Auswahl deutscher Hilfskreuzer

Begonnen von Urs Heßling, 02 November 2014, 17:11:29

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Urs Heßling

moin,

nach zahlreichen Threads zu "Alternativ-Entwicklungen" für Schiffe der Kriegsmarine etwas Konkreteres:

Bei der Betrachtung der deutschen Hilfskreuzer fällt auf, daß viele vergleichsweise große Schiffe ausgewählt wurden (Atlantis, Orion, Pinguin, Widder, Kormoran jeweils > 7000 BRT).

Die Auswahl ist auch ein wenig fragwürdig:
- Orion, Widder und Kormoran wurden fast während der gesamten Fahrt von Maschinenstörungen geplagt, die evt. weitere Erfolge vereitelten.
- Pinguin und Atlantis waren von vornherein (Aussage Gröner gem. U. Mohr) "kaum zu tarnen" ("Fels"-Schiffe) und fielen - nach zahlreichen Erfolgen - möglicherweise aufgrund optischer Identifizierung ihren Gegnern zum Opfer.

Daher meine Frage:
Hätte nicht die Möglichkeit bestanden, eher kleinere, unauffälligere Schiffe einzusetzen, um auch wertvollen (schnell, groß) Transportraum im Heimatbereich zu halten ?

Solche Schiffe, die auch ihre Verwendbarkeit bei Fernfahrten bewiesen, standen zur Verfügung
mit Alsterufer, Alstertor, Python, und ggf. Palime, Angelburg und Ulm, alle ca. 3000 BRT groß und 16 kn schnell.

Ein (weiterer) Vorteil wäre gewesen, daß diese teilweise im Ausland gebauten Schiffe mit ihren "angerundeten" Brücken nicht "typisch deutsch" aussahen.

Als Beleg, daß eine solche Verwendung möglich war, sehe ich z.B. Komet ex Ems mit 3287 BRT.

Eure Meinungen ?

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Trimmer

#1
Hallo Urs - ich bin mir aber nicht so sicher ob man da die Bewaffnung hätte so gut tarnen können bzw. so einbauen. Ferner wäre die Aufnahme von Prisen wohl auch geringer gewesen. Nehmen wir doch z.B. nur mal die " Orion " HK 36
6 x 15 cm Geschütze
1 x 7,5 cm
6 Torpedorohre 53,3 cm
228 Minen
1 Flugzeug

Gruß - Achim - Trimmer

PS : gebe gerne zu das die Bewaffnung der  Komet ex Ems  auch ähnlich war
Auch Erfahrung erhält man nicht umsonst, gerade diese muß man im Leben vielleicht am teuersten bezahlen
( von Karl Hagenbeck)

Kajot

Gegenüber den britischen HKs waren sie ja eher von bescheidener Größe, aber das hatte natürlich andere Gründe.
Ich denke, dass nicht der geplante Operationsraum, sondern die dortige Verweildauer der entscheidende Grund für die mittlere Größe war. Wenn man nur an "Atlantis" und "Zamzam" und die Aufnahme derer 202 Passagiere (plus Crew!) denkt, kann man sich vorstellen, auf welche Eventualitäten man sich einstellen musste.
Daher denke ich, dass die Größe schon sehr angemessen war. Die Frage der Tarnmöglichkeiten steht natürlich auf einem anderen Blatt. Da gab es sicher geeignetere Schiffe.
Ansonsten ist mir aufgefallen, dass vor allem neuere Schiffe ausgewählt wurden. Das scheint also ein entscheidendes Kriterium gewesen zu sein. Dass deren Maschinenanlagen z.T. nicht eingefahren und daher manchmal störanfällig waren, hätte man sicher berücksichtigen müssen. Aber letztlich wurde die KM ja vom Kriegsausbruch genauso überrascht wie die deutsche Bevölkerung.  Daher kann es nicht verwundern, wenn einige konzeptionelle Gedanken nicht zu Ende gedacht wurden, bzw. das viele Punkte überstürzt entschieden werden mussten. Man denke nur an die vielen, in Ostasien überraschten Handelsschiffe.

kgvm

"um auch wertvollen (schnell, groß) Transportraum im Heimatbereich zu halten"
Ich glaube, diese Überlegung spielte bei der bereits 1939 begonnenen Ausrüstung vieler Hilfskreuzer keine Rolle, denn die Ausdehnung des Heimatbereichs durch die Besetzung von Norwegen und Dänemark sowie den erfolgreichen Westfeldzug hat damals noch keiner vorausgesehen.
Was blieb denn bis dahin: Fahrten nach Norwegen (Erz aus Narvik) und der Verkehr mit den Ostseeanrainern, meines Erachtens alles Fahrtgebiete, für die die umgebauten Einheiten eher weniger zu gebrauchen waren, ganz abgesehen davon, daß sie als Ölbrenner im Hinblick auf Resourcenschonung auch nicht unbedingt bevorzugt einzusetzen waren.

bodrog

@Kajot
ZitatAber letztlich wurde die KM ja vom Kriegsausbruch genauso überrascht wie die deutsche Bevölkerung.

das möchte ich so als Aussage bezweifeln. In der KM hat man eher nicht wahrhaben wollen, was nicht in die strategischen Planungen und Überlegungen gepasst hat, wie zB ein früherer Kriegsausbruch... und auch die Bevölkerung hätte wissen können, wohin die Reise geht...

MfG

Urs Heßling

"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Kajot

Zitat von: bodrog am 02 November 2014, 18:29:39
@Kajot
ZitatAber letztlich wurde die KM ja vom Kriegsausbruch genauso überrascht wie die deutsche Bevölkerung.

das möchte ich so als Aussage bezweifeln. In der KM hat man eher nicht wahrhaben wollen, was nicht in die strategischen Planungen und Überlegungen gepasst hat, wie zB ein früherer Kriegsausbruch... und auch die Bevölkerung hätte wissen können, wohin die Reise geht...

MfG
Dieser Ansatz führt zu nichts, das ist die typische "what if"-Diskussion. Ich habe mich sehr lange mit meinem Vater, meiner Großmutter und anderen Zeitzeugen unterhalten und diese kritische Distanz, die Du einforderst, war wahrscheinlich bei etwa 1% der Bevölkerung vorhanden (und die wanderten auch noch frühzeig aus).
Warum haben denn die Reedereien ihre Pötte bedenkenlos nach Ostafrika geschickt, wo sie bei Kriegausbruch nahezu chancenlos festhingen? Warum hat Raeder sein berühmtes Zitat von dem "wenigstens ehrenvollen Untergehen" getätigt.
Ich bin ziemlich überzeugt davon, dass wir die suggestive Kraft der Nazis und vor allem Hitlers überhaupt nicht nachvollziehen können. Dazu sind wir deutlich aufgeklärter, weniger obrigkeitshörig und vor allem: wir kennen die Geschichte und ihren Ausgang.

J.I.M

Aus meiner Sicht wurde die Möglichkeit der Kriegsführung mit Hilfskreuzern nicht hinreichend vorbereitet. Die HSK's waren insbesondere im Vergleich mit den sonstigen "Raidern" BB, BC, CA höchst effektiv und sehr preiswert. Das hätte man aus Sicht der 1 WK zumindest so auch erhoffen können. Trotzdem hat man im Vorfeld diese Einsätze nicht hinreichend vorbereitet.
Im Buch "Deutsche Hilfskreuzer des zweiten Weltkriegs" von Freivogel wird darauf hingewiesen, dass erst nach der fast Fertigstellung der 1. Welle Handelsschiffexperten wie E.Gröner herangezogen wurden, um sich über Tarnmaßnahmen Gedanken zu machen.

Ich vermute mal, dass es das alte Problem ist, dass man sich auf höchster Stelle gerne Gedanken über große Dickschiffe mit großen Kanonen gemacht hat, statt über die "Hilfskriegsschiffe".

JIM 

Baunummer 509

Hallo,

sehr interessantes Thema, zu wenig Zeit. Dennoch ein kurzer Einwurf. Kmdt. Atlantis und/oder Pinguin und/oder Kormoran konsultierten Felix Graf von Luckner bzgl. Ausrüstung und Tarnmöglichkeiten der Geschütze.

Das müssen private Konsultationen gewesen sein, denn sonst hätte er (Luckner) sicher auf z.B. die prinzipiellen weil baulichen Defizite der Fels - Schiffe bzgl. Tarnung hingewiesen.
War es damals nicht gängige Praxis auch erfahrene, ehemalige Seeoffiziere zu so etwas zu befragen? Wie wäre das heute? Sind Ehemalige eine offiziell anerkannte "Wissens - Ressource"?

Gruß Sebastian

RonnyM

Moin Sebastian,

du fragst nach heute :? Sieh`dir mal die Seefahrtsschulen an. Es gibt kaum noch welche. flop

Wen willst du heute fragen? Die Russen, die Ukrainer oder die Phillippinen :? Die fahren heute die Schiffe als Kapitän. 8-)

Grüße Ronny
...keen Tähn im Muul,
over La Paloma fleuten...

Baunummer 509

Hi,

mittlerweile denke ich dass meine Frage doch etwas weit am ursprünglichen Thema vorbei geht, sorry.  :|

@Ronny: Ich meinte das Vorgehen in der Marinerüstung prinzipiell.
Beispiel: Angenommen es müsste nun ein neuer Schnellbootstyp entwickelt werden, würden z.B. die ehemaligen Kommandanten, oder ein ehemaliger Flottillenchef oder Flo. Chefingenieur befragt? Oder wer wäre dafür verantwortlich altes Wissen wieder auszugraben? Oder wird das Rad in großen Teilen einfach neu erfunden?

Ich habe z.B. mal in einer Doku über den Bau der englischen Astute SSN gesehen dass die Royal Navy viele Altgediente mit ins Boot genommen hat, da viel Wissen über den Bau von Atom U Booten schon gar nicht mehr in der aktuellen Generation des Werftpersonals oder der Entwicklung vorhanden war.

Etwas ähnliches hat doch zur Zeit der Auswahl der HSK gerade nicht stattgefunden, denn es gab doch noch HSK Fahrer aus dem ersten Weltkrieg. Wenn man die Brennecke Bücher durchliest dann erscheint einem die Ausrüstung der HSKs oft sehr chaotisch und schlecht organisiert, bisweilen völlig planlos. Umso erstaunlicher was für Erfolge dann mit diesen Schiffen erzielt werden konnten.

Gruß Sebastian

Kajot

Ja, die Erfolge waren wirklich ansehnlich. Aber man darf dabei nicht vergessen, dass sie ja recht autark waren und sehr vieles mit Bordmitteln verändern konnten.

Die Marine und ihre Vergangenheit - was habe ich mich schon darüber aufgeregt. Unsere Vergangenheit ist eben politisch und menschenrechtlich hochgradig verseuchtes Gebiet. Dass man offiziell davon Abstand nahm und nimmt, ist absolut nachvollziehbar. (Ich habe mir kürzlich ein paar Interviews mit Dönitz angeschaut und war doch ziemlich erschüttert!)
Dass aber eine rein sachliche und auf Fakten und Erfahrungen bezogene Beschäftigung mit dieser Zeit so unterentwickelt ist, möchte ich als fahrlässig und traurig bezeichnen.
Aber dieser Faden war zwischen Kaiserlicher und KM nicht derartig stark abgerissen, was man an der Konstruktions-Historie von SH, GU, BS, TP und EM sehr gut sehen kann. Wie weit sich das auf die Umrüstung der Frachter zu HKs bezieht, kann ich auch nur auf Brennecke-Niveau beantworten, wobei ich nichts gegen Brennecke sagen möchte (wer hat ihn nicht gelesen?).

Matrose71

#12
ZitatAber dieser Faden war zwischen Kaiserlicher und KM nicht derartig stark abgerissen, was man an der Konstruktions-Historie von SH, GU, BS, TP und EM sehr gut sehen kann.

Das ist ein sehr weit verbreitetes Cliche, welches völlig irreführend ist und dazu falsch und an der Sachlage vorbei.

Die Schiffe hatten ihr Panzerschema, damit das Panzerdeck nicht "unterschossen" werden konnte, dass spielte bei der HSF überhaupt keine Rolle, da dort die Böschungen nur Splitterschutz waren. Nachzulesen im offiziellen KM Vergleich, Richelieu "gegen" Bismarck.

BS/TP und SH/GN hatten mit Bayern vielleicht die Küchen geneinsam sonst gar nichts!
Nur weil die deutschen Schiffe kein All or Nothing hatten, waren sie nicht gleich nach WWI Richtlinien gepanzert oder die HSF WWI Schiffe dienten als Vorbild.

Bei den KM Schiffen flossen nach heutigen Quellen Erkenntnissen, die gestiegenen Leistungen moderner Geschütze und Granaten in das Panzerlayout ein. Das geteilte deutsche Deck, entsprach nach englischen Erkenntnissen, der Stärke einer einzelnen 6 inch (150mm) Platte.

Nur weil die deutschen KM Schiffe und ihr Panzerlayout gerne in anglo amerikanischen Foren und Literatur  als unmodern und WWI "Style" abqualifiziert werden, entspricht das noch lange nicht den Tatsachen und der Quellenlage.
BS/TP waren im europäischen Vergleich "State of the Art" und absolut auf der Höhe der Zeit!
Viele Grüße

Carsten


J.I.M

Zitat von: Kajot am 03 November 2014, 20:41:14
Wie weit sich das auf die Umrüstung der Frachter zu HKs bezieht, kann ich auch nur auf Brennecke-Niveau beantworten, wobei ich nichts gegen Brennecke sagen möchte (wer hat ihn nicht gelesen?).

Sorry, ist Off-Topic:

Bei Brennecke wundert mich das unterschiedliche Niveau der Bücher. Sein Buch über die Bismarck fand ich sehr gut, andere Bücher waren ehr oberflächlich.

JIM

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