Legende Wotan Stahl ?

Begonnen von Scheer, 04 September 2005, 23:59:28

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Ralf

Aha, es tut mir leid, aber als ausgebildeter Buchhalter ;-) und den mir hier gelieferten Informationen, zweifle ich mittlerweile an der Extravaganz von Ww und Wh...

Es sei denn, in deren Produktionsabläufen passiert etwas explizit anderes, als bei den anderen... Und da hüllt Krupp ja den Mantel des Schweigens darüber...
Sagt mal, hat Krupp die Platten auch in Essen hergestellt? Oder wer hat die gewalzt etc.? Wo hat Krupp den produzieren lassen? Vielleicht gibt es ja noch Zeitzeugen?
Wie wäre es mit einer Anzeige in einer Essener Zeitung?
Gruß
Ralf
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,,Du kannst Dein Leben nicht verlängern und Du kannst es auch nicht verbreitern. Aber Du kannst es vertiefen!"
Gorch Fock

schiffbauer

Keine Ahnung, wo die Platten hergestellt worden sind.
Gruß
Schiffbauer

Spee

@Ralf,

die Daten stammen von fertigen Platten, nach der Bearbeitung (Walzen). Da gibt es keine spezielle Behandlung mehr, die die Qualität des Stahls verändern würde. Die Überlegenheit des "Wotan"-Stahls ist ein Mythos wie die Unsinkbarkeit der "Titanic".
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

Ralf

@Spee: Du nun wieder... ich vermute es ja auch. Aber worauf baut dieser "Mythos"? Was war denn, sooooo anders? Oder besser, wie kommen die darauf? Gutes Marketing?

Ein "schlauer" Mann sagte mal - ich sage nicht wer. Das könnte missverstanden werden -: "Man Muss eine Lüge nur oft genug erzählen, dann wird sie zur Wahrheit!"
Lief es so?

Was sagt ihr, sollen wir da mal etwas tiefen bohren? Was haltet Ihr von der Idee mit der Zeitung?
Gruß
Ralf
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,,Du kannst Dein Leben nicht verlängern und Du kannst es auch nicht verbreitern. Aber Du kannst es vertiefen!"
Gorch Fock

Spee

@Ralf,

die Legende vom "Wotan"-Stahl dürfte wie vieles erst nach dem Krieg entstanden sein, erzählt von Leuten, die keine Ahnung davon hatten.
Denke mal an die Nummer mit der "Graf Zeppelin". Immer wieder wird behauptet, daß der Flugzeugträger an der Haltung Görings gescheitert sei. Inzwischen sollte jedem klar sein, daß die Marine höchstselbst den Flugzeugträger zu Grabe getragen hat.
Denke an die Me 262, mit der man ja 1943 den Krieg hätte gewinnen können. Was für ein Käse. Der berühmte Bomberentscheid Hitlers. Was hat man den für einen Unterschied zwischen der Jäger- und der Jagdbombervariante der Me 262? Allein zwei Standard-Bombenaufhängungen wurden eingebaut. Die konnte man auch unter jeder Me 109 oder FW 190 installieren. Waren diese Flugzeuge dann keine Jäger mehr? Die Aussagen von Ingenieuren von Messerschmitt, daß man die Me 262 nicht schneller in Dienst stellen konnte, weil die Technologie so neu war, daß man jahrelange Forschung betreiben mußte, wird schnell unter den Tisch gekehrt bzw. ignoriert. Man will nur das sehen, was einem in den Kram passt, alles andere wird abgetan.
So entstehen Mythen, die sich festsetzen und nur schwer richtig gestellt werden können.
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

Ralf

Ok, dem folge ich. Aber ich möchte da nicht "nur" an das glauben, was mir hier erzählt wird, dann würde ich das gleiche tun, wie dieser Mythos, nur eben andersherum...

Ich bin ja sogar voll und ganz Deiner Meinung, auch wenn ich das von der 262 gar nicht wusste. Nur muss ich doch, wenn ich als "Oberlaie" an diese Sache heran gehe, alle Seiten begucken, oder nicht?

Ich habe keine Ahnung vom Stahl. Habe abernun hier feststellen können, dass es heute eine Norm gibt, die scheinbar auch eingehalten wird.
Mein Rückschluss hieraus: Das gab es damals scheinbar nicht. Und schon habe ich die Grundlage für "meins ist besser, Deins ist schlechter!"

So weit so gut. Nun ist halt die Frage, wie wurde Stahl damals hergestellt, wo und warum unterschieden sich die Produktionsabläufe? Welche Rolle spielt der Rohstoff, das Erz? Welche Qualitätskontrollen gab es? Und wiefern unterschieden die sich von den heutigen?

Wenn man die eine oder andere Frage beantwortet bekommt, dann werden sicher Deine Behauptung - die ich ja teile - ja untermauern können...
Gruß
Ralf
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Gorch Fock

harold

Legenden und Mythen (so der Germanist in mir) haben IMMER eine konsolidierende Funktion.
Interessant ist, WAS konsolidiert werden soll...

In die (Fach-)Literatur nach dem Krieg wurde zB geradezu Mantra-haft immer wieder das Wort "-zu spät!-" eingebaut;
Funktion: wir waren BESSER als alle anderen, hatten aber zu wenig Zeit. Ach, ist das unfair!-

Konsolidiert das Selbstbewusstsein ... schönes Beispiel dafür ist der (General) Walter Dornberger mit seiner "V2 - der Schuss ins Weltall".

Die deutsch-sprachige Presse konnte sich in den späten 60-ern und frühen 70-ern dann nicht satt genug feiern an Wernher v Braun; "Raketentechnologie ist deutsch. Punkt!"-
- Mythen sind dankenswerterweise recht anfällig gegen den Virus "Erkenntnis" -nein ich meine hier nicht FAKTEN, sondern das befreiende Lachen.
Kubrick´s genialer Film "Dr.Seltsam" ist zB so ein Virus...
Ciao,
Harold
4 Ursachen für Irrtum:
- der Mangel an Beweisen;
- die geringe Geschicklichkeit, Beweise zu verwenden;
- ein Willensmangel, von Beweisen Gebrauch zu machen;
- die Anwendung falscher Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Spee

@ralf,

natürlich gab es damals Normen für Stähle. Wenn 1937 Herr Dupont aus Paris 2000t St52 bei Krupp bestellt hat, dann hat er eine genormte Stahlsorte bekommen.
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

Spee

@Harold,

der früher "Wunderlich" hieß. Ja, der Film ist einfach genial.
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

Ralf

"Dr. Selsam, oder wie ich lernte die Bombe zu lieben", die Schlußzene ist dabei das Beste. Ein Ur-Texaner im Bullenritt auf einer A-Bombe aus dem Schacht einer B52... Lol...

@Spee: Und welcher Norm entsprachen Ww und Wh?
Gruß
Ralf
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Gorch Fock

Peter K.

@ UFO

Sorry, für die späte Antwort ...

Leider ist mir das von dir erwähnte Werk von Garzke und Dulin über BS nicht bekannt - allerdings teile ich deine Einschätzung dieses Autorenteams und somit habe ich keine Zweifel an der getätigten Aussage!

Leider gibt es wenig Material zur Thematik, aber als Folgeschäden des Torpedotreffers im Achterschiff von DE/LW im April 1940 rissen diverse Schweißnähte bis auf Höhe von Spant 136,5!

Grüße
Peter K.
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

Lutscha

Das ist ja barer Unsinn, wenn das stimmen würde, hätten SIE ja recht!

Typisch deutsche Argumentationsweise.

Peter K.

Vielen DANK für den Link, LUTSCHA!
Ich kannte zwar die Seite, nicht aber diesen Artikel!

Grüße
Peter K.
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

Reiner

Super Link, vielen Dank

Gruß
Reiner

ufo

@Lutscha

Danke! Wusste nich', dass es den inzwischen online gibt. Hat ja doch auch was!

@Peter

Danke! Die Informationen zu Lützow und wie sie den Treffer weggesteckt hat sind ja schon mal spannend.
Ob das 'normal' war? Waren solche Nahtrisse nach Torpedotreffern vorgesehen, eingeplant, eben 'normal'? Oder war das etwas, was mit der relativ neuen Technik des Schweissens zusammenhing?

Haben SMS Seydlitz und ihre Schwestern Probleme mit Rissen in Nähten und Verbindern gehabt, als sie von Jutland nach Hause humpelten oder war das etwas Neues?


Weiss jemand von Euch inwieweit sich das K-Amt oder die beteiligten Werften über die Probleme mit Nahtversprödung beim Schweissen von hochzugfesten Stählen bewusst waren? Gibt es da Aufzeichnugen zu?
Werftarchive? Ingenieursschriften?


Ich frage so neugierig, weil ich grad wieder das spannende Buch "Electric Welding in Shipbuilding" aus dem Regal gezerrt habe. Das hat His Majesties Stationary Office im Jahre 1943 im Auftrag der Admiralität herausgegeben und das enthält die Aufzeichnugen von Vorträgen aus den Jahren 1941 / 42 zu eben jenem Thema. Die Vortragsreihe is damals im Auftrage der Admiralität vor Fachvertretern von Werften gehalten worden und das Buch gibt 20 Vorträge auf 370 Seiten wieder. Die decken so mehr odere minder die ganze Spannweite des Themas ab – von wie zieht man anständige Nähte, wie designt man die, welche Verbidungen sind empfehlenswert, welche nicht, wie konstruiert man einen geschweisten Doppelboden, wie ein Kreuzervorschiff, wie verschweist man Nichteisen, wie eigentlich wird die Kristallstruktur bei verschiedenen Schweisstemperaturen, wie ... und so weiter. Was da nicht behandelt wurde, war damals auch nicht interessant.

In einem Vortrag nun ging es um das Schweissen von hochzugfesten Stählen (also Wotan Type) und oberflächengehärteten Stählen (Krupp Cementiert).
Der Vortragende weist sehr deutlich darauf hin, dass Nähte in Stählen mit hohem Kohlenstoffanteil leicht verspröden und gibt genaue Hinweise welche Sorten von Elektroden in welchem Durchmesser geeignet sind Panzerstähle zu schweissen. Er geht da sehr ins Detail, was für Probleme auftreten und wie die sich auf die letztendliche Festigkeit des Verbandes auswirken.
Zum oberflächengehärteten Stählen heist es, dass die Befestigung von Verbindern auf der Panzerstahlplatte durch Schweissen der von Einsetznieten überlegen, der von Durchsetznieten wenigsten gleichwertig wäre. Verschweissen von oberflächengehärten Platten untereinander (Gürtelpanzern, etc.) sei aber nicht empfehlenswert.

Das sieht für mich so aus als sei der Britische Schiffbau mehr oder minder genau da gewesen, wo die Kollegen in Deutschland auch waren.
Und – ist man mal ganz ehrlich wäre es auch eher überraschend gewesen, wenn da sooo erhebliche Unterschiede gewesen wären. Paul Zieb schreibt in "Logistikprobleme der Kriegsmarine" dass allein auf 'seiner' Kriegsmarinewerft Wilhelmshaven während des gesammten Krieges sechs waschechte Engländer beschäftigt waren. (Das war vermutlich umgekehrt nicht so viel anders nur werden die Deutschen Industriespione hinterher ganz, ganz fein den Mund gehalten haben und einfach am 1o. Mai 1945 wie jeden Tag zur Arbeit in Clydebank, Govan, Belfast oder Tyneside gegangen sein. Es hatte wohl niemand mehr einen Orden für sie parat.)

Auch sieht es für mich so aus, als seien sich die Briten spätestens 1941 über die Probleme mit Schweissnähten in Wotan Type Panzerplatten im klaren gewesen und hätten das Schweisen davon ganz gut im Griff gehabt.

Darauf aubauend nun einige Fragen:


An die zufriedenen Eigentümer von Ravens & Roberts "British BB in WWII" oder von dem Allied and Neutral Band von Garzke, Dulin: Wieweit waren King George V und seine Schwestern geschweist (vor allem im Bereich wo hochzugfeste Stähle verwendet waren?) War das vergleichbar mit der Bismarck Klasse? (ja – ich weiss auch, dass Bismarck mehr geschweist war. Aber wie sah das im Bereich der Panzerung aus?)
Allgemein: Haben die Briten Probleme mit ihren Schweissnähten im Bereich von Panzerplatten gehabt? Haben Britische Kreuzer nach Torpedo- oder Bombentreffern genau die selben Probleme gehabt, wie zum Beispiel Lützow mit geplatzten Nähten?

Und auf der anderen Seite: Waren den Deutschen die Probleme mit den Nahtversprödungen beim Schweissen von Wotan Type Platten in vollem Umfange bekannt?
Peter brachte ja schon den Link zu Joses Seite wo die Spezifikationen für die Schweisselektroden angegeben wurden. Klar war also, das da nicht einfach jede Elektrode drübergezogen werden konnte – logisch!
Aber gab es Testverfahren für die Nähte an zum Beispiel Torpedoschots – Ultraschall vielleicht?
Ja – die Frage geht also mehr an die von uns, die Ingenieursbücher von 1939 im Schrank haben oder Archivmaterial von Kriegsschiffwerften. Hat vielleicht der 'Nauticus' von 1938 oder 39 was dazu? Oder hat jemand Ausgaben von der Zeitschrift 'Werft, Reederei, Hafen' aus den 30ern?


Tja – schlechte Angewohnheit von mir – wie üblich mehr Fragen als Antworten. Mein Prof in Theoretischer Physik im Studium sagte uns mal man müsse lernen damit zu leben, dass man je mehr man wisse desto mehr kluge Fragen stellen könne. Und für jedes Bisschen Wissen würde man im Verhältnis mehr Fragen finden. Man würde also rein relativ betrachtet immer dümmer werden ...

So hoffe ich denn mal auf kluge Antworten.

Ciao,
Ufo

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