Rechtfertigung von Kriegsverbrechen?

Begonnen von Dominik, 13 Juli 2006, 22:19:04

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Langensiepen

Hallo mhorgan:
1)Ich bitte um Mitteilung, wo und wann die britische Regierung das wegbomben von Nazi-Säuglingen als Kriegsverbrechen bezeichnet hat. Wäre auch zu lustig, da ja die Bomberei auf Anordung der Regierung erfolgte und in GB War-Crime ausschließlich durch Einzelpersonen erfolgt(e) und nicht durch Staatsorgane angeordnet wird ( wurde )
Was wäre dann aktuell mit Serbien und dem Irak ?
2) Wieso ist die PC Auffassung, das die Bombenopfer letztlich selbst an ihrem Schicksal schuld sind, da sie ja die Nazis gewählt habeneine Aufrechnung von Straftaten? Ich habe das so immer ( noch ) von unseren frei gewählten nur ihrem Gewissen unterworfenen Bundes- und Landesabgeordneten gehört. Hab ich da was überhört?
BERND

Spee

@mhorgran,

Nun, natürlich befinden sich die Schiffsbrüchigen in der Gewalt der bewaffneten "nicht-Schiffsbrüchigen", auch wenn sie sich noch gar nicht an Board des anderen Schiff befinden. Anders hätten die US-Seeleute die Japaner nicht abschießen können.
oder?


Wenn dem so wäre, könnten sie nicht flüchten.
Außerdem steht ja wohl außer Zweifel, das derjenige, der eine Rettung unter diesen Umständen verweigert und versucht an Land zu schwimmen einen Fluchtversuch begeht. Der darf eben auch mit Waffengewalt verhindert werden.
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

Woschnik

Der Begriff "Kriegsverbrechen" ist ein Widerspruch in sich. Den einen darf ich legal abknallen, den anderen nicht? Das ist doch ein Witz. Aber diese Diskussion hatten wir doch schon einmal im alten Forum. Es ist (meiner Meinung nach) eine vollkommen romantische Verklärung von Krieg an sich, dafür Regeln aufzustellen, an die man sich dann in der Realität bitte schön zu halten hat.

Die ganzen Konventionen, die den Ablauf von Kriegen regeln sollten, waren ein Versuch, zu erklären, Krieg sei die Fortsetzung von Politik mit anderen Mitteln. Anders ausgedrückt: Wenn ich keine Argumente mehr haben, hau' ich dir halt eins auf die Fresse - aber bitte immer nach den gültigen Regeln. Das nennt man dann zivilisiert. Wo kämen wir denn auch hin, wenn jeder seinen Krieg so führen würde wie er wollte. Wie sollten wir denn auch junge Männer und heute auch junge Frauen für den Krieg begeistern, wenn wir zugäben, das er so brutal und grausam wie eh und je ist. Nein, nein, so geht das natürlich nicht.

Ich möchte niemanden provozieren, aber es vollkommen müßig, im Nachhinein das Töten im Krieg an irgendwelchen abstrakten Kriegsordnungen zu messen. Krieg ist ein Verbrechen an der Menschlichkeit. Denn die Opfer haben nie, aber auch niemals irgendetwas von dem Krieg gehabt.

Liebe Grüße

Volker

Spee

@Woschnik,

wo soll man da jetzt deine Meinung dazu einordnen?
"Nie wieder Krieg" oder "Wollt ihr den totalen Krieg"?
Punkt 1 ist sowas von romantisch, da passen dann zu Jedem rosa Puffärmel und zartblaue Wölkchen.
Punkt 2 wäre hart und illusionslos.

Anderenfalls werden dir einige Millionen Soldaten seit den ersten Landkriegskonferenzen möglicherweise etwas anderes erzählen. Die Verpflichtung zum Schutz hat bei Unterzeichnung eine zwingende Wirkung. Sollte man verlieren und die Regeln nicht annähernd beachtet haben, könnte das schlecht ausgehen.
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

t-geronimo

Ich denke auch, der Versuch, solche Regeln aufzustellen, ist nicht verkehrt!

Klar wird sich nicht immer dran gehalten und wenn nicht, dann wird darüber trotzdem oft nicht gerichtet und die OPfer machts nicht wieder lebendig. Das haben wir hier ja schon durch.

Aber selbst wenn sich nur an einen kleinen Teil der Regeln (Konventionen) gehalten wird (z.B. kein Giftgas, keine Streumunition oder was weiß ich auch immer), dann werden auch damit wieder Leben gerettet.
Und dann hat sich das Aufstellen der Regeln schon bezahlt gemacht.
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

mhorgran

#50
Hallo Bernd
(hat ein bißchen länger gedauert)

zu 1.) Da hab ich mich wohl geirrt. Tschuldigung
zu 2.)
a.) haben nicht alle Deutsche Hitler gewählt.
b.) wird die allierten Bombadierung mit den dt. Verbrechen (Holocaust etc.) begründet. Hier wird ein Verbrechen (Bombadierungen) mit einem anderen verrechnet (Holocaust).
c.) Weil du dieses von unseren "-Abgeordneten" gehört hast muß es nicht richtig sein.

Spee:
naja

Woschnik
Hallo
Nach meiner Meinung hast du teilweise schon recht, allerdings gibt es Kriegsregeln wohl schon so lange wie es Menschen gibt.
Kriegsregeln hatten eine praktische / reale Bedeutung, keine romantische Verklärung, da diese Regeln - in verschiedensten Formen - schon lange gibt gelten sie auch nicht "im Nachhinein" (außer bei neuen Waffen wie zb. Giftgas im 1.WK).
Wenn sich, jetzt, alle Staaten an die UN-Charta halten würden, gäbe es tatsächlich -endlich- keinen wirklichen Bedarf mehr für Kriegsgesetze.

Woschnik

Hallo Spee,

hart würde ich nicht sagen, sondern illusionslos. Ist nun einmal meine Überzeugung. Ich denke auch nicht, dass die so genannten "Kriegsregeln" auch nur ein einziges Menschenleben je geschützt haben.

Was ich meine, ist folgendes: Der Bauchschuss gilt als eine der schmerzhaftesten Verletzungen überhaupt. So sagt "man". Zugegeben, glücklicherweise kann ich das nur vom Hörensagen beurteilen.

Frage: Der arme Mensch, der solchermaßen gequält leidet und stirbt, ist der tatsächlich besser dran als jemand, der ebenso gequält an Giftgas oder was auch immer stirbt? Würde es jemand auf sich nehmen, diesem Menschen zu sagen: Mensch, hast du aber Glück gehabt, du hättest auch vergiftet werden können? Ersticken können? An Krämpfen sterben können?

Natürlich weiß ich auch, dass wir noch sehr lange mit Kriegen auf der Welt zu kämpfen haben. Aber natürlich weiß ich auch, dass Kriege mit der Einsatzdauer auch immer roher und brutaler werden. So ist der Mensch nun einmal, ob wir das wollen oder nicht. Bestätigt jeder Psychologe im ersten Semester, bestätigen ungezählte Berichte zutiefst unglücklicher Kriegsteilnehmer.

ES GIBT KEINEN FAIREN KRIEG.

Das könnte man nur erreichen, wenn eine Armee das gleiche wäre wie eine Polizei. Wo hier aber die Unterschiede liege, brauche ich niemanden zu erzählen.

Ich bleibe bei meinem sehr rigorosen Urteil: Kriegsregeln sind nur dazu da, den armen Schweinen im Schützengraben den Krieg als solchen als Feld der Ehre zu verkaufen.

Fair wäre es, allen potentiellen Soldaten reinen Wein einzuschenken und wahrheitsgemäß zu sagen: Wenn ihr in den Krieg zieht, dann müsst ihr mit dem Schlimmsten rechnen. Dafür kümmern wir uns um euch, wenn ihr verletzt seid. Dafür sogen wir uns um eure Hinterbliebenen.

So, und gerade an den letzten beiden Aspekten wird dann deutlich, wie "gerecht" alle unsere sogenannten zivilisierten Gesellschaften mit den Opfern und Hinterbliebenen umgehen. Selbst in der Bundesrepublik wird heute schon diskutiert, dass ja die Hinterbliebenenrenten doch schon eine ganz schöne finanzielle Belastung für uns Ärmste der Armen sind. Oh weh. In den USA werden tausenden von Verwundeten des ersten Golfkrieges Zahlungen verweigert. In GB wurden psychische Folgeschäden des Falklandkonflikts schlicht geleugnet. Ob bis heute immer noch, ist mir allerdings nicht bekannt. Von dem Schicksal russischer Soldaten weiß ich nur aus vagen Berichten - aber in dieser Armee werden sogar Rekruten gefoltert.

Und diesen "Opfern" soll man nun sagen: Hey, es gibt ganz tolle Kriegsregeln, die verhindern das Schlimmste? Ich persönlich, ich betone noch einmal, dass das meine ganz persönliche Meinung ist, halte das für eine vollkommen jeglicher Realität entbehrende romantische Phantasie.

Wer mir das nicht abnimmt, dem empfehle ich die Lektüre von Erich Maria Remarque, Im Westen nichts Neues, von 1929. Besser hat noch niemand die vollkommene Sinnlosigkeit von Krieg beschrieben. Das Grauen, das Brutale und das völlige fehlen des Ehrentodes auf dem Felde. Und wenn der Krieg schon sinnlos ist, wie steht es dann mit den Regeln?

Liebe Grüße

Volker

Spee

@Woschnik,

das ist doch mal ein klares "Stellung beziehen"!
Remarque kann man nur empfehlen. Für die Marine würde ich dann Plievier "Des Kaisers Kulis" vorschlagen.

Illusionslos ist die ganze Sache auf jeden Fall. Aber der Versuch, die Regeln zu halten ist besser, als ohne Regeln leben zu wollen.
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

Ralf

@Woschnik: Wie gewohnt ein super Beitrag! Hört! Hört! :MG:
Gruß
Ralf
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,,Du kannst Dein Leben nicht verlängern und Du kannst es auch nicht verbreitern. Aber Du kannst es vertiefen!"
Gorch Fock

Woschnik

Hallo Spee,

da stimme ich Dir tausendprozent zu. Noch eine kleine Anmerkung: Regeln zum Leben sind unverzichtbar. Würde ich den Satz sprechen, würde ich "zum Leben" betonen. Ich kann ja zuweilen  :-D superstur beim Diskutieren sein :MS: Vor dem Hintergrund solcher Diskussionen bin ich immer sehr traurig, weil ich gerade in der Bundesrepublik immer ganz froh war, dass das Thema Krieg eigentlich für unsere Soldaten kein reales Thema war. Bis zur Rot-Grünen-Koalition. Ich dachte: Mensch, vielleicht hat der so schreckliche 2. WK doch etwas Gutes hinterlassen. Leider ein Irrtum.

Eine UN-Truppe würde sich, in einen langen Krieg, sagen wir einmal mit dem Iran (wollen wir lieber nicht hoffen), auch nicht anders verhalten als viele US-Soldaten während des Vietnamkrieges. Ich habe auch nie zu denen gehört, die Menschen verurteilen, die im Überlebenskampf (und nichts anderes ist ein Krieg) verrohen. Wir, die wir unsere Bürger in den Krieg schicken, allein wir sind für alles verantwortlich, was dann im Krieg geschieht. Gerne halte ich es mit einem durchaus bekannten Schriftsteller, und vor diesem Hintergrund sehe ich die "Kriegsregeln":

Es ist immer ein Moralist, der den Mord zur Pflicht macht
George Bernard Shaw (1856-1950)
Liebe Grüße

Volker

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