WER gab Stichwort "Regenbogen" aus?

Begonnen von Kleinschiffer, 16 März 2025, 22:03:13

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Kleinschiffer

Meine Damen, meine Herren, Guten Abend. Ich bin seit heute hier in Ihrem Kreis - in der Hoffnung, mit Hilfe Ihrer versammelten maritimen und historischen Kompetenz ein wenig mehr Licht in meine private Recherche zu bringen.

Im Konkreten geht es um einige Details rund um die Selbstversenkungen Deutscher Marineeinheiten (vor allem U-Boote, S-Boote usw.) am frühen Morgen des 5.5.45 auf das Funkstichwort "Regenbogen hin. Nach meinem  Kenntnisstand ging, trotz Verbot durch GFM Keitel vom 4.5.45 und entgegen der Kapitulationsbedingungen der Deutschen Streitkräfte vor Feldmarschall Montgomery, am frühen Morgen des 5.Mai 1945 gegen 0300 ein Funkspruch an die U-Boot-Besatzungen in Norddeutschland mit dem Stichwort "Regenbogen" heraus, von dem man bis heute nicht weis, WER diesen Spruch abgesetzt hat.

Stichwort "Regenbogen" löste seit 1943 auf Befehl des OKM die Selbstversenkung von Marineeinheiten aus, um eine Inbesitzname durch den Feind zu verhindern. Der Befehl wurde am 30.04.1945 vom BdU = Neuem Reichspräsidenten noch einmal erneuert - am 4.5.1945 jedoch per Befehl des OKW, GFM Keitel, zurückgenommen.

Über die neuen Befehlsgewalten offenbar um Unklaren, verlangten wohl 2 U-Bootkommandanten (spekulativ: von Booten in der Geltliner Bucht) von Dönitz eine Klarstellung. Dönitz`Adjutant, Lüdde-Neurath, ließ dies jedoch nicht zu - gab aber den Offizieren eine persönliche Botschaft mit auf den Weg: "...wenn ich Kommandant wäre, wüsste ich was zu tun wäre." Es wird angenommen, daß die Offiziere diese Einschätzung als indirekte Botschaft von Dönitz werteten und auch an andere Kommandanten mündlich weitergaben.

Und hier kommen wir zu meinen diesbezüglichen Fragen: Meine Damen und Herren, kann jemand nähere Auskunft geben über diesen Funkspruch? Kennt jemand den Wortlaut? War der Spruch noch (in Hydra) verschlüsselt oder gem. Kapitulationsbedingungen unverschlüsselt? Kam der Spruch eventuell über den Sendewagen der Kriegsmarine in der alten Post in Flensburg, der als Reichssender Flensburg das Sprachrohr von Dönitz und seine Minister war oder kam er von einer Schiffsfunkstelle?

War es überhaupt ein offizieller Deutscher Spruch, des OKW, des OKM, der Skl, des BdU oder vielleicht ein gefälschter Spruch des Feindes oder ein unautorisierter  Spruch einer kriegsmüden Bestatzung (kein Einzelfall) der mehrere Hundert kampfstarke Einheiten aus dem Krieg nahm?

Mir ermangelt es nicht an Spekulationen und strategischen Überlegungen, allein die passenden Belege fehlen jeweils. Für kleinste Indizien und Informationsschnipsel dankbar, sende ich einen Gruß ins Rund und wünsche allseits Gesundheit und viel Vergnügen auf dieser Plattform, Ihr Kleinschiffer

Big A

Herzlich willkommen bei uns im FMA  :MG:

Könntest Du bitte ein paar Worte zu Dir und dem Grund Deiner Anfrage verlieren, damit wir den Hintergrund einordnen können.

Axel
Weapons are no good unless there are guts on both sides of the bayonet.
(Gen. Walter Kruger, 6th Army)

Real men don't need experts to tell them whose asses to kick.

Kleinschiffer

Sehr gern, obwohl: da ist nicht viel Interessantes dabei, fürchte ich. Auf Kiel gelegt´65 in Berlin, viele Sommer am Bodden/Ostsee verbracht, ab 10 öfter Kutter gefahren, mal ´ne Seekarte gelesen, n´ Kurs gekoppelt - und den Fischern den Köm geholt. Seither ein bisschen privates Schippern, Binnenschein, Seeschein, Funk usw. DGzRS Spenden - die übliche Landratte eben in ewig unerwiderter Liebe zur See.

Beruflich stoss ich ab und zu auf Strategische Fragen, da geht´s dann immer ein wenig wie in der Kombüse zu. Ist der Smutje gut, der Fisch innen saftig und außen kross, freuen sich die Mädels und Jungs in der Messe. Zuviel Safran am Reis oder zu wenig Salz in der Souce und schon ist die Gute Laune per Dú ... Da schaut man dann eben mal nach, wie´s die großen Köche gemacht haben.

Nehmen wir unseren "Stichwort Regenbogen" Fall: WER gab - in der äußerst defizilen Situation kurz nach der Kapitulation von von Friedeburg vor Montgomery einen solchen Befehl und das offenbar ganz ohne Folgen seitens der Alliierten? War es nur Marinetradition? Kaiserliche Flotte, Scapa Flow etc.? Oder war Befehl eben Befehl, man wußte nur nicht welcher gilt nun? Das wäre dann eigentlich einfach und menschlich verständlich, aber sagt da nicht ein Herr Clausewitz: Krieg sein die Fortsetzung der Politik nur eben mit anderen Mitteln? Vielleicht ist die Lösung dieses lange ungelüfteten Geheimnisses etwas GRÖSSER. Viel Raum für diverse Spekulationen also und viele von denen ergäben durchaus einen Sinn. Aber welche dieser Varianten trifft zu? Da helfen nur Indizien und Fakten. Die relevanten Primärquellen zu diesem Problem sind bekannt, KTB BdU, usw. - aber die entscheidenden Puzzleteile fehlen. Warum?

Ich könnte die Wache jetzt noch weiter langweilen - ich glaube aber, das Recht Euch mit mehr Details zu langweilen steht mir als Frischling in Eurem Kreis kaum zu. Ich hoffe, meine kurze Vorstellung beantwortet Eure Frage zunächst zur Genüge - bei Interesse kommen wir uns im Laufe der Zeit sicher noch näher. Ist das so in Ordnung für Euch?

Jedenfalls: Danke im Voraus für Eure Zeit und Aufmerksamkeit - falls mein Anliegen für Euch überhaupt ebenfalls von einigem Interesse ist. Schaue Euren Reaktionen mit großer Spannung und Freunde entgegen und wünsche "Angenehme Wache" ins Rund. Kleinschiffer

Big A

 :MG:
Danke für Deine Ausführungen.

Axel
Weapons are no good unless there are guts on both sides of the bayonet.
(Gen. Walter Kruger, 6th Army)

Real men don't need experts to tell them whose asses to kick.

ARANTALES

Gruß,

Ein Artikel van Derek Waller zu genau dieses Thema befindet sich in die Kanadische Zeitschrift ARGONAUTA, Volume XXXVIII Number 2 Spring 2021, Seiten 15-38:"The Kriegsmarine's 'Operation Regenbogen': the scuttling of U-boats in and around North Germany in early May 1945" (mit Quellen-Angaben, auch für die Funkspruchen).

Der Text dieses Artikels dürfte auch zu finden sein in ein Buch vom Author das etwa später dieses Jahr (Mai?) bei Pen & Sword, Seaforth, erscheinen soll.

Met vriendelijke groeten,
Walter

bettika61

Grüße
Beate

,,Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen." George Santayana

Kleinschiffer

an Arantales: Herzlichsten Dank, der Artikel ist großartig. Und Kompliment, da erfolgte offenbar ein wohl gezielter Griff in eine wohlsortierte Bordbibliothek, ob Hardware oder Software ist dabei ganz gleichgültig. Viele Informationen, Abläufe, Zeiten, Einordnungen, ein paar vernünftige Hypothesen - und alles mit Quellenverzeichnis. Bester Stoff.

Haben Sie Dank. Kleinschiffer 

Kleinschiffer

Hallo Beate - ich danke für den Hinweis. Ich stöbere die Bereiche jetzt sukzessive durch, eine Freunde dann für den Abend. Wie gesagt: toll, so viel geballtes maritimes Wissen und Interesse an einem Ort zu finden. Die Palette der Themen ist breit und interessant - aber der Erfolg, schon nach etwa 24 Stunden einen wirklich guten Korb an Fakten gefangen zu haben, geht über alles.

Nochmals Danke auch für Ihre Unterstützung Beate, wünsche eine "Ruhige Wache" und Grüße ins Rund

Kleinschiffer

Kleinschiffer

Ans Marine-Forum-Team: Aus Euren Beiträgen und Dokumenten lässt sich die (sichtbare) Befehlskette recht gut rekonstruieren - wichtige Grundlage.

Darf ich mit Euch noch einen Schritt weiter in die Details gehen?

Goliath in Kalbe war im Mai 45 bereits abgeschaltet. Habt Ihr Fakten zur Hand, aus denen wir schließen können, über welche Sendestellen, Schaltungen und Frequenzen die sensitive Kommunikationen Skl, BdU, OKW, zwischen dem 3. und 5 Mai Abends gelaufen sind?

Unverschlüsselt - wie mit den Briten vereinbart oder doch verschlüsselt? Und womit verschlüsselt ? In Hydra?

Bletchley las mit und man darf bei den Fähigkeiten der Briten davon ausgehen, daß Admiralität und zumindest Montgomery über die geltenden Befehle jeweils im Bilde waren. Und das die Frage der Selbstversenkungen für ihn von doch erheblichem Interesse war, darf man aus dem Umstand schließen, daß ihm DIESER Punkt wichtig genug war, einen handschriftlichen Zusatz zur Unterschrift unter die Kapitulationsvereinbarung mit von Friedeburg zu setzen. Sonst kein anderer Punkt - nur dieser.

Das führt mich zu einem (für mich) sehr spannenden Detail: Der Funkverkehr zwischen den Booten in der Geltlinger Bucht  der am frühen Morgen des 5.5. einsetzte - von wo ging der aus? Von den beiden U-Boot-Offizieren, die sich bei Dönitz in der Nacht zum 5.5. persönlich von dessen Haltung zum OKW Befehl bezüglich Rücknahme "Regenbogen" überzeugen wollten?

Fregattenkapitän Liebe (ehemals U 38) und Oberleutnant z.S. Martin Duppel (ehemals U 959) waren keine aktiven U-Kommandanten aus der Geltlinger Bucht, die dann mit der "Meinung" von Dönitz´Adjutanten wieder an Bord ihrer Boote gingen und per Funk die Nachbarn informierten - sondern Männer aus von Friedeburgs Stab, vom BdU.

Kennt jemand hierzu ein paar Details?

Mit bestem Dank für Eure Mühen, ich freue mich schon sehr auf Eure Nachrichten.

Kleinschiffer

ARANTALES

Gruß Kleinschiffer,

ZitatUnverschlüsselt - wie mit den Briten vereinbart oder doch verschlüsselt?

Da wo in Derek Waller's Bericht eine Funkmeldung in die Quellenangabe eine Referenz hat beginnend mit 'TNA Kew'
kann man die Aktenreferenz (z.B. 'DEFE3/744') eintragen im on-line TNA-Katalog (siehe https://discovery.nationalarchives.gov.uk/ und aus die Beschreibung kann man entnehmen ob es sich um verschlusselte Funkmeldungen handelt (oder nicht).
Bei DEFE3/744 steht da 'Teleprinted translations of decrypted German U-Boat traffic'.

Unverschlüsselte Deutsche Funkmeldungen sitzen (alle?/meist?) in die Akten TNA HW18/221 bis HW18/225.

Met vriendelijke groeten,
Walter

Kleinschiffer

Lieber Walter, ein guter Hinweis, vielen Dank. Ich schaue mir das heute gleich mal an und melde mich, wenn ich weiter gekommen bin.

Besten Dank ins Rund für Eure Mühe, ein :MG: an Sie Walter und allen eine "Ruhige Wache" und viel Sonne heute.

Kleinschiffer 

Kleinschiffer

Guten Abend ins Rund, Hallo Walter,

nochmals besten Dank für Deinen Hinweis - ich habe im National-Archiv einige interessante Befehle gefunden, die ich noch interpretieren muss. Ein Funkspruch, den ich bisher nicht kannte, datiert vom 4.Mai um 17:45 vom FdU West an alle U-Bootkommandanten.

Der englische Text in der deutschen Rückübersetzung lautet:

DURCH DAS SENDEN VON NACHRICHTEN AUF OPERATIVEN WELLEN VERSUCHT DER FEIND, FALSCHE BERICHTE AN U-BOOTE ZU SENDEN. IN DER VERFOLGUNG DES U-BOOT-KRIEGES SIND NUR ORDNUNGSGEMÄSS VERSCHLÜSSELTE NACHRICHTEN GÜLTIG WIE BISHER. EINE AUSNAHME WAR DIE PROKLAMATION DES OBERBEFEHLSHABERS, DIE IN P/L GESENDET WURDE.

Ich interpretiere das als Hinweis, daß die Briten und/oder die US Navy ihre intimsten Kenntnisse des Deutschen Funkverkehrs in Zeiten der Flensburger Regierung nicht nur passiv nutzten, sondern schon ab irgendwann VOR der Kapitulation -zumindest punktuell- selbst aktiv in die operative Führung der Kriegsmarine eingegriffen haben.

Die technischen Anlagen, Sendestellen, Schlüssel, Kennungen usw. dazu waren zweifellos verfügbar - eigentlich eher ein Unding, wenn man dies unterlassen hätte. Zumal man zum Ende des Krieges den unbedingten Schutz von ULTRA etwas lockerer sah und erst später im Jahr, angesichts des wachsenden Misstrauens gegenüber Russland, wieder verschärfte.

Ich sichte das verfügbare Material jetzt FT für FT und schaue, ob sich noch etwas ergibt. Bis dahin nochmals vielen Dank für die Unterstützung und...wie immer: eine "Ruhige Wache".

Kleinschiffer

Big A

ZitatZumal man zum Ende des Krieges den unbedingten Schutz von ULTRA etwas lockerer sah und erst später im Jahr, angesichts des wachsenden Misstrauens gegenüber Russland, wieder verschärfte.
Worauf basiert diese Aussage?
M.w. wurde ULTRA nie "lockerer" gesehen, da im Pazifik ja noch über 3 Monate weiter gekämpft wurde.
USA und Alliierte nutzen ULTRA Informationen, bis kurz vor V-E Day war auch noch der japanische Botschafter in Berlin. Der hätte wohl den Verdacht der Kompromittierung der Schlüssel mittels "Purple" nach Tokyo gemeldet. Davon habe ich allerdings nur etwas gelesen.

Axel
Weapons are no good unless there are guts on both sides of the bayonet.
(Gen. Walter Kruger, 6th Army)

Real men don't need experts to tell them whose asses to kick.

M-54842

Ich habe in der aktuellen SCHIFF Classic gelesen, dass in der kommenden Ausgabe, erhältlich ab 02.05., ein Artikel zum Thema erscheint. Er heißt ,,Befehl: versenken. Unternehmen Regenbogen 1945."

Kleinschiffer

Hallo M-54842, Guten Morgen,

höre ich das erste Mal - also ganz heißen Dank dafür. Steht ab sofort auf meiner Beschaffungsliste A.


Guten Tag Axel, Guten Morgen ins Rund:

Danke für Ihr Interesse und Ihre kritische Begleitung. Sie haben Recht, ich kann im Moment KEINE Quelle angeben. Dieser Teil meiner These ist unbelegt- eindeutig eine Schwachstelle.

Aber vielleicht können wir uns vorerst auf Folgendes als Indiz einlassen:

Wenn die Admiralität in sensiblem Moment, etwa im April/Mai 45 und in der strategischen Frage "wie stellen wir sicher, daß die enorme Schlagkraft der vorhandenen Deutschen High-Tech U-Boote nicht in ein paar Monaten oder Jahren gegen uns gewendet werden kann" selbst zur "Feder griff" - wäre das für sich selbst schon eine erhebliche Abweichung von den strikten ULTRA Regeln.

Die Briten hatten bis dahin ULTRA Erkenntnisse (unter Führung des R.A.F. Cpt. F. W. Winterbotham) nur einem äußerst begrenzten Leserkreis auf höchster Führungsebene eröffnet und dabei auf viele Maßnahmen verzichtet, die vielen Alliierten das Leben hätten retten können. Man wollte selbst unter schlimmsten Opfern substanzielle Rückschlüsse auf die ULTRA Fähigkeiten, etwa durch den Deutschen Marinenachrichtendienst (Maertens, Stummel, Tranow usw.) vermeiden.

Sollte die zitierte Warnung also kein Schuss ins Blaue des FdU West (Quelle: Britischen Nationalarchiv) gewesen sein, musste es Deutschen Stellen bald glasklar werden, wie weit die Britischen Fähigkeiten gehen mußten, wenn diese sich unerkannt (!) in Deutsche Funkschaltungen einklinken könnten, einschließlich Enigma, aktuellem Schlüssel M usw. und das war den Briten wiederum auch zweifellos klar. 

Die Whiterbotham Regeln aufzugeben um sich aktiv in den operativen Deutschen Funkverkehr einzuschalten, interpretiere ich als "Lockerung".

Japan war weit und zu viel Power in Deutschen Häfen - in Reichweite der Russen. Vergessen wir auch nicht: Churchill hatte zu diesem Zeitpunkt jedes Vertrauen in die Vertragstreue Stalins und das HALT der Russen an der Demarkationslinie verloren. Es wäre m.E. nicht unlogisch, wenn die Alliierten in Risiko-/Nutzen Abwägung hier eine begrenzte Kompromittierung von ULTRA in Kauf genommen hätten.

Wie sehen Sie das Axel? Aber ich suche weiter um meine These zu belegen oder zu widerlegen, ich halte die Mannschaft hier auf dem Laufenden, falls sich etwas entwickelt. Bis dahin weiter für jede Idee und jedes Indiz dankbar und mit besten Grüßen ins Rund. Ruhige Wache allen.

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