - vor allem der fünfte - Torpedo noch [sic, zu?] von uns nicht beobachteten Treffern geworden ist. Während aller Anläufe erfolgte gemäß KTB-Eintrag von den Schiffen im Konvoi ausgiebiger Einsatz von Leuchtmitteln über dem Konvoi, wodurch die Brückenwache zeitweise stark geblendet war. 

Während das Boot, auf Konvoikurs mitlaufend, die Torpedorohre nachlud, wurde um 0446 Uhr von U 441 an Steuerbord vorn und Backbord vorn (in Schiffspeilung?) je einen Schatten gesichtet. Der an Steuerbord wurde bald als U-Boot, der an Backbord stehende als Zerstörer ausgemacht. Letztere zwang das Boot um 0452 Uhr in BE 4411 zum Tauchen und warf um 0506 Uhr drei Wasserbomben. Bei dem Zerstörer handelte es sich erneut um die HMCS St. LAURENT. Bei dem von U 441 gesichteten U-Boot hingegen kann es sich nur U 356 gehandelt haben, da U 664, wie vorstehend gezeigt, weiter ab an Backbord vom Konvoi stand und auch keine passende Sichtung meldete. Vielmehr vermerkte das Boot lediglich für 0515 Uhr "Riesenfeuerwerk über dem Geleit".

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich als einzig logischer Schluß, dass die Dampfer EMPIRE UNION, MELROSE ABBEY und SOEKABOEMI alle drei, von U 441 im Feuer der Leuchtgranten unbemerkt, durch die Torpedos bei den Angriffen um 0313, 0327 und 0401 Uhr getroffen wurden. Alle drei Schiffe erhielten Treffer an der Steuerbordseite und liefen in den drei äußeren Kolonnen an Steuerbord. Zumindest in den Fällen der MELROSE ABBEY (#101) und SOEKABOEMI (#114) ist es erklärlich, dass der Torpedo ein Schiff in einer Kolonne hinter dem mutmaßlich ursprünglichen Ziel in der Steuerbord-Kolonne 12 traf.

Einzig für den Verlust des britischen Dampfers KING EDWARD, der den alliierten Berichten zufolge um 0515 Uhr getroffen wurde, kommt U 441 nicht in Frage. In diesem Punkt wird daran erinnert, dass U 664 just zu diesem Zeitpunkt ein "Riesenfeuerwerk über dem Geleit" beobachtete, was im Zusammenhang mit einem Torpedotreffer auf einem der Schiffe des Konvois durchaus Sinn macht. Da U 356 mutmaßlich um 0446 Uhr in der Nähe von U 441 am Geleit stand und aus dessen Anwesenheit bzw. den zwischenzeitlichen Geleitmeldungen von U 441 und U 664 vermutlich den Schluß zog, dass das vom BdU befohlene Angriffsverbot für den Fühlunghalter hinfällig sei, ist ein sofortiger Angriff des günstig stehenden Bootes etwa dreißig Minuten später plausibel. Unterstützung erhält die Annahme zu U 356 durch die alliierte Angabe, dass die KING EDWARD, anders als die drei zuvor torpedierten Schiffe, an ihrer Backbordseite getroffen wurde und zum Zeitpunkt des Treffers als Spitzenschiff der 8. Kolonne (#81) fuhr, mithin in einiger Entfernung von den vorherigen Angriffsorten.   

Beste Grüße

Axel Niestlé

Urs Heßling

moin, Axel, und noch ein frohes neues Jahr!
super Analyse :MG: top

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

TW

Danke für Deinen Korrekturvorschlag, Axel. Ich habe ASS in diesem Sinne bereits aktualisiert.
Die NUM lautet nun 14214 (a wurde gelöscht), da kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den 3 Schüssen besteht

Das einzige, wo ich leichte Bauchschmerzen empfinde, ist das Ziel des 2. Schusses, bei dem der kleine Frachter MELROSE ABBEY verloren ging. U 441 spricht sein Ziel als 8000-Tonnen-Tanker an.
Ich vermute, dass er (bei dem überlappenden Haufen von 4-5 Dampfern) ein anderes Ziel als das gewünschte traf und versenkte.

Prosit Neujahr  :OuuO:
Thomas

Axel Niestle

Hallo Thomas,

nachdem Du jetzt hoffentlich gut im Neuen Jahr angekommen bist, müsstest Du bitte noch ein wenig Feintuning machen.

a) Angriffszeit und -ort bei U 356 sind falsch. Die Angaben in meinem Beitrag beziehen sich nur auf die mutmaßliche Sichtung des Bootes durch U 441. Die mutmaßliche Angriffszeit 0515 lässt sich nur indirekt aus dem Treffer auf der KING EDWARD um 0515 MEZ (O415 GMT) ableiten. Eine Positionsangabe liegt nur von alliierter Seite für die KING EDWARD vor. Mithin gilt für die deutsche Seite beide Male nur "----".

b) Für alle Angriffe gilt: der Konvoi hieß O.N. 154.

c) Und wenn wir schon dabei sind: die erste Torpedierung der NORSE KING in #112 um 2000Z am 28.12.42 geht statt U 591 an U 225, das danach noch um 2003Z die MELMORE HEAD in #113 und mit dem Heckschuß um 2005Z die VILLE DE ROUEN in #94 traf. U 591 schoss aus 1800 m aus spitzer Position auf den mittleren von drei Schatten und hörte getaucht nach 3 min 28 sec eine als Torpedotreffer angenommene Detonation. Obwohl U 591 auch von Steuerbord vorn angriff, deuten die alliierten Zeiten und die optischen Beobachtungen von U 225, das alle Treffer aufgetaucht beobachtet hat, eindeutig auf U 225 hin.

Der zweite Angriff von U 441 am 27.12.42 gegen das als großen Tanker angesprochene Ziel traf ja auch nicht das Ziel, sondern die 2 Kolonnen dahinter laufende MELROSE ABBEY in #101. Deshalb ist die Zielansprache von U 441 nur für die Akte.

Beste Grüße

Axel

TW

Hallo Axel,
ich habe die Quadratangabe bei U 356 zurückgenommen. Aber in das Zeitfeld muss ich etwas hineinschreiben, sonst wird in der Tabelle die B-Zeit übernommen und das sieht in diesem Fall sehr eigenartig aus. (Leider wird auch ein "----" durch die B-Zeit überschrieben, das ist ein kleiner Programm-Fehler.)

ONS.154 wurde durchgehend (also 37 Mal) in ON.154 korrigiert.
Viele Grüße, Thomas

t-geronimo

Zitat von: TW am 03 Januar 2021, 13:52:50
(Leider wird auch ein "----" durch die B-Zeit überschrieben, das ist ein kleiner Programm-Fehler.)

Eigentlich habe ich damals alles so programmiert, wie du es haben wolltest.  :angel:
Hatten wir diesen Fall evtl. nur noch nicht? Dann müssten wir die Definition, wann welche Zeit angezeigt werden soll, einfach nur präzisieren.  :-)
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

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