Günther Lütjens - wie Francois-Emmanuel Brézet ihn sieht: Guck an!

Begonnen von Leutnant Werner, 15 Februar 2009, 20:49:21

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t-geronimo

@ ufo:

Sehr guter Punkt. top
Manchmal beschäftigt man sich so lange mit einer Sache, das Begriffe wie "Betriebsblindheit" und die Geschichte mit dem Wald und den Bäumen auf einmal Realität werden.


@ Spee:
Naja, aber wenn wir Lütjens schon ein wenig in die Mangel nehmen, muß man solche Punkte schon beleuchten.
Dinge wie "durch den Treffer irrelevant" zählen dann nicht, denn das wußte man nicht vorher.  :wink:
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

Spee

@T-G,

aber wenn es für den Ausgang des Unternehmens egal ist, ob Lütjens sein Schiff nachgetankt hat oder nicht, kann man ihm doch keinen Vorwurf wegen "nicht tankens" machen.
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

Huszar

Hallo, Thomas,

Du sagst ja immer, dass wir die Sache mit dem B-Schiff aus der damaligen Perspektive sehen sollten (was auch bei anderen Themen mM ist).

Aus der damaligen Perspektive - und ohne Kenntnis der späteren Treffer, engl. Disposition, Rudertreffer  :-D - ist das nicht-Nachtanken ein Umstand, der nur schwer zu erklären ist.
Der Logik von Ufo folgend hätte das B-Schiff auch nur so viel Öl mitführen dürfen, die ihr eine Reichweite dem Prinzen entsprechend verliehen hätte. Man wäre ja leicht genug, um mit dem Prinzen mitzuhalten, und man muss ja sowieso eine Tankstelle für den Prinzen finden  :wink:

Allerdings halte ich dieses nicht-Betanken auch für irrelevant, denn die Reichweite der Kampfgruppe hing nicht vom B-Schiff, sondern vom Prinzen ab. (vergleicht mal meine Karten etwas weiter oben  :wink:).

Was allerdings als GROSSER Fehler zu bezeihnen ist, ist das Ausfallen des Nachtankens aus der Weissenburg vor dem Durchbruch. In jedem Fall wären einige 100 - bis zu 2000 - Seemeilen mehr Reichweite für das Geschwader wichtig gewesen. Auch wenn die Bunker nicht bis zum Stutzen aufgefüllt werden, hilft das enorm. Egal, ob der Durchbruch ohne Probleme verlauft, Fühlungshalter im Nacken sitzen, oder man sich mit der kompletten HF herumbalgen muss.

mfg

alex
Reginam occidere nolite timere bonum est si omnes consentiunt ego non contradico
1213, Brief von Erzbischof Johan von Meran an Palatin Bánk von Bor-Kalán

Spee

Servus Alex,

sicher, im Nachhinein hätte man den "Prinzen" nochmals von der "Weissenburg" betanken können. Aber das hätte Zeit gekostet. Der Durchbruch hätte dann einen Tag später erfolgen müssen und dann hätte Holland den Ausgang der Dänemarkstraße schön dicht machen können. Seine Zerstörer wären da gewesen, die "Victorious" hätte Luftangriffe fliegen können und "Hood"/"Prince of Wales" hätten ein schönes Crossing the T aufbauen können.
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

aru

Hallo
Wäre eine Beölung der PE vom B-Schiff möglich gewesen.Hat mann das auf den neuen Schiffen geübt.
Das Lütjens die PE entlies war sicherlich richtig und glücklich .Man stell sich vor die Briten hätten Sie
auch noch gestellt und versenkt.PE musste doch vorm einlaufen vom deutschen Tanker beölt worden
sein.War doch ein grosses Risiko.
Das Lütjens nach dem Gefecht in der Dänemarkstrasse weiter nach Frankreich zu kommen war sicherlich
die einzige Möglichkeit den Feind zu entkommen,trotz Oelspur.
Der Rudertreffer war sicherlich ein Glückstreffer,genauso wie die Versenkung der HOOD.
Man stelle sich mal vor das B-Schiff hätte Brest erreicht.4 schwere Einheiten bei den Briten quasi vor der Haustür.
Aber es 2400 Seeleuten (erstmal) das Leben gerettet ....
Gruss
Aru

t-geronimo

Und wie schon gesagt: Wie war das Wetter 24 Std. später in der DK-Str.? Immer noch so'n schiet Wetter oder evtl mehr Sicht?
Müßte da nochmal im Brennecke oder so blättern, habe ich aber nicht hier.

Auch da gilt wieder: Es war ja nicht nur Lütjens, er hatte ja einen ganzen Stab um sich.
Und irgendwelche Gründe werden die schon gehabt haben, warum sie so entschieden haben, auch wenn sie evtl. nicht mehr überliefert sind.


Außerdem, Alex, man müßte mal genau wissen, wieviel Öl weniger wieviel Speed mehr gebracht hat und ob nicht ab einem gewissen Level es egal war, ob BS noch weniger dabei hatte oder nicht, weil es vielleicht keinen Geschwindigkeits-Zuwachs mehr gegeben hätte.
Und eine gewisse Reserve, falls man sich mal trennen muß (oder gar PG beölen) ist dann sicherlich auch nicht verkehrt!


@ aru:
Ja, das wurde in der Ostsee mal geübt und es gibt auch ein Foto davon (auch wenn es da andresrum war):
http://www.kbismarck.com/photo043.html
Gruß, Thorsten

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(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

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Götz von Berlichingen

Hallo allerseits, habe Eure interessante Diskussion durchgelesen und mich entschlossen, auch meinen Senf dazuzugeben   :wink:


Zitat von: Rymon am 19 Februar 2009, 12:52:12


das garantiert Dir natürlich keiner, aber der Krieg zur See wäre um einiges übersichtlicher verlaufen, wenn man alle Angriffsoperationen, bei denen man mit Beschädigungen rechnen mußte unterlassen hätte. Eine bessere Gelegenheit einen Gegner zu vernichten konnte es doch eigentlich kaum geben. Man bekam ein Gefecht aufgezwungen, dem man nicht ausweichen konnte, hat das feindliche Flagschiff versenkt, die Durchbruchsoperation ist aufgrund der Lageentwicklung hinfällig, der Weg in sichere Gewässer ist frei, der Gegner angeschlagen und feuert ungenau und unregelmäßig, man hat bis jetzt kaum Munition verbraucht, der Gegner ist nicht schneller als die eigene Kampfgruppe. Wieviel Zeit man sich mit der Bekämpfung läßt ergibt sich aus dem Gefechtsverlauf. Wenn man sich lösen will, macht man es einfach. Viel weniger Risiko wird man im Krieg kaum erwarten können.

Volle Zustimmung.

Die Führungsentschlüsse Lütjens' (aber auch der Skl - Stichwort Anlaufen Bergen und unbegreifliche Fehlleistung des Unterlassens Beölung BS dort) auf dieser letzten Unternehmung kann man m.E. wirklich nur, sehr gelinde gesagt, als äußerst unglücklich bezeichnen.

Entgegen vielfach geäußerter Ansichten hätte auch der Operationsbefehl der Gruppe West ein Nachsetzen gegen Prince of Wales und einen Abbruch der Unternehmung, was nach dem Gefecht in der Dänemarkstraße das einzig Richtige gewesen wäre, gedeckt, so daß selbst ein offensichtlich allzusehr am Buchstaben des Operationsbefehls klebender Lütjens davon ohne großes Risiko Gebrauch hätte machen können:

Zitat[...]
Wird Durchbruch in den Atlantik durch den Feind bemerkt, bleibt die Aufgabe bestehen.

Abkürzen der Operation oder Abbruch der Unternehmung nach Lage.

Bei Durchführung der Aufgabe steht die Vernichtung feindlichen Schiffsraumes im Vordergrund. Es kommt darauf an, die Einsatzbereitschaft der Schiffe zu erhalten. Kampf mit gleichwertigem Gegner ist deshalb zu vermeiden. Lediglich die Bindung eines einzelnen Schlachtschiffes, wenn dieses als Deckung  bei einem Geleitzug fährt, kommt in Frage, soweit Bindung ohne vollen Einsatz möglich ist und wenn der Kreuzer dadurch Erfolgsaussichten gegen die Restsicherung oder gegen den Geleitzug erhält.
Falls Kampf unvermeidbar, ist er unter vollem Einsatz durchzuführen

[Jochen Brennecke, Schlachtschiff Bismarck, Koehlers Verlagsgesellschaft, Hamburg 1997, S. 141 f.]

Die Weisung hinsichtlich Vermeidung des Kampfes mit gleichstarkem Gegner bezieht sich, wie aus dem Zusammenhang des Wortlautes ersichtlich, ausdrücklich auf den Handelskrieg im Atlantik, insbesondere auf den Ansatz PG gegen das Geleit, während BS versuchen sollte, die, wie sich beim Unternehmen Berlin gezeigt hatte, als Deckung beim Geleit stehenden Schlachtschiffe abzuziehen (wie es SH im Februar 1941 schon auf selbständigen Entschluß des Kmdt. mit Ramillies versucht hatte,wofür der Kmdt. von Lütjens rüde gerüffelt worden war, obwohl keine Seite das Feuer eröffnet hatte).

Natürlich sollte auch beim Durchbruch einem Gefecht nach Möglichkeit aus dem Wege gegangen werden, dies erwies sich aber als unmöglich (Fühlungshalter auch in günstigstem Wetter nicht abzuschütteln, unerwartetes Auftreten von Hood und Prince of Wales beim Austritt aus der Dänemarkstraße, Ausweichen nach Westen wegen Eisgrenze nicht möglich, Absetzen nach Süd(westen) wegen mangelndem Geschwindigkeitsüberschuß gegenüber Hollands Kampfgruppe ebenfalls nicht).

Also war der Kampf unvermeidbar und somit selbst nach Weisung der Gruppe West unter vollem Einsatz durchzuschlagen.

Nach dem über alle Maßen unerwartet günstigem Verlauf dieses Gefechtes, von dem man auf deutscher Seite wohl nicht zu träumen gewagt hätte (nach fünf Minuten Hood versenkt, das zweite Schlachtschiff dreht nach beobachteten Treffern in einem Wald von Aufschlägen ab und verläßt das Gefechtsfeld, wobei der achtere Turm nur noch mit zwei Rohren schießt), wäre es die einzig richtige taktische Entscheidung gewesen, nachzusetzen und dem angeschlagenen Gegner keine Ruhe zu gönnen.

Der Gegner war als King George V. angesprochen worden, also als das feindliche Flottenflagschiff, demnach mußte man vermuten, daß der englische Flottenchef an Bord war. Ein Grund mehr, das modernste feindliche Schlachtschiff nicht entkommen zu lassen. Wie Lütjens bekannt war, waren von dieser Klasse z.Zt. zwei Einheiten im Dienst; gelang es, eine zu versenken, würde dies im Verein mit dem bereits erzielten Erfolg gegen Hood bedeuten, daß zwei der für die deutschen Handelsstörer gefährlichsten Gegner in Bezug auf Geschwindigkeit und Bewaffnung vernichtet würden. Es bliebe dann neben den britischen Flugzeugträgern nur noch die zweite (und die bald in Dienst stellende - Duke of York) dritte Einheit dieser Klasse, die den deutschen Schlachtschiffen ernsthaft gefährlich werden könnten. Ich glaube kaum, daß die Admiralität es nach den Erfahrungen mit der Hood es gewagt hätte, Renown und Repulse gegen Bismarck und Tirpitz anzusetzen (sie hat es ja selbst beim Endkampf gegen Bismarck ausdrücklich vermieden, die Renown ins Gefecht zu schicken).

Nachdem man seit dem vorigen Abend die Erfahrung machen mußte, daß die Fühlungshalter selbst im Schneetreiben und Nebel nicht abzuschütteln waren und man deshalb auf ein Vorhandensein eines englischen Funkmeßgerätes schließen mußte, das dem eigenen offenbar an Reichweite überlegen war, verbot sich die Weiterführung der Unternehmung mit einem beschädigten Schiff, dadurch bedingter Herabsetzung der Geschwindigkeit, was die Abschüttelung der Kreuzer weiter erschweren, wenn nicht unmöglich machen mußte und vermindertem Aktionsradius durch Treibölverlust mit damit einhergehender Notwendigkeit, nunmehr bald für beide Schiffe Öl aus einem Tanker zu ergänzen, was naturgemäß völlig unmöglich war, wenn es nicht gelang, die Kreuzer abzuschütteln. Nach Norwegen wäre man jederzeit mit dem vorhandenen Treiböl gekommen, ohne dabei die Geschwindigkeit so herabsetzen zu müssen, wie es schließlich für BS notwendig war (20 kn!!). Den Schutz der eigenen Luftwaffe hätte man am Morgen des 25. Mai erreicht.

Einzig richtige Entscheidung wäre es gewesen, zunächst der beschädigten Prince of Wales nachzusetzen, das Gefecht für eine überschaubare Zeit (sagen wir zwischen 30 und 90 Minuten, je nach beobachteter Trefferwirkung beim Gegner) fortzuführen, dann auf dem Absatz kehrt zu machen und Kurs in die Dänemarkstraße hinein zu nehmen, dabei versuchen, wenn möglich auch die Suffolk und Norfolk noch auf die Hörner zu nehmen (nicht mit der Absicht, diese notwendigerweise zu versenken, doch ein oder zwei Zufallstreffer hätten mit etwas Glück vielleicht zur Beschädigung des Radargerätes der Suffolk (man erinnere sich an die Empfindlichkeit der eigenen Funkmeßgeräte gegen Erschütterungen beim Schießen der eigenen SA) oder Verminderung ihrer Geschwindigkeit (ein Treffer in den Kessel- oder Turbinenraum wie bei HP am 31.12.1942, damals von 15-cm-Granaten!) führen können und dann in der Dänemarkstraße dem Beispiel von Suffolk und Norfolk vom Vortag zu folgen und an der Grenze des Eisnebels über dem südöstlichen Teil der Dänemarkstraße (in den man sich im Falle eines Fliegerangriffes hätte zurückziehen können, ebenso wie es die britischen Kreuzer getan hatten, um der SA der Bismarck kein Ziel zu bieten) mit hoher Fahrt ins Nordmeer abzulaufen. Als Gegner wären dann höchstens noch die Bewacher der Island-Faröer-Enge, d.h. die Leichten Kreuzer Manchaster, Birmingham und Arthusa geblieben. Das sind wohl die "leichten Seestreitkräfte", die Raeder in seinem Vortrag vor Hitler erwähnte. Diese Erwähnung hat einen leicht durchschaubaren apologetischen Charakter gegenüber der sehr berechtigten Frage Hitlers, weshalb Lütjens denn nicht Kehrt gemacht  habe. Wenn man die Torpedoangriffe dieser Leichten Kreuzer für so gefährlich hielt, so hätte man den Ausbruch gar nicht wagen dürfen, denn diese konnten ja selbstverständlich nicht nur bei der Rückkehr sondern ebenso beim Ausmarsch ausgeführt werden.

Meiner Meinung nach hätte direkt Narvik angelaufen werden sollen. Dies hätte Tovey keine Möglichkeit gegeben, den Verband vor dem Einlaufen noch mit Torpedobombern der Victorious abzufangen. Den Rest der Home Fleet (das waren ja nur noch King George V. und Repulse und einige Leichte Kreuzer) hätte er wohl kaum der Gefahr deutscher Bombenangriffe von Norwegen aus ausgesetzt.

Ich bin mir bewußt, daß man selbstverständlich im Nachhinein leicht urteilen kann, doch bin ich nach wie vor der Auffassung, daß auch bei Betrachtung der entgegenstehenden Argumente (und dies ist ja im Wesentlichen nur die Tatsache, daß der Ausbruch, zwar anders als geplant und erhofft, d.h. nicht ungesehen und unbemerkt, sondern freigekämpft und freigeschossen, geglückt war, aber mit den offenbar nicht abzuhängenden Fühlungshaltern im Genick, mit beschädigtem und in der Geschwindigkeit herabgesetztem Schiff und mit der an Dringlichkeit gewinnenden Notwendigkeit der Ölergänzung, die ohne Abschütteln der Fühlunghalter nicht möglich war) die Fortführung der Operation durch 2000 sm nach der Biskaya durch eine aufgescheuchte englische Flotte hindurch, die unter allen Umständen die erlittene Scharte auswetzen und die Hood rächen wollte, unterstützt durch eine nicht einmal dem Namen nach mehr neutrale USA unter diesen Umständen unverantwortlich war und im Wesentlichen wohl der Persönlichkeit Lütjens' und dessen Wunsch, "nicht der dritte Flottenchef zu sein, der im Unfrieden mit der Skl verabschiedet wird" geschuldet ist.

Im ganzen ein geschenkter Seesieg für die Engländer.

Und schwere Führungsfehler duch den deutschen Flottenchef, der offensichtlich in seinem Bestreben, die Weisung seines ObdM auf Punkt und Komma in völlig veränderten taktischen Lagen auszuführen, gegen die vielgerühmte deutsche Auftragstaktik in sträflichster Weise verstoßen hat.

Götz von Berlichingen

Huch, ich sehe gerade, daß ich mich hier mit einer Panne eingeführt habe.

'Tschuldigung, ich hatte meinen Beitrag eigentlich als Anwort in diesem Faden plazieren wollen:

http://forum-marinearchiv.de/smf/index.php/topic,8738.30.html

Da ich wohl zu lange daran rumgetippt habe, bin ich bis zur Absendung des Beitrags offenbar automatisch ausgeloggt worden und erhielt obendrein die Fehlermeldung: "Betreff ausfüllen!".

Dies habe ich dann getan und es hatte wohl irgendwie zur Folge, daß ich, ohne es zu wollen, offenbar unbeabsichtigt einen neuen Thread gestartet habe.

Ich bitte dies zu entschuldigen.

t-geronimo

Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

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Götz von Berlichingen


Woschnik

Hallo Götz,

zwei Gegenargumente an Dich und pro Lütjens:

1. (Hatte hier schon einer gepostet) Die Prince of Wales hatte schon einigen Schaden an der Bismarck angerichtet, als sie endlich mit ihrem besseren Radar schießen durfte (was Holland zuvor noch verboten hatte). Auch zeigte sich bei dem späteren Schusswechsel, dass es der Bismarck nicht gelungen ist, die verfolgende Prince of Wales erneut zu treffen. Auch ein Fakt: Die Bismarck konnte da schon die vermeindlich langsamere Prince of Wales nicht abschütteln.

2. Lütjens und Deutschlands einzige Chance gegen England war der Handelskrieg. Auch ohne die schnelleren und stärkeren Einheiten der KGV-Klasse - gegen die Verbände aus Kreuzern und Flugzeugträgern mit ein paar alten Schlachtschiffen als Deckung hätten sich auch Bismarck und Tirpitz auf Dauer nicht durchsetzen können. Natürlich hätten sie vielleicht noch Einheiten der Navy versenken können, aber zu welchem Zweck? Zudem haben die USA später ja auch noch Schlachtschiffe zur Unterstützung der Royal Navy geschickt - alles Faktoren, die einem Admiral und intelligenten Mann wie Lütjens auch klar waren oder er sie bestimmt vorhergesehen hat.

Bei allen Planspielen und Hypothesen sollten wir eines nicht vergessen: Jedem einigermaßen rational denkenden Menschen war auch zu Zeiten Lütjens vollkommen klar, dass die deutsche Marine mit Überwasserstreitkräften der Royal Navy nicht paroli bieten konnte.

Schließlich und ehrlich sollten wir auch nicht vergessen: Die Versenkung der Hood nach ein paar Minuten war schon eine Glücksache. Selbst wenn die Hood der Bismarck unterlegen war, hätte sie noch ein paar Minuten länger im Gefecht durchgehalten, hätte die Bismarck ganz sicher auch ein paar 38er Treffer abbekommen. Sieg hin oder her - Lütjens hat vor dem Hintergrund seiner Lage das beste gemacht, was er konnte. Gerade die Zufallstreffer sowohl auf der Hood als später auf der Bismarck zeigen uns heute obendrein, wie verwundbar Schlachtschiffe nun einmal waren.

Liebe Grüße

Volker

Götz von Berlichingen

Hallo Volker,

ich denke, daß es natürlich nicht gänzlich ohne Risiko gewesen wäre (so etwas gibt es im Krieg niemals), doch so eine günstige und erfolgversprechende Lage gegen ein modernes englisches Schlachtschiff zum Erfolg zu kommen mit einem so geringen Risiko für das eigene Schiff hat es für deutsche Schlachtschiffe in zwei Weltkriegen nicht noch einmal gegeben. Und dann muß man die Gunst der Stunde auch nutzen. Im ersten Weltkrieg träumten die deutschen Admirale ja immer davon, mal einen starken, aber nicht überlegenen Teil der Grand Fleet zum Kampf stellen zu können. Und genau dies ist Lütjens vom Schicksal nun beschert worden (nach dem überraschenden Erfolg gegen die Hood).

Hätte ein englischer Admiral ein deutsches Schlachtschiff auf diese Weise entkommen lassen, so hätte er sich von der Admiralität die schwersten Vorwürfe anhören müssen. Bei den Briten hätte es ganz einfach geheißen: »Finish her up!«.
Man stelle sich vor, die Briten hätten an Weihnachten 1943 die Scharnhorst entkommen lassen mit der Begründung, der Auftrag sei ja ausgeführt, die SH vom Konvoi abgedrängt und in die Flucht geschlagen, bei weiterer Verfolgung hätte man sich nur der Gefahr ausgesetzt, in U-Boot-verseuchtem Gebiet einen unglücklichen Treffer einzufangen und dann womöglich manövrierunfähig von einem U-Boot den Fangschuß verpaßt zu bekommen. Der britische Admiral, der so gehandelt hätte, wäre umgehend abgelöst worden.

Ohne Risiko kein Erfolg. Sonst beschwert man sich doch immer, die Anweisungen von Hitler und der Skl, mit den schweren Einheiten kein vermeidbares Risiko einzugehen, hätten jede Erfolgsaussicht zunichte gemacht. Sogar Kummetz will ja angeblich an Silvester 1942 nur wegen des angeblich verfehlten Funkspruchs (der alles andere als ein Befehl war), der, wie die Fama will, "zur Unzeit" eingetroffen sei, das Gefecht abgebrochen haben. In Wahrheit ist das natürlich Quatsch, sein Schiff war schwer beschädigt und er hat das einzig Richtige gemacht, abzubrechen und abzulaufen (wie auch Leach auf Prince of Wales am 24.05.1941). Da gibt es auf beiden Seiten keinerlei Grund, den Gefechtsabbruch den jeweiligen Befehlshabern vorzuwerfen.

Und hier hatte man mal eine Erfolgsaussicht, wie sie gegen ein hochmodernes englisches Schlachtschiff gar nicht größer sein konnte (wenn ein Engländer nach 15 Minuten abdreht und vom Gefechtsfeld hinkt, will das was heißen!), mit einem vergleichsweise minimalen Risiko für das eigene Schiff und ließ diese einmalige Chance (während des Krieges sollte kein deutsches Schiff mehr eine vergleichbare bekommen) ungenutzt verstreichen.

Das erinnert fatal an das Gefecht der Admiral Graf Spee vor dem Rio de la Plata, von dem Gerhard Koop in seinem Buch Die Panzerschiffe der Deutschland-Klasse [Bernard & Graefe, Bonn 1993, S. 229] unter Berufung auf ein Mitglied der Schiffsführung der Graf Spee schreibt:

ZitatDie Exeter hätte eigentlich vernichtet werden müssen - das war im Grunde genommen allen klar - und das trotz der Anwesenheit der beiden leichten Kreuzer.

Die Unternehmung Rheinübung war mit dem Gefecht in der Dänemarkstraße ohnehin - so wie sie geplant war - gescheitert. Sogar Raeder sagte in seinem Lagevortrag vor Hitler am 06.06.1941, "die Unternehmung [...] entbehrte von Anbeginn offenbar des Überraschungsmoments" (wobei man dazu durch den unsinnigen Aufenthalt in Bergen direkt vor der Nase des Engländers sein Gutteil selbst beigetragen hatte).

Außerdem war die Zusammensetzung der Kampfgruppe ja ohnehin nur eine Notlösung. Lütjens hat ja gegenüber Raeder selbst darauf hingewiesen, daß er einen homogenen Verband vorziehen würde und ein Warten auf die Tirpitz vorgeschlagen. Außerdem hatte der bisherige Verlauf der Unternehmung bedenkliche Mängel im nachrichtentechnischen Personal des Flaggschiffes offenbart (drei Funksprüche der Gruppe Nord nicht aufgenommen, auf PG waren sie empfangen worden, falsche Wahl der Tages- und Nachtwellen führt dazu, daß Verbindung mit der Heimat für über sieben Stunden nicht zustandekommt, während die Funksprüche der britischen Kreuzer in Deutschland problemlos aufgenommen wurden). Was läge also näher, als die Unternehmung nach einem versuchten weiteren großen Erfolg gegen den angeschlagenen Gegner abzubrechen und sie als erfolgreichen "Vorstoß gegen die Sicherung der Dänemarkstaße" abzubuchen. Nachdem man mit der Versenkung der Hood so ins britische Wespennest gestochen hatte, war es einfach Wahnsinn, mit dem beschädigten und in der Geschwindigkeit herabgesetzten Schiff, den nicht abzuschüttelnden Fühlungshaltern im Genick und der dadurch sehr unwahrscheinlichen Möglichkeit, einen Tanker ansteuern zu können, 2000 Seemeilen durch feindlich beherrschten Seeraum, in Reichweite der britischen Luftaufklärung und ohne eigene Luftunterstützung den Marsch nach St. Nazaire anzutreten, anstelle durch das feindfreie Nordmeer Nordnorwegen anzulaufen.

Zitat von: Woschnik am 29 Mai 2009, 12:26:06

1. Die Prince of Wales hatte schon einigen Schaden an der Bismarck angerichtet, als sie endlich mit ihrem besseren Radar schießen durfte (was Holland zuvor noch verboten hatte).

Die Prince of Wales lag erst mit der sechsten Salve deckend, obwohl sie in der Zeit überhaupt nicht beschossen wurde, da beide deutsche Schiffe ihr Feuer auf die Hood vereingten und sie praktisch ein Übungsschießen auf bewegliche Ziele durchführen konnte.[Brennecke, a.a.O., S. 259, 277 & 593 (Anm. 232)].

Bismarck dagegen war mit der zweiten oder dritten Salve am Ziel:
ZitatBismarck replied with extreme accuracy on Hood. 2nd or 3rd salvos straddled and fire broke out on Hood

[Brennecke, a.a.O.. S. 259]

L. Kennedy schreibt in seinem Buch Versenkt die Bismarck, "die Radarstation" der Prince of Wales sei zerstört worden. Weiß jemand, welche Schäden Prince of Wales genau nach dem Gefecht davongetragen hat?

ZitatDie Kompaßplattform, das Echolot, die Radarstation, der Flugzeugkran, der vordere Flakleitstand [...] waren zerstört.

[Ludovic Kennedy, Versenkt die Bismarck!, Molden Taschenbuch-Verlag, Wien-München 1977, S. 84]

Prince of Wales selbst meldete per FT um 0720 Uhr:
ZitatA and B turrets in action. Y turret two guns in action. About 400 tons of water in ship mainly above armoured bulkhead. Compartment above steering compartment flooded, but steering gear in action. Estimated best speed 27 knots

Und um 1007 Uhr:
ZitatMain armament control undamaged. 9 main armament guns in action. Secondary armament guns in action. Considerable damage bridge. Both forward High Angle Directors out of action. About 600 tons of water in ship, mainly aft, from two or more hits about water line. Estimate maximum speed 26 knots.

[Brennecke, Schlachtschiff Bismarck, a.a.O., S. 501]


ZitatAuch zeigte sich bei dem späteren Schusswechsel, dass es der Bismarck nicht gelungen ist, die verfolgende Prince of Wales erneut zu treffen. Auch ein Fakt: Die Bismarck konnte da schon die vermeindlich langsamere Prince of Wales nicht abschütteln.

Bismarck machte erst 0601 Uhr Zielwechsel auf Prince of Wales, nachdem sie 0555 Uhr das Feuer auf die Hood eröffnet hatte. Um 0609 Uhr stellte sie das Feuer ein (lt. Bericht I.AO Prinz Eugen, KKpt. Jasper und des IV.AO Bismarck [Frhr. von Müllenheim-Rechberg Schlachtschiff Bismarck, Bechtermünz, Augsburg 1999, S. 126].

In diesen acht Minuten (einschließlich Einschießen!) hat sie Prince of Wales mindestens dreimal getroffen (ich glaube, der gemeinhin BS zugeschriebene Treffer auf den Flugzeugkran der PoW, der das Bordflugzeug beschädigte, als es gerade katapultiert werden sollte, kam wohl in Wirklichkeit von PG (da diese lt. ihrem I.AO während des gesamten Gefechtes mit Sprenggranaten mit Bodenzünder schoß, weil der I.AO die Gegner immer noch als Kreuzer ansprach). Eine Panzersprenggranate der BS wäre wohl kaum beim Auftreffen auf den Flugzeugkran explodiert und hätte die Tragflächen des Flugzeugs mit Splittern durchlöchert).

Die Prince of Wales dagegen beschoß die Bismarck seit 0553 Uhr und hat in diesen 16 Minuten ebenfalls nur drei Treffer erzielen können.

Nun aber war neben dem Rohr in Turm A, das schon nach der ersten Salve dauerhaft ausgefallen war, noch zwei Geschütze aus Turm Y ausgefallen.
ZitatSeit dem Abdrehen aber klemmte der Geschoß-Ringwagen des achteren Vierlingsturms. Bis zur Beseitigung der Störungen hatten die vier Kanonen dieses Turms nur noch zwei Chargierungen Granaten. Eine schlimme Situation mitten im Gefecht

[Brennecke, a.a.O., S. 274]

Und das bei einem drohenden Verfolgungsgefecht!!

Den hätte man nicht entkommen lassen dürfen!

Zitat2. Lütjens und Deutschlands einzige Chance gegen England war der Handelskrieg.

Der Beitrag, den die schweren Einheiten dazu leisten konnten, konnte niemals kriegsentscheidend sein. Ob England zwei Dutzend Dampfer mehr oder weniger hat (von denen mehr als die Hälfte auch noch in Ballast fährt), hat auf den Kriegsverlauf nicht den geringsten Einfluß. Ob Deutschland eines seiner beiden modernsten Schlachtschiffe verliert, dagegen schon.
Oder Beispiel Graf Spee: Was nützen die Handvoll versenkter Schiffe (das schaffte jedes U-Boot zur damaligen Zeit in zwei, drei Feindfahrten), wenn man im Gegenzug ein Drittel der deutschen Panzerschiffe verliert?
Vorrang hatte die Diversionswirkung. Und der ist nicht gedient, wenn man mit beschädigtem Schiff aus Ölmangel auf Zwangskursen mit angezogener Handbremse (20 kn!) durch den feindlich beherrschten Atlantik schippert und dabei völlig unnötigerweise dieses großartige Schiff verliert.

Da war's dann aus mit der Diversionswirkung.

Wie Koop in dem oben erwähnten Buch den Offizier der GS zitiert:
ZitatAlle Offiziere wußten, daß auch bei einer Aufgabe als Handelsstörer die Bindung feindlicher Seestreitkräfte Vorrang hatte vor Tonnageerfolg

[Koop, a.a.O., S. 228]

Und der Handelskrieg durch schwere Überwasserschiffe hatte nach dem Bismarck-Debakel sein jähes Ende gefunden, die Briten konnten ihre Schlachtschiffe von den Konvois wieder abziehen und brauchten sie nicht weiter mit Geleitaufgaben zu verschleißen.

Tovey hat mal gesagt, wäre der Bismarck der Durchbruch in die Heimat geglückt, hätten die Briten Nelson und Rodney (und wohl auch die verbleibenden schnellen Schlachtschiffe der King George V.-Klasse, Anm. GvB] dauerhaft an Scapa Flow binden müssen in Bereitschaft gegen Bismarck und Tirpitz. Das alles hatte Lütjens den Engländern erspart, weil er "zu viel wollte" (Frankreich erreichen. Was wollte er eigentlich dort? Der RAF als Ziel dienen wie SH und GU?).

ZitatBei allen Planspielen und Hypothesen sollten wir eines nicht vergessen: Jedem einigermaßen rational denkenden Menschen war auch zu Zeiten Lütjens vollkommen klar, dass die deutsche Marine mit Überwasserstreitkräften der Royal Navy nicht paroli bieten konnte.

Zahlenmäßig sicher zutreffend, doch hieß es selbst im Operationsbefehl der Skl:

ZitatDie Erringung der Seeherrschaft im Nordatlantik als umfassendste Lösung dieser Aufgabe ist bei dem augenblicklich auf unserer Seite möglichen Kräfteansatz und bei dem Zwang, mit unseren zahlenmäßig geringeren Kräften hauszuhalten, vorerst nicht erreichbar. Eine örtlich und zeitlich begrenzte Seeherrschaft in diesem Gebiet ist jedoch anzustreben und schrittweise planmäßig und zielbewußt auszubauen.
[Brennecke, a.a.O., S. 130]

Und genau die hätte man im Gebiet der Dänemarkstraße durch die Versenkung auch noch der Prince of Wales zeitweise erringen können und - was noch viel wichtiger war - für zukünftige Operationen gemeinsam mit dem Schwesterschiff Tirpitz, aber auch für Unternehmungen von Scharnhorst und Gneisenau, einen der gefährlichsten Gegner, eines der zu diesem Zeitpunkt (und noch für ein weiteres halbes Jahr) beiden einzigen modernen schnellen Schlachtschiffe des Feindes unter den denkbar günstigsten Umständen für den eigenen Verband vernichten können.

ZitatSchließlich und ehrlich sollten wir auch nicht vergessen: Die Versenkung der Hood nach ein paar Minuten war schon eine Glücksache.

Stimmt, aber gerade das Glück soll man festhalten, wenn es an einem vorbeirauscht. Irgendjemand hat mal gesagt, was man in einem solchen Augenblick ausschlägt, gebe einem keine Ewigkeit mehr zurück. Recht hat er.  :wink:

Grüße
Thomas

t-geronimo

ZitatWeiß jemand, welche Schäden Prince of Wales genau nach dem Gefecht davongetragen hat?

In aller Einzelheit wäre das einiges an Tipperei, da Garzke/Dulin "Allied Battleships in WW2" die Trefferfolgen sehr detailliert schildern.

Den Treffer im Bereich Kran/achterer Schornstein schreiben sowohl G/D als auch Raven/Roberts "British Battleships in WW2" Bismarck zu. Da starke Splitterschäden die Folge waren, konnte man vermutlich aufgrund der Stärke der Splitter auf das Geschoss rückschließen.
Die Granate traf den Kran etwa 10 Fuß oberhalb des Bootsdeck-Levels, wurde nach oben hin abgelenkt (und dabei wohl der Zünder aktiviert) und explodierte achtern des hinteren Schornsteins. Dabei wurde ein 3x5-Fuß-Loch in den Schornstein gerissen und der Abgas-Auslaß beschädigt. Dessen Rauch drang in die hinteren Kesselraumbelüftungsschächte und füllte einen Kesselraum mit Rauch.
Eine Walrus, die gerade gestartet werden sollte, wurde beschädigt und über daraufhin über Bord katapultiert (ohne Pilot!).
Vier Splitter beschädigten den achteren Flak-Leitstand und verwundeten einen Mann der Bedienung schwer.
Zwei Boote wurden zerstört und weitere schwer beschädigt. Zum Glück wurde vor dem Gefecht bei allen der Treibstoff abgelassen, so daß die ausbrechenden Brände sehr schnell gelöscht werden konnten.
Unter Deck gab es starke Splitterschäden (insgesamt wurden 37 Splitter-Löcher gezählt). Zwei große Splitter drangen in den Radar-Raum des Typ 285-Radars, wo die Bedienung getötet oder verwundet wurde. Außerdem wurden durch die Splitter viele Kabel beschädigt oder zerstört.

Anmerkung zum Radar:
Wenn kein Tippfehler vorliegt, hätte PoW also schon zu diesem Zeitpunkt 285-Geräte gehabt, die aber für die Flak und nicht für die SA waren.
An anderer Stelle schreiben G/D nämlich, 285 kam erst vor der Singapur-Reise an Bord. R/R geben den Zeitpunkt für den Einbau 285 mit ungefähr Mai 1941 an.
Sollten G/D sich vertippt haben (bzw. die Drucker des Buches) UND 285 erst später an Bord gekommen sein, dann könnte in der Tat auch das 284-SA-Radar gemeint sein, was ich aber für sehr unwahrscheinlich halte.
Leider weiß ich nicht, wo der 284-Bedienungsraum exakt war.


Einige weitere kurze Anmerkungen:
BS mußte sich nicht auf PoW einschießen, da letztere dem Hood-Wrack ausweichen mußte und BS quasi sofort im Ziel lag. Daher ja auch die fixen Treffer. Als POW dann abdrehte und nebelte, gabs keinen einzigen Treffer mehr - daran hätte auch eine Verfolgung nicht viel geändert, da diese den Nebel nicht durchsichtig gemacht hätte.

Zur Diversionswirkung:
Eine reparierte BS hätte den Briten durchaus massivste Kopfschmerzen bereitet, da nicht sehr viele schwere Einheiten zum Konvoi-Schutz bereit gestanden hätten.
Und im Schlachtschiff-Forum gabs mal einen hervorragenden Artikel darüber, was für ein Chaos ein paar verzögerte oder zurückgehaltene Konvois in den Häfen angerichtet hätten.
Daß das mit der Reparatur wohl nicht funktioniert hätte wegen ständiger Luftschäden: zum großen Teil heutiges Wissen, nicht damaliges!
Ein wenig Risiko muß man schon eingehen. Nicht meine Worte, Deine...

Alle anderen Argumentationen, warum ich denke, daß Lütjens richtig gehandelt hat, sind hier im Forum nachzulesen und bedürfen nicht nochmaliger Wiederholung, da wir uns erfahrungsgemäß im Kreis drehen werden. ;)
Die einen halten eben das eine für richtig, die anderen das andere. Tut sich ja keiner weh damit und hat schon viele, viele Seiten vieler Foren gefüllt. :)
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

t-geronimo

Nach anschauen des offiziellen britischen ADM-Reports ist nun klar, daß tatsächlich das 285-Flak-Radar betroffen war und somit schon an Bord war:

--/>/> http://www.hmshood.org.uk/reference/official/adm267/adm267-111.htm#pofwds


Weitere Radar-Schäden, besonders am 284, werden nirgends erwähnt.



Hat zufällig jemand weitere ADM-Reports zum Verlust der Hood, da viele Links auf der Hood-Webseite nicht mehr funktionieren?
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

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Götz von Berlichingen

#59
Hallo Thorsten,

Danke für Deine Mühe, die Infos rauszusuchen.

Zitat von: t-geronimo am 30 Mai 2009, 13:32:24
Als POW dann abdrehte und nebelte, gabs keinen einzigen Treffer mehr - daran hätte auch eine Verfolgung nicht viel geändert, da diese den Nebel nicht durchsichtig gemacht hätte.

Na ja, genebelt haben damals auch Glorious und ihre zwei Geleitzerstörer, genützt hat's ihnen nichts, versenkt wurden sie trotzdem. Wenn ich es richtig im Kopf habe, hat auch Rawalpindi genebelt.  :wink:

ZitatDaß das mit der Reparatur wohl nicht funktioniert hätte wegen ständiger Luftschäden: zum großen Teil heutiges Wissen, nicht damaliges!

Nur zum Teil nachträgliches Wissen: Der Blindgänger im GU-Trockendock in Brest und der nachfolgende Lufttorpedotreffer bei dem kurzzeitigen Ausdocken zur Entschärfung des Blindgängers Anfang April 1941 war ja schon eine deutliche Warnung. Man konnte sich vorstellen, was einem da bei wochen- und monatelangen Liegezeiten im Dock blühen würde. Besonders wenn die Engländer, die bekanntlich nicht ganz so gute Verlierer sind, wie sie es von sich gern behaupten  :wink:, versuchen würden, die Scharte mit der Hood auszuwetzen und sich an ihrem Bezwinger zu rächen.

ZitatEin wenig Risiko muß man schon eingehen. Nicht meine Worte, Deine...

Stimmt, aber man muß zwischen dem Risiko in der akuten Phase der Schlacht (das sich nicht vermeiden läßt, wenn man einen Erfolg erzielen will - es gibt doch den Spruch: "Wirkung geht vor Deckung!") und dem bei der Anlage einer Unternehmung, bzw. dem Entschluß eine solche, wie gesagt mit beschädigtem Schiff (wenn BS ebenso wie PG unbeschädigt aus dem Gefecht hervorgegangen wäre, würde ich Dir recht geben), durch einen feindbeherrschten Seeraum in Reichweite feindlicher Luftaufklärung und für eine sehr lange Zeit ohne Aussicht auf eigene Luftunterstützung fortzusetzen. All diese nachteiligen Punkte (Fahrtverminderung aufgrund Ölknappheit, Zwangskurse, Unmöglichkeit aus Tanker zu beölen, feindbeherrschter Seeraum, mangelnde deutsche Luftunterstützung) wären bei einer Rückkehr nach Norwegen vermieden worden.

ZitatAlle anderen Argumentationen, warum ich denke, daß Lütjens richtig gehandelt hat, sind hier im Forum nachzulesen und bedürfen nicht nochmaliger Wiederholung, da wir uns erfahrungsgemäß im Kreis drehen werden. ;)
Die einen halten eben das eine für richtig, die anderen das andere. Tut sich ja keiner weh damit und hat schon viele, viele Seiten vieler Foren gefüllt. :)

Zustimmung.

Es gibt ja noch einige weitere sehr umstrittene und unglückliche Entschlüsse von Lütjens auf dieser Unternehmung:


  • Die frühe Auflösung des Verbandes ohne ernsthaft versucht zu haben, zusammen mit PG durch drastische Kursänderung (wie dann um 0300 Uhr des 25.05. durch BS allein erfolgt) die Fühlunghalter abzuschütteln. Der Kmdt. der Prinz Eugen hatte ja nach dem mißglückten ersten Absetzmanöver der BS einen Blinkspruch an Lütjens vorbereitet, den Verband zusammenzuhalten, kam aber nicht mehr dazu, ihn abzusetzen. Diese ganze Aktion scheint mir (und offensichtlich damals auch Brinkmann) verfrüht. Außerdem ist sie ja, was Lütjens' eigentliche Absicht anbelangt, BS vom Feind zu lösen, während PG drei Stunden Kurs und Fahrt beibehalten sollte (und sogar, um den Fühlungshaltern die Aufgabe zu erleichtern, sich sacken lassen sollte - Fahrtverminderung auf 18 kn) auch mißlungen: nicht, wie geplant, BS wurde das Absetzen ermöglicht, sondern PG. Wäre die Prinz Eugen beim Flaggschiff geblieben, hätte möglicherweise der fatale Fehler Lütjens' mit Abgabe des ellenlangen Funkspruchs vermieden werden können. Das Funkpersonal auf PG hat sich dem auf BS ja im Verlauf der Unternehmung als überlegen gezeigt; gut möglich, daß bei einem Verbleiben PGs die Tatsache der Abschüttelung der Fühlung Lütjens nicht verborgen geblieben wäre.

  • Der berühmte Funkspruch, der dem Gegner die Einpeilung der Position ermöglichte. Um diesem unerklärlichen schweren Fehler eine rationale Erklärung zugrundelegen zu können, werden ja die (meiner Meinung nach unbegründeten) Spekulationen über das mögliche Vorhandensein eines FuMBs auf BS in die Welt gesetzt. Es ist m.W. nach so gut wie sicher, daß BS kein FuMB hatte. Im übrigen war es selbstverständlich auch dem FuMO-Bedienungspersonal auf BS klar, daß ein Ortungsimpuls nicht nur die einfache Entfernung zum Ziel, sondern auch den Rückweg zur Antenne wieder schaffen mußte. Sie bedienten ja die gleichen Geräte. Die Erklärung, damals sei die Funkmeßtechnik eben ganz am Anfang gestanden und diese Erkenntnis sei deswegen für die Verantwortlichen unverständlich gewesen (das mag vielleicht auf Lütjens, Lindemann und andere Seeoffiziere zutreffen, bestimmt aber nicht auf das Fachpersonal an Bord) ist absurd. Und wenn Lütjens aus Aussagen von Fachoffizieren die falschen Rückschlüsse gezogen haben sollte, ohne sich von diesen zuvor in seiner verschlossenen, wortkargen Art eingehend einweisen und beraten zu lassen, fiele diese Fehlbeurteilung und ihre katastrophalen Folgen einzig und allein ihm selbst zur Last.

  • Schließlich noch die Entscheidung, nachdem klar war, daß man sich durch diesen schweren Fehler mit der Abgabe dieses Funkspruches mit einer Sendezeit von 30 Minuten (!) dem Feinde verraten hatte (ebensogut hätte man dem Engländer gleich im Klartext den eigenen Standort funken können), Kurs und Geschwindigkeit beizubehalten, obwohl klar war, daß der Gegner alles was fahren und fliegen kann nun zwischen die Bismarck und die Biskaya schieben würde. Die Gruppe West schlug ja mehrmals per FT ein Absetzen in entlegene Seegebiete vor, um abzuwarten, bis die Blockade der Biskaya abgeklungen sein würde.
    Kurs und (viel zu geringe) Geschwindigkeit waren durch die Heizöllage vorgegeben.
    Dennoch wäre es Lütjens' Pflicht gewesen, nachdem er seinen Standort und seinen Kurs durch eigene Fehlleistung dem Gegner bekanntgemacht hatte, auf einen Ausweg aus dieser fatalen Zwickmühle zu sinnen.
    Der hätte nur sein können, am späten Vormittag des 25. Mai, nachdem er durch FT der Gruppe West über das Abreißen der Fühlung in Kenntnis gesetzt worden war und er seinen bisherigen Plan, nach Frankreich zu laufen dem Gegner bekanntgemacht hatte, ohne Rücksicht auf die Brennstofflage scharf nach Süden abzudrehen, aus der Reichweite der britischen landgestützten Aufklärungsflugzeuge und der der Ark Royal (daß die Force H im Ostatlantik stand, war ihm ja durch FT bekannt) herauszukommen und einen Tanker (Spichern, Esso Hamburg, Friedrich Breme) anzusteuern. Dort hätte auch wieder ein Zusammentreffen mit Prinz Eugen erfolgen können, die ja am 26.05. aus Spichern Öl ergänzte. Diese Entscheidung wäre ohne Zweifel riskant gewesen (dem PG-Kmdt. Brinkmann ging es ja genauso: er schrieb ins KTB: »Der Entschluß ist sehr schwer.«). Doch einfach stur weiterhin mit 20 kn auf einmal eingeschlagenem Kurs (wie ein Fahrgastschiff im Frieden) auf die Biskaya zuhalten und die feindlichen Flugzeuge und Zerstörer/Kreuzer erwarten, die sich wieder anhängen würden??

Mir scheint, der Flottenchef hat während dieser ganzen Unternehmung einen lähmenden, ja geradezu unheilvollen Einfluß auf seine Umgebung ausgeübt:

Seine defätistische Ansprache an die Besatzung am 25.05., die auf die Männer einen verheerenden Eindruck hinterlassen hat und seine eigenen fatalistischen Bemerkungen vor Antritt der Unternehmung (ihm sei klar, daß er sich einmal würde opfern müssen); man kann wohl daraus schließen, daß er es aus seinem Pessimismus heraus für ganz und gar unmöglich gehalten hat, die Suffolk noch einmal abzuschütteln und daß dieser Fatalismus mehr als alles andere (wie im Nachhinein unterlegte Spekulationen über ein nicht vorhandenes FuMB und dessen angebliche Anzeige einer Ortung) dazu beigetragen hat, die Absetzung des fatalen Funkspruches zu befehlen.

Aber wie heißt es so schön: »Nur wer sich aufgibt, ist verloren.«

Müllenheim-Rechberg beschreibt ja die erschütternde Szene am Morgen vor dem letzten Gefecht, als Lindemann völlig apathisch mit aufgeblasener Schwimmweste auf der Brücke stand und sein Frühstück einnahm:
ZitatIm Vorderen Kommandostand stand Lindemann. Er trug seine Schwimmweste in aufgeblasenem Zustand und ich mußte zweimal hinsehen, um es zu glauben. Sein Steward Arthur Meier reichte ihm gerade das Frühstück und während er es einnahm, schien er in merkwürdiger Weise von seiner Umgebung isoliert zu sein. Denn er hatte mich wohl kommen sehen, aber er erwiderte meinen Gruß nicht, auch dann nicht, als ich ihn verlängerte und ihn in der Hoffnung auf ein Wort von seiner Seite intensiv ansah. Nein, er erwiderte den Gruß nicht, sagte auch kein Wort, vermied es überhaupt, mich noch einmal anzublicken. Und dabei blieb es. Es berührte und verwunderte mich doch sehr. Schließlich war ich früher sein persönlicher Adjutant gewesen und unsere Lage erschien mir doch außergewöhnlich genug für eine Bemerkung. Viel hätte ich um ein Wort von ihm gegeben, ein klärendes, eines das die Entwicklung der Operation aus seiner Sicht beleuchtete. Aber es gab nur Schweigen, und ich blieb allein mit meinem Versuch, es zu deuten.
Das war in dieser Stunde nicht der Lindemann, den wir alle kannten. Im Jahr zuvor hatte Lindemann mich in vertrauteren Gesprächen wissen lassen, wie sehr er sich immer das Kommando über ein großes Schlachtschiff gewünscht hätte. [...] Zwar, so hatte er hinzugefügt, hätte das Kommando über ein Flaggschiff seinen Wünschen nicht eben am vollkommensten entsprochen. Einen Admiral an Bord haben - das konnte in kritischen Situationen zu Differenzen führen, die es auf einem »braunen« Schiff (ein Schiff, auf dem kein Verbandsbefehlshaber eingeschifft war und der Kommandant ranghöchster Offizier an Bord war) eben nicht gab. Natürlich hing das weitgehend von den beteiligten Charakteren ab. »Wie geht es denn mit Lütjens?« hatte ihn Anfang 1941 einmal ein Crewkamerad gefragt. »Nicht einfach«, war seine knappe Antwort gewesen. Aber wenn, so hatte Lindemann mir weiter gesagt, sein Schiff, das Flaggschiff des Flottenchefs, jemals vermeidbar in Gefahr gerate, nun, dann werde das dem Admiral und nicht ihm zur Last fallen. [...] Wollte er durch sein ganzes Gebaren seine innere Distanzierung von der Verantwortung für die durch Lütjens herbeigeführte Lage seines Schiffes anzeigen?

Burkard Freiherr von Müllenheim-Rechberg, Schlachtschiff Bismarck, a.a.O., S. 212 ff.]

Grüße
Thomas

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